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03.03.2012 | 20:16 | Biokraftstoffpolitik 

EU-Bericht zu Biokraftstoffen und Landnutzungsänderungen: Keine Grundlage für gesetzliche Maßnahmen

Berlin - Der im Oktober 2011 veröffentlichte Bericht des International Food Policy Research Institute (IFPRI) sollte der EU-Kommission eine Abschätzung der Folgen von Landnutzungsänderungen durch die europäische Biokraftstoffpolitik liefern.

Biokraftstoff
(c) proplanta
Der Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe) stellte nach Analyse des verwendeten Modells MIRAGE-BioF fest, dass es für die Prognose von Treibhausgasemissionen aus Landnutzungsänderungen untauglich ist.

Zu der kontrovers geführten Diskussion über indirekte Landnutzungsänderungen (auch iLUC für „indirect Land Use Change") in Verbindung mit Biokraftstoffen erklärt Dietrich Klein, Geschäftsführer des BDBe: „Auf direkt wirkende staatliche Schutzmaßnahmen in den betroffenen Regionen kann nicht verzichtet werden. Ein Einbezug von iLUC-Werten in die Treibhausgasbilanzierung von Biokraftstoffen wäre wegen der Untauglichkeit des Modells willkürlich."


Vorhandene Rahmenbedingungen wurden ignoriert

Gravierende Auswirkungen auf das Ergebnis des Berichts hat die Tatsache, dass in dem Modell die vorhandenen staatlichen Schutzmaßnahmen gegen Landnutzungsänderungen ignoriert werden. So beschreibt das Modell, dass ca. 70 Prozent der durch Landnutzungsänderungen verursachten Treibhausgasemissionen aus Torf-, Wald- und Regenwaldflächen stammen sollen.

Die Rohstoffproduktion auf diesen Flächen ist jedoch nach der EU-Richtlinie Erneuerbare Energien verboten. Auch in anderen Ländern geltende staatliche Schutzmaßnahmen werden nicht berücksichtigt. In Brasilien hat zum Beispiel u.a. das „Amazon Region Protected Areas (ARPA) Program" zum Rückgang der Regenwaldrodung von 28.000 Quadratkilometer im Jahr 2004 um 75 Prozent auf 7.000 Quadratkilometer im Jahr 2010 beigetragen.

Konträr zu dieser nachweislichen Entwicklung errechnet das Modell für Brasilien 4.900 Quadratkilometer künftige Landnutzungsänderungen allein durch europäische Biokraftstoffnachfrage. Nach Einschätzung des BDBe ist davon auszugehen, dass bis zu 70 Prozent der im Modell prognostizierten Treibhausgasemissionen bei Berücksichtigung staatlicher Schutzmaßnahmen entfallen.


Unsichere Datengrundlage des Berichts

Der Verfasser des IFPRI-Berichts hat selbst in dem Bericht 27 Unsicherheiten aufgeführt und schon früher darauf hingewiesen, dass das Modell wegen unsicherer Daten nicht dazu geeignet sei, Landnutzungsänderungen und daraus stammende Treibhausgasemissionen quantitativ zu prognostizieren.


Evaluierung durch Verfasser abgelehnt

In einer von der EU-Kommission veranstalteten Anhörung (18.11.2011) hat der Verfasser des IFPRI-Berichts eine Evaluierung des Modells durch unabhängige Experten abgelehnt. Dietrich Klein: „Dies ist nach unserer Auffassung ein Verstoß gegen Grundregeln der guten wissenschaftlichen Praxis.

Eine externe Evaluierung des Modells auf seine Eignung zur Prognose von Landnutzungsänderungen durch Anwendung auf das vergangene Jahrzehnt, für das die tatsächlichen Landnutzungsänderungen bekannt sind, ist unverzichtbar. Solche Evaluierungen sind wissenschaftlicher Standard zum Beispiel der Klimaforscher des IPCC."

Zur ausführlichen Stellungnahme der deutschen Biokraftstoffwirtschaft und Analyse des BDBe: www.bdbe.de/politik/stellungnahmen (bdbe)
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