«Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass man auch bezahlt, was man isst. Leider gilt das nicht für jeden», sagte der Geschäftsführer des Landesverbands Gartenbau Thüringen, Joachim Lissner.
Belegbare Zahlen gebe es zwar nicht, aber Landwirte hätten - wenn auch auf einem eher niedrigen Niveau - immer wieder mit Fällen von Selbstbedienungsmentalität zu kämpfen. Betroffen seien die Erzeuger von Obst, Gemüse und auch Zierpflanzen.
Ein ausschlaggebender Faktor dabei sei die Stadtnähe: «Je weiter auf dem Land die
Betriebe sind, umso weniger Fälle scheint es zu geben», beobachtet Lissner. Die meisten Menschen auf dem Land hätten einen eigenen Garten, daher sei der Reiz nicht so hoch. Grundsätzlich sei es aber schwer festzustellen, ob etwa an einem Baum Äpfel fehlten. So sei für viele
Obstbauern die häufige Kontrolle der einzige Weg zum Schutz ihrer Plantagen.
«Besonders nach den beiden Extremsommern zählt für die Erzeuger jeder Apfel und jeder Blumenkohl. Wir können daher nur an die Ehrlichkeit der Menschen appellieren.» Im Polizeialltag nehmen Obstdiebstähle in Thüringen derzeit keinen besonderen Raum ein, wie es von der Landespolizeidirektion hieß.
Mit teilweise sehr dreisten Obstdieben hatte die
Genossenschaft Fahner Obst in Gierstädt hingegen in den 1990er Jahren zu kämpfen. «Damals haben wir mitunter Leute erwischt, die mit Kleintransportern zum Pflücken vorgefahren sind», erklärt Vorstand Jörg Dornberger.
Mit regelmäßigen Kontrollfahrten, Schildern, Zäunen und Kameras sei das Problem zunächst eingedämmt worden. Als besonders effektiv habe sich aber die Flucht nach vorne erwiesen. «Unser Angebot zum Selbstpflücken hat die Lage deutlich entspannter gemacht.»
Auf etwa 20 Hektar können seitdem Kunden Kirschen und Äpfel für einen günstigeren Preis selbst vom Baum holen. Das Angebot werde sehr gut angenommen. Beliebt sei zudem der Einkauf im örtlichen Hofladen. Kontrollfahrten und der stellenweise Einsatz von Kameras seien zwar immer noch nötig, Vorfälle gebe es heutzutage aber nur noch vereinzelt.
Auch beim Thüringer
Bauernverband sind es eher die Einzelfälle, die für Unmut sorgen. Diebstähle von Gemüse gebe es kaum, erklärt Verbandssprecher Axel Horn. «Aber wenn Maiskolben zu Dekorationszwecken oder für Kleintiere abgebrochen und dabei andere Pflanzen niedergetreten werden, ist das schon sehr ärgerlich.»
Auch Blumenliebhaber, die Sonnenblumen oder andere Blühpflanzen an den Ackerrändern pflückten, sorgten hin und wieder für Schäden. «Die Blumen werden eigens dafür gesät, dass Insekten eine bessere Lebensgrundlage haben. Sie stehen zu lassen, ist ein Beitrag zum Umweltschutz.»
Dass für Stadtbewohner das Selbstpflücken manchmal einfacher möglich ist als im ländlichen Raum, zeigt der Blick nach Weimar. Anders als bei
Streuobstwiesen im Privatbesitz sei das Pflücken auf den kommunalen Flächen grundsätzlich erlaubt, solange keine Beschilderung das verbiete, so Mandy Plickert von der Stadtverwaltung. «Wichtig ist, dass dabei vorsichtig und erst nach abgeschlossener Reife geerntet wird. Es darf keine Beschädigung der Bäume stattfinden».
Schäden durch das Abreißen von Ästen sorgten für Mehrkosten und seien eine große Belastung für die Bäume, solche Fälle seien schon öfter vorgekommen. Auch das unerlaubte Befahren der Flächen sorge immer wieder für Probleme. Die Stadt Erfurt wollte dazu keine Angaben machen.
Dem Landesamt für Statistik zufolge wurden in Thüringen im vergangenen Jahr von den gewerblichen Unternehmen rund 34.000 Tonnen Äpfel und fast 2.000 Tonnen Süßkirschen geerntet.