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08.06.2008 | 08:24 | Welternährung 

Preiskrise als Chance für eine «grüne Revolution» in Afrika

Nairobi - Die weltweite Lebensmittelkrise ist nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance.

Welternährung
(c) proplanta
So sieht es Akin Adesina, Vizepräsident der Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (AGRA). «Mittel- und langfristig ist nur der Ausbau der Landwirtschaft, nicht Lebensmittelhilfe die Lösung», betont der Nigerianer. Es sei ein Unding, dass die landwirtschaftliche Produktion in Afrika in den vergangenen 30 Jahren zurückgegangen sei und viele afrikanische Bauern nicht einmal genügend Lebensmittel für den Unterhalt der eigenen Familie produzierten. «Der Agrarsektor in Afrika ist jahrzehntelang vernachlässigt worden», sagt Adesina.

Auch Pedro Sanchez, Agrarwissenschaftler der Columbia Universität in New York und Berater des UN-Umweltprogramms UNDP, sieht in der derzeitigen Krise den richtigen Zeitpunkt für eine «grüne Revolution» und verweist auf das Beispiel Indien. «Es war die Preiskrise der 60er Jahre, die dort zur massiven Förderung des Reisanbaus führte», sagt er. Die afrikanischen Staaten müssten angesichts der starken Preissteigerungen auf dem Weltmarkt den Anbau von Mais, Reis, Getreide und anderen Grundnahrungsmitteln verstärken, um unabhängiger von Importen zu werden.

In der Tat versuchen derzeit einige afrikanische Länder, das Ruder herumzureißen. Die kenianische Regierung legte Anfang Mai zusammen mit AGRA ein Programm mit einem Fördervolumen von 50 Millionen Dollar auf, das vor allem die Kleinbauern unterstützen soll. Rund 2,5 Millionen Bauern sollen eine Chance auf zinsgünstige Kredite erhalten. Düngemittel und besseres Saatgut werden mit staatlichen Zuschüssen subventioniert.

In Senegal hat Präsident Abdoulaya Wade eine «Großoffensive für Nahrung und Überfluss» gestartet. Noch in diesem Jahr soll der Anbau von Reis, dem Hauptnahrungsmittel der meisten Senegalesen, um das Zweieinhalbfache auf 500.000 Tonnen gesteigert werden. Derzeit werden 80 Prozent des jährlichen Reis-Verbrauchs in Höhe von rund 800.000 Tonnen aus Asien importiert. «Malawi ist ein großartiges Beispiel dafür, dass ein importabhängiges Land zum Exporteur werden kann», sagt AGRA-Vize Adesina. In nur zweieinhalb Jahren sei es dort gelungen, eine Wende herbeizuführen.

Der UN-Berater Sanchez rechnet allerdings nicht mit schnellen Erfolgen auf dem Kontinent: «Fünf bis zehn Jahre sind das mindeste.» Es zähle nicht nur politischer Wille, es müsse auch das notwendige Geld aufgebracht werden. Für die Geberländer sei es langfristig günstiger, in die afrikanische Landwirtschaft zu investieren als Hilfsgüter zu schicken. Zudem müssten die Folgen des Klimawandels berücksichtigt werden. «Afrika trägt die schwerste Last des Klimawandels», sagt auch Adesina. Die Industrienationen als größte Verursacher der Erderwärmung sollten sich daher auch an den Kosten für eine erfolgreiche «grüne Revolution» in Afrika beteiligen.

Für einen großzügigen internationalen Fonds für die Landwirtschaft in Afrika plädiert Jeffrey Sachs, UN-Sonderberater und Direktor des Earth Institute der Columbia Universität. «Allein in Afrika sind zehn Milliarden Dollar jährlich nötig», sagt Sachs. Förderprogramme wie etwa in Kenia seien zwar ein Schritt in die richtige Richtung, reichten aber bei weitem nicht aus. «Das Minimum sind 80 bis 100 Dollar pro Hektar Land», betont er.

Sachs ist mit seinem Earth Institute federführend an dem UN- Projekt der Millenniumsdörfer beteiligt. In den zwölf Dörfern in zehn afrikanischen Ländern wollen die Vereinten Nationen ihre sogenannten Millenniumsziele beispielhaft umsetzen. Dazu zählt die Finanzierung von Düngemitteln, verbessertem Saatgut, kostenlosen Schulbesuchen und Moskitonetzen. Spenden in Höhe von 110 US-Dollar pro Einwohner fließen jährlich in Landwirtschaft, Gesundheit, Bildung und Infrastruktur. Die Millenniumsdörfer seien der Beweis, dass sich Investitionen in die Landwirtschaft lohnten, sagte Sachs: «Die Ernteerträge haben sich dort verdrei- und vervierfacht.» (dpa)
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