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08.06.2008 | 10:45 | Konsumverhalten 

Weniger Lebensmittel im Müll - Preisexplosion ändert Konsumverhalten

Berlin - Das Brot ist zwei Tage alt, die Milch ein bisschen ranzig und die Erdbeeren etwas matschig. Täglich wandern tonnenweise Lebensmittel in Deutschland in den Müll.

Weniger Lebensmittel im Müll - Preisexplosion ändert Konsumverhalten
Die Kostenexplosion zeigt nun erste Änderungen im Konsumverhalten der Deutschen. Von Januar bis April ging der Lebensmittel-Konsum nach Angaben der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) um zwei Prozent zurück. «Es liegt auf der Hand, dass die Menschen bewusster kaufen und weniger wegschmeissen», sagt Wolfgang Twardawa von der GfK. Beim Verbraucherzentrale-Bundesverband heißt es, dass auch Bilder von Bauern, die ihre Milch wegschütten, am schlechten Gewissen gerüttelt haben. «Das löst ganz unangenehme Gefühle aus, da sind viele aufgeschreckt», sagt Jutta Jacksche.

Während in Rom der Welternährungsgipfel tagt und angesichts immer höherer Preise, Unruhen mit Toten und 850 Millionen unterernährter Menschen weltweite Lösungen gesucht werden, reagiert der deutsche Verbraucher mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln. «Es wird mehr auf das Haltbarkeitsdatum geachtet», hat Verbraucherschützerin Jaksche beobachtet. «Statt einmal den Großeinkauf zu machen und den Wagen bis unters Dach vollzupacken, gehen viele Menschen nun öfter, aber dafür überlegter einkaufen.» Hinzu kommt, dass die Bürger verstärkt zu günstigeren Produkten greifen und statt Butter Margarine oder statt Bio-Eiern die Eier aus der Käfighaltung kaufen.

Nach Analysen der GfK kauften Haushalte zuletzt etwa 16 Mal pro Monat ein, dabei landeten mit 12 Produkten rund drei Prozent weniger Lebensmittel pro Einkauf im Wagen als noch vor einem Jahr. Ein Grund: Milch, Brot und Butter werden immer häufiger auch komplett verzehrt. «Weniger Wegwerfen spart eben auch Geld», schreibt Paul Michels in der jüngsten Ausgabe der «Agrarwoche» der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle (ZMP). «Die Privathaushalte entscheiden also über ihre Nachfragereaktion maßgeblich mit, ob die Märkte über-, unter- oder gerade richtig versorgt sind.»

Wie viel in Deutschland weggeworfen wird, ist nicht erfasst. In Österreich aber landen laut Institut für Abfallwirtschaft der Universität für Bodenkultur in Wien Lebensmittel für rund 390 Euro pro Haushalt und Jahr im Müll - darunter vor allem originalverpackte Milchprodukte, Eier, Fleisch, Gemüse, Obst, Backwaren und Süßes. Wenn in Deutschland ähnlich viel weggeworfen wird, käme die Summe von 15 Milliarden Euro im Jahr zusammen - rund zehn Prozent des jährlichen Lebensmittel-Umsatzes.

In Großbritannien wird einer Studie zufolge sogar ein Drittel aller Nahrungsmittel weggeworfen, darunter 4 Millionen Äpfel, 1,2 Millionen Würstchen und 2,8 Millionen Tomaten. Eine Studie der Environmental Protection Agency brachte zutage, dass in den USA 30 Millionen Tonnen Nahrung jährlich im Müll landet - 12 Prozent des gesamten Mülls. Eine vierköpfige Familie schmeißt rund 60 Kilo Lebensmittel pro Monat weg - das meiste davon unangerührt.

Präsident George W. Bush machte kürzlich laut «New York Times» die aufstrebende indische Mittelklasse mit ihrer Nachfrage nach besseren Lebensmitteln für die Kostenexplosionen mitverantwortlich. Dort konterte man, dass ohne die Verschwendungssucht der Amerikaner auch viele Menschen in Afrika mehr Essen auf ihren Tellern finden würden.

Auch wenn in Deutschland viele Menschen mit Kriegserfahrung nicht einmal eine Scheibe altes Brot wegschmeissen können und insgesamt weit bewusster konsumiert und eingekauft wird als in den USA - das Phänomen zeigt, dass private Haushalte einen erheblichen Einfluss auf die weltweiten Preise von bestimmten Lebensmitteln und auf die Angebotsmenge haben können. Natürlich könne der weltweite Hunger auch dann nicht gelöst werden, wenn es kein Wegwerfen von Nahrung mehr gebe, schreibt die «New York Times». Aber das US-Agrarministerium schätze, wenn nur fünf Prozent der täglich in Amerika verschwendeten Lebensmittel gerettet würden, könnten davon vier Millionen Menschen pro Tag ernährt werden.

Laut Konsumforscher Twardawa trage in Deutschland auch der Handel mit seinen «3 zum Preis von 2-Angeboten» eine Mitschuld an der Situation. «Da wird der Verbraucher gedrängt, möglichst große Mengen zu kaufen.» Hinzu kommt, dass Lebensmittel jahrelang äußerst billig waren und dementsprechend dazu verleitet haben, nach Herzenslust zuzugreifen - ohne zu überlegen, wer das alles essen soll. Jutta Jaksche kann angesichts des Konsum-Wandels den Preissteigerungen auch etwas Positives abgewinnen: «Das Bewusstsein für die Wertigkeit von Lebensmitteln wird enorm erhöht.» Und - was früher nach dem Krieg das A und O war - gewinne immer mehr an Bedeutung: «Besseres und gut kalkuliertes Haushalten.» (dpa)
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