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28.09.2016 | 02:52

Niedersachsen wird offiziell Weinanbaugebiet

Rebenpflanzung in Niedersachsen
Die Landkarte des Weinbaus wird neu geordnet: Niedersachsen wird offiziell Anbaugebiet. Wärmere Temperaturen und neue EU-Richtlinien machen den kommerziellen Weinanbau zwischen Harz und Küste möglich. Wie werden die Eigenschaften sein: Salzig im Abgang oder eher herb? (c) proplanta

Edle Südlage im Ammerland: Niedersachsens Winzer gehen an den Start



Deutsche Weinliebhaber können auf edle Tropfen von Niedersachsens Küste hoffen. Nachdem das norddeutsche Flächenland gerade vom Bund seine ersten Weinbaurechte erhalten hat, schaut die Branche neugierig auf das Experiment.

Frank Schulz vom Deutschen Weininstitut ist fasziniert von dieser Nachricht. «Ich könnte mir wegen der kühlen Nächte den Anbau von Riesling dort vorstellen, aber auch Silvaner», sagt er. Zehn hoffnungsfrohe niedersächsische Neuwinzer haben drei Jahre Zeit, zwischen Heide, Harz und Nordseeküste auf Grundstücken mit insgesamt rund 7,6 Hektar Fläche Rebpflanzungen anzulegen.

«Das ist wirklich ein Novum und mit Sicherheit eine interessante Entwicklung», sagt Schulz. «Niedersachsen wäre damit formal Deutschlands 14. Anbaugebiet.» Eine rechtliche Anerkennung als geschützte Herkunftsbezeichnung geht damit nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums aber noch nicht einher. Dazu müsste es erst einmal Niedersachsen-Wein geben, um festlegen zu können, was das Besondere eines derartigen Rebsafts aus dem Küstenland ausmacht. Und dann müssten die Winzer noch einen entsprechenden Antrag stellen.

Bislang gingen die Weinbaurechte überwiegend nach Süddeutschland. Nun sind auch Steillagen im Harz oder Weserbergland denkbar - wenn auch mit insgesamt 76.000 Quadratmetern auf zunächst vergleichsweise kleiner Fläche. Diese entspricht etwa der Größe von 15 Fußballfeldern. Auch die Zahl der niedersächsischen Neuwinzer ist angesichts von bundesweit 48.000 Weinbetrieben, davon 20.000 im Vollerwerb, gering.

Dennoch wertet das Agrarministerium in Hannover die Nachricht als Erfolg. «Es wurde höchste Zeit, das Nord-Süd-Gefälle beim Weinbau in Deutschland abzumildern», sagt Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer. Der Grünen-Politiker freut sich auf die Aromen-Offenbarung im niedersächsischen Weinglas: «Ich bin gespannt auf die ersten edlen Tropfen aus der Region.»

Im klassischen Agrarland Niedersachsen wurde der Traum von möglichen Top-Gewächsen durch den Klimawandel und durch eine neue EU-Regelung ermöglicht. Denn der Anbau der Reben und die Verarbeitung der Trauben für erwerbsmäßige Zwecke sind - anders als bei Hobbywinzern - streng reglementiert und kontrolliert. Hobbymäßig durften auch bisher schon bis zu 99 Rebstöcke angebaut werden. Im Hildesheimer bischöflichen Weinberg etwa gibt es mitten in der Innenstadt so eine Anbaufläche - die Lese ergab im Schnitt um die 300 Flaschen.

Teilzeit-Winzer tummeln sich auch anderswo, bei Oldenburg etwa hoben sie eine «Norddeutsche Weinstraße» aus der Taufe, die entlang von Bremen, Hamburg und Hitzacker bis nach Mecklenburg-Vorpommern führt.

Im Fachwerk-Städtchen Hitzacker an der Elbe wird seit 1980 wieder Wein hergestellt, auch auf Sylt und bei Kiel gibt es schon Weingüter, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gelten ebenfalls als Anbaugebiet für Landweine. In Dänemark, Teilen Englands und Skandinavien gibt es ähnliche Versuche - nur in Holland macht die Staunässe alle Ansätze zunichte.

Solche Probleme sind in Burgdorf bei Hannover nicht zu erwarten, denn auch Spargel und Kartoffeln, die dort traditionell auf dem sandigen Boden angebaut werden, vertragen keine Staunässe. Drei Jahre haben Neuwinzer dort nun auf der angemeldeten neuen Anbaufläche Zeit, Rebstöcke zu pflanzen - danach könnten die Stöcke richtige Trauben produzieren. «Die Weinrebe ist an sich ein sehr robustes Gewächs, das auch mit widrigsten Böden umgehen kann», sagt Frank Schulz vom Deutschen Weininstitut. «Ich bin selber gespannt, wie das funktionieren wird.»

Eines aber weiß er bereits jetzt: «Die Weinfreunde in Niedersachsen werden jetzt einen konkreteren Bezug haben, weil sie den Weinanbau direkter wahrnehmen.» Der Experte aus der Nähe von Mainz zieht einen interessanten Vergleich: «Das ist so wie bei mir mit dem Fisch: Ich wünschte, ich hätte hier mehr Fischbrötchen», sagt er.
dpa/lni
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