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06.09.2010 | 04:22 | Neue Gemüsesorten bringen Vielfalt auf den Teller 

Auf die Saat kommt es an

Mohnheim - Mohrrüben in Gelb, Weiß, Violett und Orange.

Auf die Saat kommt es an
Dieser bunte Wurzelgemüse-Mix erobert derzeit die Frischwarentheken amerikanischer Supermärkte. Auch in Dänemark gibt es süßlich schmeckende Snack-Karotten im handlichen 100-Gramm-Pack. Dazu eine Palette unterschiedlicher Varianten zum Grillen, Schmoren oder für den Wok. Was Tomaten in Sachen Farb- und Geschmacksvielfalt längst vorgemacht haben, holen Möhren jetzt nach. Neben Tomaten und Karotten locken zudem unterschiedliche Melonen und Salatköpfe mit krausen oder glatten Blättern in den Gemüseregalen. Hinzu kommen Paprika, die in Ampelfarben zwischen orangefarbenen Kürbissen, grünen Zucchini oder dem roten Fruchtfleisch halber Wassermelonen leuchten.

Bunte Möhren, kernlose Wassermelonen oder süße Tomaten: Der Wunschzettel der Verbraucher für Gemüse ist lang und vielfältig. Dem wollen auch Saatgut-Produzenten und Pflanzenzüchter gerecht werden. Mit klassischen und modernen Züchtungsmethoden sorgen sie für die bunte Vielfalt im Gemüseregal. Und nicht nur die Wünsche der Verbraucher wollen berücksichtigt sein. Auch die Bedürfnisse der Landwirte und Händler stehen im Fokus des weltweiten Gemüse-Geschäfts: Geforscht wird zum Beispiel an Saatgut, das trotz schädlicher Einflüsse von außen viel Ertrag bringt, oder an verbesserter Lager- und Transportfähigkeit. Das niederländische Unternehmen Nunhems, dem Gemüsesaatgutgeschäft der Bayer CropScience AG, ist hierbei führend tätig.


Die „tränensichere“ Zwiebel

Entscheidend für eine ausgewogene und gesunde Ernährung ist neben dem Aussehen auch der authentische Geschmack der einzelnen Gemüsesorten. Für die Züchter bedeutet das, ihr Ohr immer ganz nah am Verbraucher zu haben: Süße Cocktail-Tomaten sollten mit einem Biss im Mund verschwinden, und herzförmige Tomaten gelten als beliebter Party-Gag. Einen Rekord haben die sogenannten Tomberries aufgestellt: Sie sind mit weniger als einem Zentimeter Durchmesser die kleinsten Tomaten der Welt - beworben als „Tomatenkaviar“.

Auch der Trend zum Single-Haushalt in Großstädten geht an den Gemüsesorten nicht spurlos vorüber: Wassermelonen für den kleinen Kühlschrank sind ebenso gefragt wie Salate, die gewaschen, geschnitten und verzehrfertig als bunter Mix in den Regalen der Supermärkte angeboten werden. Eine neue Produktlinie vor allem für die Lebensmittelverarbeitende Industrie ist „Multileaf“, ein Salatkopf, der mit einem Schnitt in viele gleichgroße Blätter auseinanderfällt. Auch die „tränensichere“ Zwiebel, bisher noch in der Entwicklung, dürfte nicht nur bei Hobby-Köchen reißenden Absatz finden. Gemüsesorten werden deshalb kontinuierlich weiterentwickelt. „Wir züchten ständig neue Sorten, da sie im Durchschnitt nur vier Jahre für den Markt interessant sind“, sagt Ko Remijnse, Managing Director Marketing & Sales bei Nunhems. Neue Sorten sind das Ergebnis eines oftmals über zehn Jahre dauernden Prozesses aus Kreuzen und Selektieren. Dabei ist die Saatzucht so alt wie die Landwirtschaft: Bauern haben schon immer die besten Pflanzen ausgewählt, den Samen gesammelt und die Gewächse so an wechselnde Umweltbedingungen angepasst.


Züchter und Pflanzenforscher rücken zusammen

Bei Nunhems steht die sogenannte „Integrierte Züchtung“ im Vordergrund - ein Konzept, das die Forschung erheblich effektiver macht: Dabei arbeitet ein multidisziplinäres Team aus Pflanzenzüchtern, Molekular- und Zellbiologen, Phytopathologen, Saatguttechnologen und Bioinformatikern jeweils an einer der 28 Kulturen, die alle unterschiedliche Anforderungen stellen. „Mithilfe der Integrierten Züchtung können wir heute schon im frühen Wachstumsstadium aus Tausenden von Pflanzen diejenigen mit den gesuchten Eigenschaften selektieren, ohne sie erst zur Reife wachsen lassen zu müssen“, sagt Roger Muren, Leiter der Zellbiologie von Nunhems im Züchtungszentrum Davis in Kalifornien/ USA.

Damit rückt die Arbeit von Züchtern und Pflanzenforschern immer näher zusammen: Dank molekularer Analysen im Labor können die Forscher heute genauer und schneller feststellen, was eine Pflanze von ihren Artgenossen unterscheidet. Und Züchter können so gezielter die Kreuzungen auswählen, die besondere Qualitätsmerkmale mit sich bringen. Einmal identifiziert können solche Kennzeichen auch in Zukunft bei anderen Pflanzen diagnostiziert werden - und wertvolle Hinweise für die Züchtung geben. „Damit sparen wir nicht nur Jahre an Entwicklungsarbeit. Wir können bei der Entwicklung neuer, verbesserter Sorten auch noch gezielter auf die Bedürfnisse der Landwirte eingehen“, erklärt Muren. Das Gemüse soll sich gut anbauen lassen, möglichst gegen Krankheiten resistent sein - und am besten noch mehr Ertrag bringen.


Züchtungsstationen rund um den Globus

Auch den Folgen des Klimawandels müssen die Pflanzen heute gewachsen sein. Kohl in Asien etwa sollte auch größeren Überschwemmungen standhalten. Und Tomaten in Indien sollten höhere Temperaturen tolerieren können als es in Europa notwendig ist. Weil die Bedingungen von Region zu Region unterschiedlich sind, betreibt Nunhems Züchtungsstationen in den wichtigsten Gemüse produzierenden Regionen rund um den Globus betrieben. Dort werden die neuen Sorten an lokale Bedingungen und Anforderungen angepasst.


Praktisch und lecker - Die süße Melone Magenta

Ein einheitliches Aussehen ist besonders für das Gemüse wichtig, das später maschinell weiterverarbeitet wird. Die Maschinen, die beispielsweise Wasser- und Honigmelonen in mundgerechte Würfel für den fertig abgepackten Obstsalat schneiden, sind nur bei gleichbleibender Größe und Form der Früchte effizient. Bei Melonen haben die Züchter noch weitere positive Resultate verzeichnen können: So haben sie zum Beispiel Wassermelonen ohne Kerne heranziehen können oder eine Cantaloupe-Melone mit dem Namen „Magenta“ entwickelt, deren orangefarbenes Fruchtfleisch besonders süß ist.

Mit einer gelungenen Ernte ist das Gemüse aber noch nicht auf dem Teller. Die Forscher haben verstärkt die gesamte Warenkette im Blick. So eignen sich die „Intense“-Tomaten von Nunhems besonders gut für das gesunde Sandwich zwischendurch: Sie lassen sich einfach in Scheiben schneiden, ohne viel Saft zu verlieren. „All diese Anforderungen versuchen wir schließlich in unseren Sorten zu vereinen, deren Saatgut wir dann möglichst schnell auf den Markt bringen“, erläutert Remijnse.


Vom Feld bis in den Einkaufskorb - Ein Wettlauf mit der Zeit

Gemüse muss gut zu transportieren und lagerfähig sein. Denn es „lebt“ auch nach der Ernte weiter: Wertvolle Inhaltsstoffe werden abgebaut und es drohen Qualitätsverluste durch Schimmelpilzbefall - und das lange bevor braune Flecken oder weiche Stellen erkennbar sind. Für Handel und Logistik ein Wettlauf mit der Zeit. Ein neues System, das Forscher am Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim entwickeln, könnte die Qualitätskontrolle während der Reise erleichtern: Informationen wie Temperatur oder Lagerungszeit werden an der Verpackungseinheit erfasst und zentral ausgewertet. So könnten zum Beispiel Erdbeeren aus Spanien vor dem Verschimmeln auf dem Transportweg rechtzeitig an einem anderen Ort verkauft werden.

Den Blick für alle Beteiligten der Lebensmittelkette bis in den Einkaufskorb beweist Bayer CropScience mit seinem Programm „Food Chain Partnership“. Von den über 200 Projekten in inzwischen mehr als 40 Ländern profitieren Verbraucher ebenso wie Transporteure, Zwischenhändler und Landwirte. In einem Pilotprojekt in der indischen Provinz Punjab etwa wurde jüngst die komplette Lebensmittelkette vom Anbau bis zum Verkauf optimiert: In Kooperation mit dem Joint Venture Bharti-Walmart wurden sämtliche Schritte von der richtigen Saatgut- und Düngerauswahl über nachhaltige Pflanzenschutzlösungen bis zum Transport und Verkauf der Waren auf den Prüfstand gestellt. Nach Abschluss des Projekts erzielten die Landwirte 35 Prozent mehr Einkommen - und die Kunden der Bharti-Lebensmittelmärkte konnten frischeres und gesünderes Gemüse kaufen.

Auch in Mexiko erhalten lokale Obst- und Gemüseerzeuger Unterstützung. In einer Partnerschaft mit Mexico Calidad Suprema, einer der führenden Zertifizierungsorganisationen des Landes, lernen die Landwirte die Anforderungen der globalen Exportmärkte - vor allem Nordamerika und Europa - zu erfüllen. „Die Aufgabe unserer Food Chain-Manager ist es, alle Beteiligten an Bord zu holen und sie mit integrierten Lösungen, Schulungen und modernen Technologien zu unterstützen, damit sie diese Qualitätsziele auch erreichen können“, sagt Dr. Rüdiger Scheitza, Vorstandsmitglied bei Bayer CropScience. „Um die internationalen Qualitätsstandards umsetzen zu können, ist die Zusammenarbeit aller Partner der Wertschöpfungskette erforderlich - Industrie, Landwirte, Zertifizierungsbehörde, Groß- und Einzelhändler.“


Unterschiedliche Regionen - unterschiedliche Geschmäcker

So vielfältig die Herausforderungen für die Gemüsezucht in den unterschiedlichen Regionen der Erde sind, so verschieden sind auch die Geschmäcker: So mögen zum Beispiel Inder wie Mexikaner scharfe Chili- und Pepperoni-Sorten, in Asien herrscht eine allgemeine Vorliebe für pinkfarbene Tomaten und Kinder in den USA genießen ihre Snack-Karotten in der Schulpause. Doch was macht den Geschmack einer Pflanze genau aus? Antworten auf diese Fragen suchen die Mitarbeiter des Nunhems Lebensmittellabors in Davis in Kalifornien. Untersucht werden dort vor allem die Bestandteile im Gemüse, die Einfluss auf Geschmack und Haltbarkeit haben. Die gewonnenen Erkenntnisse helfen den Züchtern, auf gewünschte Merkmale gezielt hinzuarbeiten.

Wie die Kunden schöpfen auch die Pflanzenzüchter gerne aus einer breiten Vielfalt: Die Kunst einer erfolgreichen Zucht besteht darin, positive Merkmale zu erhalten und sie ständig zu erweitern. Kaum eine der heute beliebten Gemüsesorten würde ohne Zutun des Menschen existieren. Und auch wenn die farbenfrohen Möhren auf den ersten Blick befremdlich wirken: Die neuen Sorten führen das Gemüse einen Schritt zurück zu seinen Wurzeln. Denn die heutige Kulturform dürfte ursprünglich im Nahen Osten und Ägypten entstanden sein - als Kreuzung von weißen Karotten aus dem Mittelmeergebiet mit gelben und rotvioletten Rüben aus Afghanistan. (Pd)
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