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09.09.2012 | 16:11 | Sanddorn-Ernte 

Frauenknast betreibt Sanddornplantage in Niedersachsen

Vechta - Ein orangefarbenes Meer erstreckt sich hinter dem Frauengefängnis in Vechta. In der Sanddornplantage sitzen die Sträucher voll mit prallen Beeren.

Sanddorn
(c) proplanta
Ein kurzer prüfender Blick, dann knipst Diana Fieberg einen Zweig mit einer Gartenschere ab. «Das wird eine gute Ernte dieses Jahr», sagt die Gartenbaumeisterin.

Seit einigen Tagen ist der Sanddorn auf der 2,4 Hektar großen Plantage reif. Für Fieberg und die sieben Gefangenen bedeutet das viel Arbeit: Immerhin ist das Anbaugebiet in Niedersachsen das größte in den alten Bundesländern.

Viele kennen die herb-sauren Beeren vor allem aus dem Urlaub an Nord- und Ostsee. In den Cafés kann man sich nach einem Spaziergang bei steifer Brise an heißem Sanddornsaft wärmen, Sanddorntorte oder Pfannkuchen mit Sanddornmarmelade naschen.

Mittlerweile haben die kleinen Vitamin-Bomben auch die Supermärkte und Drogerien erobert. Es gibt sie als Bonbons, getrocknet in Tees, mit Apfel zu Kompott vermischt, als Körper-Öl oder in Cremes.

Sanddorn ist gesund - und deshalb im Trend. Er enthält viel mehr Vitamin C als Zitronen, dazu wichtige Mineralien und Spurenelemente, und sein Öl wirkt entzündungshemmend. Doch die Ernte der Beeren ist mühsam. Davon können die Frauen im offenen Vollzug in Vechta ein Lied singen.

«Man ist abends kaputt», sagt eine 48-Jährige, die ihren Namen nicht nennen möchte. Jeden Zweig muss sie einzeln per Hand abschneiden. Nicht zu lang, nicht zu kurz, darf er sein. Und Vorsicht mit den Dornen.

Eine andere Gefangene kürzt die dicken Äste mit einer großen Schere. Sie trägt eine Latzhose und ein Träger-Top, die Muskeln an ihren Oberarmen spannen bei jedem Schnitt.

«Ein bisschen Kraft muss man schon haben», sagt sie. Dann schnappt sie sich eine bis zum Rand gefüllte Schubkarre und hievt sie zusammen mit einer Kollegin in die Höhe, um die Zweige in eine große Kiste zu kippen.

11,47 Euro bekommen die Frauen dafür pro Tag. Sie könnten auch Dübel verpacken oder Gummiringe prüfen. Der 48-Jährigen gefällt es im Garten aber besser. «Da ist man an der frischen Luft.» In Deutschland gilt für Häftlinge eine Arbeitspflicht.

Doch in erster Linie gehe es dabei um die Resozialisierung, betont Fachbereichsleiter Reinhard Krummen. «Wenn die hier entlassen werden und dem Druck in der Arbeitswelt standhalten, dann haben wir alles richtig gemacht.»

Seit vier Jahren gibt es die Sanddornplantage in Vechta, 2010 wurde erstmals geerntet. Als Fieberg die rund 3.000 Sträucher pflanzte, haben viele sie für verrückt gehalten. In der Region bauen die Landwirte Äpfel, Pflaumen und Gemüse an. Die «Zitronen des Nordens» sind kaum verbreitet - anders als in Fiebergs Heimat Mecklenburg-Vorpommern.

«Bei uns gab es morgens immer einen Löffel Sanddornsaft wegen der Vitamine», erzählt Fieberg. Und zu Hause holte sie sich auch Rat für ihre Plantage. In Ludwigslust befindet sich auf etwa 100 Hektar das älteste und größte Bio-Anbaugebiet Deutschlands.

80 bis 100 Tonnen erntet das Unternehmen Storchennest dort jährlich. Die Hälfte lässt Geschäftsführerin Ilona Schreiber zu Saft und anderen Spezialitäten verarbeiten.

180 Produkte umfasst das Sortiment inzwischen. «Die Nachfrage ist gestiegen, weil immer mehr Menschen gesundheitsbewusst leben wollen», sagt Schreiber. Davon profitiert auch das Frauengefängnis in Vechta.

Die Sanddorn-Produkte im Online-Shop der JVA finden reißenden Absatz, vor allem zu Weihnachten. Echten Knast-Sanddorn können die Käufer dort allerdings nicht bekommen.

Weil im Gefängnis keine Lebensmittel verarbeitet werden dürfen, verkaufen Fieberg und ihre Kollegen die Ernte ans Storchennest.

Den Sanddorn-Likör, Tee und Aufstrich in ihrem Shop kaufen sie wiederum bei einem anderen Händler ein. Beim Erlös macht die JVA jedoch keine Kompromisse. Dieser geht zu 100 Prozent an die Sanddornplantage. (dpa)
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