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19.05.2015 | 09:31 | Phytophthora 

Kartoffeln: Tipps zur gezielten Bekämpfung der Kraut- und Knollenfäule

Karlsruhe - Die Kraut- und Knollenfäule sorgt jedes Jahr für Überraschungen. Entweder, weil kaum Befall auftritt oder weil Sie kaum zu kontrollieren ist. Witterungsverlauf und zunehmende Aggressivität beeinflussen das Befallsgeschehen des Pilzes.

Kraut- und Knollenfäule Kartoffel
(c) proplanta
Nach den Wetterkapriolen des Sommers 2014 ist die Diskussion um die Wirkungsdauer und Regenfestigkeit der Kartoffelfungizide neu entfacht. Insbesondere im warmen und trockenen Juni/Juli hatten sich viele Kartoffelbauern auf das regenfreie Wetter verlassen. Oft war dadurch kein ausreichender Fungizidschutz mehr gegeben und die Pflanzen wurden vom nasskalten August völlig überrascht.

Aufgrund der hohen Niederschlagsmenge im August und vor allem durch die Niederschlagsstärke eines einzelnen Gewitters, wurde der Belag der Fungizide weitgehend abgewaschen und die Durchführung von Folgebehandlungen wurde durch die schlechte Befahrbarkeit der Böden erschwert. In der Folge war eine Infektion mit Krautfäule nahezu unvermeidbar. Die relativ hohen Niederschläge führten dann zu starkem Sporeneintrag in den Boden, was zu einem verstärkten Knollenbefall (Braunfäulebefall) führte.

Der Pilz überwintert als Myzel in angesteckten Knollen und kann über latent (nicht sichtbar) infizierte Pflanzknollen verbreitet werden. Während früher latent infizierte Pflanzknollen im Lager verfaulten und nicht ins Feld kamen, sind infizierte Pflanzknollen heute als eine der wichtigsten Infektionsquellen für Primärinfektionen anzusehen.

10 % der Knollen der Pflanzgutpartie latent mit Phytophthora infiziert

Im Vergleich zu früher führt die deutlich verbesserte Lagerungstechnik heute oft dazu, dass schon mit der Pflanzung weit mehr infizierte Pflanzknollen aufs Feld gelangen. Nach Untersuchungen der LFL Bayern (Benker, Keil, Zellner) sind durchschnittlich 10 % der Knollen einer Pflanzgutpartie latent mit Phytophthora infiziert. Je nach Witterung wächst der Pilz nach dem Legen der Pflanzkartoffeln mit dem Stängel nach oben oder bildet bei genügend Feuchtigkeit im Boden Sporangien aus, so dass über das Bodenwasser auch benachbarte Pflanzknollen infiziert werden können und der Pilz bereits aufgelaufene Pflanzen befällt.

Der auftretende Primärbefall kann reichlich Sporen für eine neue Blattinfektion liefern. Dort beginnt der Kreislauf erneut. Die ausgebildeten Sporangien gelangen durch Regenspritzer, Wind und teilweise auch durch Blattläuse auf Nachbarpflanzen und Nachbarschläge und lösen dann einen Sekundärbefall aus. Bereits 2-4 Tage nach erfolgter Infektion ist besonders auf den Blattunterseiten ein weißlich, graues Pilzgeflecht festzustellen. Bei entsprechend feuchter Witterung kann sich eine Phytophthoraepidemie schnell über den gesamten Bestand ausbreiten.

Sind Kartoffelschläge zu Beginn der Vegetationsperiode aufgrund ergiebiger Niederschläge über mehrere Tage nicht befahrbar, ist ein frühes und massives Auftreten von Stängel- und Wipfelbefall durch Primärbefall meist schon vor Reihenschluss sehr wahrscheinlich. Rechtzeitiger Spritzstart, der optimale Spritzabstand und die passende Fungizidstrategie sind dabei die wesentlichsten Instrumente einer effektiven Bekämpfung.

Richtiger Spritztermin entscheidend

Um eine Krautfäuleepidemie zu verhindern, muss der erste Spritztermin exakt zum richtigen Zeitpunkt erfolgen. Zu frühe Behandlungen kosten unnötig Geld, zu späte entsprechend Ertrag und Qualität. Bisherige Versuchsergebnisse zeigen: Die besten Ergebnisse wurden immer dann erzielt, wenn die erste Spritzung bereits mehrere Tage (ca. 8-10 Tage) vor dem ersten sichtbaren Feldbefall erfolgte.

Um den Zeitpunkt der ersten Behandlung möglichst genau festzulegen, können Computergestützte Simulationsprogramme wie z.B. das neu weiter entwickelte Modell SIMBLIGHT zur Berechnung des Behandlungsbeginns den Landwirt bei seiner Entscheidung unterstützen. Bei diesem weiterentwickelten Prognosemodell wird zur Spritzstartberechnung u.a. nun zusätzlich auch die Bodenfeuchte berücksichtigt, um noch genauer den Spritzstarttermin berechnen zu können.

Auf der Internetseite des Landwirtschaftlichen Technologiezentrums Augustenberg werden den Kartoffelanbauern die Prognosemodelle SIMBLIGHT (Spritzstart) und SIMPHYT 3 (Folgebehandlungen) als wichtige Entscheidungshilfen angeboten.

Ob zum Spritzstart ein Produkt mit (teil-) systemischer Wirkung besser geeignet ist als ein Kontaktmittel, hängt in erster Linie von der Witterung, dem Krautwachstum, der Anfälligkeit der Sorte und vom Standort ab. In Jahren mit witterungsbedingt hohem bis mittlerem Infektionsrisiko im Frühjahr hat sich zum Spritzstart sowie in der Hauptwachstumsphase des Krautes der Einsatz mit systemischen bzw. teilsystemischen Präparten bestens bewährt.

Der Spritzstart mit einem Kontaktmittel ist ggf. nur auf leichten Standorten in Verbindung mit einem trockenen Frühjahr zu empfehlen. Treten Krautfäulesymptome auf, sind sofort Stoppspritzungen durchzuführen.

Die beste Kurativwirkung haben nach unseren Erfahrungen die Cymoxanil-haltigen Präparate. Ein Fungizid mit kurativer (heilender) Wirkung muss in der Lage sein, eine bereits im Blatt noch latente Infektion zu stoppen, so dass sie nicht zum Ausbruch kommt. Dies ist wichtig, wenn in einem Feld erster sichtbarer Befall aufgetreten ist und weitere latente Infektionen aufgrund der Witterung wahrscheinlich sind.

Empfehlungen zur Bekämpfung von Kraut- und Knollenfäule

Pflanzenbauliche Maßnahmen wie Vorkeimung, Standortwahl, Fruchtfolgeund Sortenwahl stehen im Vordergrund.

- Verhaltene, an die Sorte angepasste Stickstoffdüngung ist eine weitere wichtigepflanzenbaulichen Maßnahme. Zuviel Stickstoff fördert das Krautwachstum. Das Kraut ist außerdem weich und mastig. Sorten mit überdurchschnittlicher Krautfäuleanfälligkeit in ausgeprägten Befallslagen (Gebiete mit Folien-, Vlies und Beregnungsflächen, die räumlich sehr eng zusammen liegen oder in ungünstigen Lagen wie z.B. Gewässer- und Waldnähe) sind besonders gefährdet und sollten möglichst nicht angebaut werden.

- Regelmäßige Kontrolle der Kartoffelschläge, beginnend bereits 3-4 Wochennach dem Auflaufen und anschließend, je nach Infektionsdruck, 1-2 mal je Woche.

- Sieben bis zehntägige Phasen mit hoher Bodenwassersättigung (nach demPflanzen) führen bei latentem Pflanzgutbefall spätestens nach 10-14 Tagen zu latentem Stängelbefall (Symptome noch nicht sichtbar), deshalb Vorsicht bei Beregnung.

- Prognosemodelle helfen, gezielt und damit wirtschaftlich zu behandeln, insbesonderebei erhöhtem Infektionsdruck durch eine höhere Anbaudichte oder bei Anbau sehr empfindlichen Sorten.

- Die erste Fungizidmaßnahme sollte 8-10 Tage vor dem Auftreten der Krautfäuleerfolgen.

- Unmittelbar vor Befallsausbruch (latenter Befall) bzw. bei sichtbarem Befallkein Einsatz von Ridomil MZ Gold, Epok und Fantic M

- Bei der Berechnung des Spritzabstandes zur Folgebehandlung sollten folgende Parameter berücksichtigt werden: Niederschlag, Infektionsdruck, Krautwachstum, Sortenanfälligkeit und Fungizidauswahl. In Phasen mit starkem Krautwachstum, müssen z.B. die Spritzabstände (bis zu drei Tage) deutlich reduziert werden.

- Bei hohem Niederschlagsaufkommen oder bei Beregnung sollten verstärkt regenbeständigeProdukte zum Einsatz kommen.

- Bei Befall müssen sofort in einem sehr engen Spritzintervall Stoppspritzungenmit kurativ wirkenden in Kombination mit sporenabtötenden Mitteln in voller Aufwandmenge zum Einsatz kommen. Bei der zweiten Stoppspritzung (2-3 Tage später) auf Wirkstoffwechsel achten!

- Die Wasseraufwandmenge orientiert sich an der Bestandsentwicklung, derBefallssituation (z.B. Stängel), sowie der Mittel- und Düsenauswahl (300-600 l Wasser/ha). Eine geringere Wasseraufwandmenge ist z.B. beim Einsatz von Doppelinjektordüsen möglich.

- Bei sehr hohem Alternariainfektionsdruck und bei spät abreifenden AlternariaempfindlichenSorten ist ein ein- bis zweimaliger Einsatz von Spezialmitteln vorteilhaft.

- Bei beginnender Abreife nur noch Kontaktmittel einsetzen.

- Zur Qualitätsabsicherung gehört eine konsequente Krautregulierung (chemischoder kombiniert aus mechanischem Krautschlagen + Sikkationsmittel). Bei Blatt- und Stängelbefall ist zur Verhinderung von spätem Braunfäulebefall zusätzlich zur Sikkation noch ein sporenabtötendens Mittel (z.B. Carneol, Nando SC, Terminus, Shirlan, Ranman Top) einzusetzen.

Resistenzmanagement bei Kartoffelfungiziden

Der Wirkstoffwechsel zwischen den Behandlungen und Wirkstoffgruppen oder die gleichzeitige Ausbringung verschiedener Wirkstoffe kann hinsichtlich des Resistenzmanagements nicht oft genug betont werden. Die Mittel in derselben Zeile enthalten den gleichen Wirkstoff oder es liegt eine Kreuzresistenz vor; das heißt, sie müssen im Sinne der Antiresistenzstrategie wie ein und derselbe Wirkstoff gesehen werden. Grundsätzlich sollte spätestens nach zwei Behandlungen in Folge die Wirkstoffgruppe gewechselt werden. Mittel mit gleichem Wirkungsmechanismus sollten in der gesamten Spritzfolge einen Anteil von maximal 50 % einnehmen.
 
Resistenzrisiko Fungizide KartoffelBild vergrößern
Zusammenstellung von Fungiziden (selbe Wirkstoffgruppe) mit Einstufung des Resistenzrisikos.
(Informationen des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 03.11.2015)
Quelle: LTZ Augustenberg
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