«Dieses Jahr kann ich voll abhaken», sagte Steffen Schönemeyer als Inhaber des gleichnamigen Obsthofs in Eschenhörn bei Gnoien (Landkreis Rostock). «Erst der Frost zur besten Blütezeit und dann tagelang Regen.» Da habe sich keine Biene rausgetraut. «Ich habe schon geahnt, was kommt, nämlich nichts.»
In den meisten Betrieben des Landes sieht es ähnlich aus. «Das ist die schlechteste
Kirschenernte seit Jahren», sagte der Obstbauexperte der LMS Agrarberatung in Schwerin, Rolf Hornig. Im Vergleich zum langjährigen Durchschnitt seien vielleicht 30 Prozent der Früchte gewachsen. «Zu allem Überfluss holen sich den Rest auch noch die Stare.»
Hornig hat viele
Betriebe im Land bereist, um sich ein Bild zu machen. Dabei stieß er auf bislang nicht gekannte Situationen: «Auf dem Obsthof Sternberg in Badendieck bei Güstrow stürzen sich die Stare kamikazeartig im Gruppenflug auf die Netze, die über die Bäume gespannt sind, um so mit geballter Kraft ein Loch in die Schutzhülle zu reißen. Und das klappt immer besser», sagte Hornig. Die
Obstbauern machten inzwischen Fischern im Flicken der Netze Konkurrenz.
In Lüssow, auf der Plantage des Stralsunder Obstgutes «Am Borgwallsee» versuchte Seniorchef Johannes Eggert, mit viel Lärm die wenigen verbliebenen Kirschen vor den Staren zu schützen. Der Erfolg hielt sich in Grenzen. Die aufgescheuchten Vögel ließen sich nach kurzem Flug auf den nächsten Bäumen nieder.
«Weil auch Wildkirschen und andere von den Staren bevorzugte Früchte nach den Frostnächten im April gelitten haben, nehmen die Stare alles mit, was ihnen vor die Schnäbel kommt», sagte Hornig. Zudem komme die
Getreideernte wegen des Regens nicht in Schwung.
Der viele Regen hat zu allem Überfluss die wenigen bislang verschonten Kirschen platzen lassen. Für die Betriebe sei das eine enorme finanzielle Einbuße. «Immer mehr Obstbauern sprechen inzwischen von einem Totalverlust», sagte der Geschäftsführer der Erzeugerorganisation für Obst- und Gemüse «Mecklenburger Ernte», Klaus Wilke. Er denkt bereits über Konzepte nach, wie besonders stark betroffenen Mitgliedsunternehmen geholfen werden kann.
Der Inhaber vom Obstbau Stralendorf bei Schwerin, Walter
Strube, hofft auf Hilfe vom Land. Nicht eine Kirsche habe er geerntet, sagte er. Lediglich eine Kirschplantage bei Cambs habe Früchte getragen, doch die hätten alle die Stare geholt, praktisch über Nacht. Unterm Strich erwarte er mehrere 10.000 Euro Schaden.
Auch bei Erdbeeren habe er nur die Hälfte des normalen Ertrages gehabt, bei Äpfeln, Birnen und Pflaumen rechnet er mit ebenso wenig. Kleiner Trost: Da es in anderen europäischen Ländern ebenso schlecht aussehe, würden bessere Preise für das wenige Obst gezahlt. Die Kunden müssten im kommenden Jahr mit höheren Preisen rechnen, sagte Strube.
Auch in Eschenhörn sieht es bei Äpfeln nach den Nachfrösten im Frühjahr schlecht aus, wie Marlies Schönemeyer ergänzte. Sie könne sich an kein vergleichbares Jahr erinnern. Auch der Chef der Rostocker Obst GmbH, Martin Czechl, rechnet mit erheblichen Verlusten quer durch alle Bestände.
Habe in den vergangenen Jahren wiederholt
Hagel für eine drastische Qualitätsminderung insbesondere bei Äpfeln gesorgt, so hätten in diesem Jahr die Nachtfröste vieles zunichte gemacht. Obwohl nur etwa zehn Prozent der Blüten bestäubt werden müssten, um einen guten
Ertrag zu erzielen, reiche es in diesem Jahr nicht.
Auf einer der größten Apfelplantagen des Landes, in Boddin im Landkreis Ludwigslust-Parchim, konnten die Schäden durch die Frostschutzberegnung in Grenzen gehalten werden. Allerdings verfügen nur wenige Betriebe über diese kostenaufwendige Technik.
Insgesamt wächst in Mecklenburg-Vorpommern Obst auf knapp 2.900 Hektar. Mehr als die Hälfte davon sind Äpfel. Der Anteil der Kirschen liegt bei sechs Prozent.