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22.09.2008 | 16:30 | Pflanzenschädlinge 

Schaderreger in Feld und Wald: Tendenzen durch Klimawandel?

Kiel/Braunschweig - Die Landwirtschaft hat sich weltweit verändert. Der globale Handel oder der sich ändernde Anbau stellen für die nächsten Jahrzehnte enorme Herausforderungen dar.

Prognosemodelle für Schaderreger
(c) proplanta
Denn Kulturpflanzen werden außer für die Ernährung verstärkt als Energiepflanzen oder nachwachsende Rohstoffe angebaut. Dazu kommen die prognostizierten mittel- und langfristigen Veränderungen des Klimas in Mitteleuropa. Auf der 56. Deutschen Pflanzenschutztagung, die vom 22. - 25. September in Kiel stattfindet, zeigen mehrere Beiträge, welche Rolle das Thema im Bereich des Pflanzenschutzes spielt. Wie muss auf Krankheitserreger und Schädlinge reagiert werden, die seit einigen Jahren witterungsbedingt verstärkt auftreten oder erstmals aufgetreten sind. Dazu kommen die steigenden Risiken infolge eingeschleppter Schaderreger.
 
Der Weltklimarat (IPCC) sagt bis 2050 einen Temperaturanstieg zwischen einem und 2,5 Grad Celsius voraus. In Norddeutschland zum Beispiel sollen die Winter milder und feuchter und die Sommer wärmer und niederschlagsärmer werden. Die Universität Kiel beobachtete verschiedene Krankheitserreger an Weizen- und Zuckerrübenkulturen über drei Jahre in verschiedenen Bundesländern. Prof. Joseph-Alexander Verreet führt für Weizenpathogene aus, dass die jetzigen Infektionsbedingungen in warmen Regionen Nordrhein-Westfalens bereits gute Hinweise darauf geben, wie beim Anbau gleicher Sorten und der Infektion der gleichen Erreger die Situation in dem kühleren Schleswig-Holstein in Zukunft aussehen kann. Er macht aber auch deutlich, dass Faktoren wie zukünftige Anbausysteme oder die Veränderungen des Sortenspektrums und, nicht zu vergessen, die Anpassungsfähigkeit der Schaderreger, die Situation auf dem Feld auf die gleiche Weise oder mehr beeinflussen können.
 
Die prognostizierten Klimadaten werden in Nord­deutschland unsere Kultur­pflanzen schneller wachsen lassen, so Verreet. Krankheitserreger wie Roste, Drechslera-Blattfleckenerreger, Netzflecken-Krankheit oder Cercospora beticola, die höhere Temperaturen und Niederschläge mögen, werden vermehrt auftreten. Hingegen wird die Bedeutung solcher Pilzkrankheiten im Verlauf einer Vegetationsperiode im Vergleich zu heute abnehmen, die sich vor allem bei hohen Niederschlägen und hohen Luftfeuchten gut vermehren (Beispiel: Septoria tritici, Rhychosporium secalis, Phytophthora infestans).
 
Insgesamt fördert der Temperaturanstieg wärmeliebende Schädlinge wie den Maiszünzler,  Maiswurzelbohrer,   Kartoffelkäfer, die Fritfliege (mehrere Generationen möglich), Brachfliege (hohe Frühjahrstemperaturen beschleunigen die Larvenentwicklung) oder Blattläuse. Feuchteliebende Schädlinge werden abnehmen. 93% der Unkräuter in Europa stammen aus dem mediterranen oder südost-asiatischen Raum. Eine Klimaerwärmung begünstigt die Verunkrautung unserer Äcker und Wiesen, da die Unkräuter einen Konkurrenzvorteil haben. Wärmeliebende und schnell wachsende Arten wie Gänsefuß, Melden,  Wolfsmilchgewächse,  Schwarzer Nachtschatten oder  Franzosenkraut werden gefördert.
 
Für Norddeutschland sieht Verreet dennoch keine Gefahr. Sollten die prognostizierten Klimabedingungen eintreten, können die  Pflanzenkrankheitserreger und Schäd­­linge (Pilze, Bakterien, Viren, Insekten) der Kulturpflanzen wie auch die Unkrautpopulationen mit den zur Verfügung stehenden und sich ständig weiterentwickelnden Bekämpfungsmaßnahmen der Phytomedizin auch in Zukunft gut kontrolliert werden. 
 
Ein deutsch-italienisches Kooperationsprojekt vergleicht Krankheitserreger ebenfalls an zwei klimatisch unterschiedlichen Standorten. Untersucht wurden der an der Esskastanie vorkommende Esskastanienrindenkrebs (Cryhonectria parasitica) und die Tintenkrankheit. Beide Erreger sind in Italien längst etabliert und verbreitet, in Deutschland aber gerade erst im Kommen.
 
Der Forstspezialist Dr. Jörg Schumacher vom Julius Kühn-Institut prognostiziert: „Mit sich verändernden Klimaverhältnissen verändern sich auch die Beziehungen zwischen einem Wirt und seinem Parasiten. Kritisch wird es, wenn wie beim Eichenprozessionsspinner die Parasiten nicht nur die Bäume schädigen, sondern dem Menschen Schaden zufügen können, meist in Form von Allergien“.

So trat 2006 die Rußrindenkrankheit erstmals in Deutschland an Berg-Ahorn auf. Besonders während sehr trockener und heißer Sommerperioden wie in den Jahren 2003 und 2006 kann die Krankheit ausbrechen. Der Verursacher, der imperfekte Pilz Cryptostroma corticale wurde zuerst in Karlsruhe nachgewiesen. Inzwischen gibt es Berichte aus dem Raum Leipzig, Dresden und Grießheim bei Darmstadt. Die von dem Pilz massenhaft gebildeten Sporen können beim Menschen gesundheitliche Schäden in den Lungenbläschen (Alveolitis) hervorrufen.
 
Über den Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea L.) berichtete die Presse bereits ausführlich. Er hat sich in den letzten 15 Jahren räumlich stark ausgebreitet. Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg sieht einen klaren Zusammenhang zwischen den durchschnittlichen Jahrestemperaturen in Südwestdeutschland und der Zunahme dieses Schmetterlings.
 
Wissenschaftler der Universität Bonn untersuchen den Infektionsprozess des Erregers der Schwarzfäuleerregers, Guignardia bidwellii, bei unterschiedlichen Temperaturen und Sorten. Die Schwarzfäule breitet sich seit 2003 verstärkt an Mosel, Nahe und Mittelrhein aus. Es ist ein deutlicher Trend zu erkennen, dass sich der Erreger mit höher werdenden Temperaturen vom Süden Europas in nordöstliche Richtung ausbreitet.
 
Prof. Hartmut Balder von der Technischen Fachhochschule Berlin führt in seinem Vortrag aus, dass in den Zentren der Städte mit erhöhten Temperaturen, geringer Luftfeuchte und turbulenten Windeffekten schon heute klimatisch andere Bedingungen herrschen.
 
Anhand der Klimadaten des Weltklimarates sowie den aufgezeichneten bekannten Wetterdaten zeigten Wissenschaftler der ZEPP (Zentralstelle der Länder für EDV-gestützte Entscheidungshilfen und Programme im Pflanzenschutz) und des Potsdam-Instituts für Klimaforschung, dass heute verwendete Modelle zur Prognose von Krankheiten und Schädlingen auch als Simulationsmodelle für Klimaveränderungen und schnelle Wetterwechsel eingesetzt werden können. Prognosemodelle für Schaderreger leisten auch bei den künftigen Herausforderungen einen Beitrag, um die Erträge zu sichern. (JKI)
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