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01.05.2008 | 09:28 | Rinderzucht 

Neuigkeiten in der Zuchtwertschätzung

Hannover - Die deutschen Holsteinverbände haben umfangreiche Neuerungen in der Zuchtwertschätzung beschlossen, die zum Veröffentlichungstermin am 01. April 2008 in Kraft getreten sind: Einführung des Fruchtbarkeitsindex RZR, Änderungen bei Exterieurzuchtwerten und angepasste Gewichtung innerhalb des Gesamtzuchtwert RZG.

Zuchtwertschätzung
(c) proplanta
Neuer Relativzuchtwert Töchterfruchtbarkeit RZR

Bereits im Januar 2008 wurde das Merkmal „Töchterfruchtbarkeit“ eingeführt und unabhängig vom Gesamtzuchtwert veröffentlicht. Die Töchterfruchtbarkeit beinhaltet fünf Einzelmerkmale, die zum Relativzuchtwert RZR zusammengefasst sind. In diesem Merkmal wird zum einen die Konzeptionsfähigkeit berücksichtigt, die über „NRR 56“ (Non-Return-Rate 56: Prozentsatz der Töchter, die bis zum 56. Tag nicht umrindern) und „Verzögerungszeit“ (erste bis erfolgreiche Besamung) - differenziert nach Rindern und Kühen - beschrieben wird. Zum anderen beinhaltet die Töchterfruchtbarkeit auch das Merkmal „Rastzeit“ (Kalbung bis erste Besamung). Die Einzelmerkmale, die auf der Datengrundlage aller Besamungsmeldungen beruhen, werden entsprechend der ökonomischen Bedeutung in einem Relativzuchtwert RZR (R = Reproduktion) zusammengefasst, der sich zu 75 % aus Konzeption und zu 25 % aus Rastzeit zusammensetzt.


Änderungen bei den Exterieurmerkmalen

Seit etwa vier Jahren werden in der Nachzuchtbewertung die Merkmale „Bewegung“ und „BCS“ (Körperkondition) routinemäßig erfasst. Trotz der eher geringen Erblichkeit liefert das Merkmal Bewegung wichtige zusätzliche Informationen zum Fundament, da es zu anderen Merkmalen verhältnismäßig gering korreliert ist. Aus diesem Grunde wird die Bewegung zukünftig mit 20 % im Fundament-Index und folglich auch im RZE berücksichtigt, während der BCS als einzelner Relativzuchtwert ausgewiesen wird.

Die Gewichtung innerhalb des Exterieurzuchtwertes wird aufgrund dieser Neuerungen geändert: Zugunsten der Fundamentnote wird das Gewicht für den Milchtyp, welcher genetisch negativ mit der Nutzungsdauer korreliert ist, reduziert (Milchtyp 10 %, Körper 20 %, Fundament 30 %, Euter 40 %). Diese neue Gewichtung gilt ab dem 01. April auch für die Berechnung der Gesamtnote bei der Kuheinstufung.

Kühe mit extremer Größe, Körpertiefe und Stärke haben gemäß wissenschaftlicher Untersuchungen eine signifikant geringere Nutzungsdauer. Daher erhalten fortan Tiere oberhalb eines Zuchtwertes von 112 im Merkmalskomplex „Körper“ keine weiteren Zuschläge bei der Berechnung des Körperindex mehr.

Darüber hinaus wird die Standardisierung der Exterieurzuchtwerte angepasst. Dies führt dazu, dass die Streuung der Exterieurzuchtwerte um 10 bis 15 % geringer wird. Die Rangfolge der Bullen bleibt jedoch unverändert. Für alle Relativzuchtwerte gilt nun, dass ein Bulle mit einem Relativzuchtwert von 112 zu den besten 16 % und ein Bulle mit 124 zu den besten 2,5 % gehört. Einen Relativzuchtwert von 136 erreichen nur die besten 0,5 %.


Geänderte Gewichtung im Gesamtzuchtwert RZG

Neue wissenschaftliche Erkenntnisse und die oben dargestellte Weiterentwicklung der Zuchtwertschätzung bedingen eine Änderung der Zusammensetzung des Gesamtzuchtwertes RZG. Dabei erhalten die Fitness- und Gesundheitsmerkmale zu Lasten der Milchleistung mehr Gewicht. Das Gewicht für das Exterieur bleibt zwar mit 15 % unverändert, in den Gesamtzuchtwert RZG fließen zukünftig jedoch nur noch die Merkmale Fundament und Euter mit jeweils 7,5 % ein. Die Gewichtung des Gesamtzuchtwertes RZG für die Rasse Holstein ab 1. April 2008 stellt die nachfolgende Tabelle dar.

Gewichtung im RZG

bisher

neu

Leistung RZM

50%

45%

Exterieur

15%*

15%*

Nutzungsdauer RZN

25%

20%

Zellzahl RZS

5%

7%

Zuchtleistung RZZ

5%

--

Fruchtbarkeit RZR

(1%)**

10%

Kalbemerkmale maternal

(2%)**

3%

*) bisher RZE; neu: nur Fundament u. Euter 1:1
**) bisher über RZZ



Jäh
rliche Basisanpassung bei den Relativzuchtwerten

Darüber hinaus erfolgte mit der April-Zuchtwertschätzung die jährliche Basisanpassung der Relativzuchtwerte. Die neue Basis bilden bei Schwarz- und Rotbunt die KB-Bullen-Jahrgänge 1998 - 2000. Die Abschreibung der Relativzuchtwerte bedingt durch den Zuchtfortschritt stellt sich für die Rasse Holstein nachfolgende Tabelle 2 dar.

 

Zuchtwertabschreibungen

RZM

RZE

RZS

RZN

RZG

RZD

Schwarzbunt

- 3,2

- 1,2

+ 1,0

0,0

- 2,2

- 0,1

Rotbunt

- 2,1

- 0,6

+ 0,2

+ 0,1

+ 0,7

- 0,1



Die aktuellen Änderungen in der Zuchtwertschätzung müssen bei der Beurteilung der Zuchtwerte berücksichtigt werden.

Bei den Schwarzbunten gibt es in der Topliste insgesamt wenig neue Bullen. Durch die Neuerungen der Zuchtwertschätzung gibt es jedoch einige Verschiebungen in der Rangfolge.

Mascol, die alte Nummer 1, bleibt trotz der Änderungen in der Zuchtwertschätzung mit RZG von 151 auch die neue Nummer 1 der Topliste. Aufgrund seines positiven Zuchtwertes für Reproduktion kann er sich basisbereinigt sogar 2 Punkte verbessern. Auch die Wiedereinsatzvererber Gibor und Ramos können aufgrund ihrer sehr guten Fitness- und Gesundheitsmerkmale gewinnen. Ramos (RZG 144) profitiert aufgrund seiner hochpositiven Werte für Nutzungsdauer und Zellzahl sowie guter Fundament- und Eutervererbung von den Umstellungen der Zuchtwertschätzung. Hinzu kommt, dass seine Töchterfruchtbarkeit mit RZR 121 sehr gut bewertet ist.

Der Dutch-Boy-Sohn Bobas verliert insgesamt leicht und rangiert nun mit RZG 141 auf Platz 4. Die folgenden fünf Plätze werden von Jocko Besne-Söhnen eingenommen, die sich die Umstellung der Zuchtwertschätzung nicht zu nutze machen konnten. Die beiden interessantesten unter ihnen sind sicherlich Jango mit RZG 140 auf Rang 5 und Jardin mit RZG 139 auf Rang 6. Jardin kann erneut seine positive Eiweißvererbung von + 0,22 % bei 1.425 kg Milch bestätigen.

Die Eutergesundheit mit RZS 92 ist bei der Anpaarung zu beachten. Jardin’s Zuchtwert für Töchterfruchtbarkeit liegt bei RZR 99. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass bei der Bullenauswahl nicht alle Vererber mit unterdurchschnittlichem RZR im Vorfeld ausgeschlossen werden sollten. Der RZR ist immer auch in Kombination mit Leistungsmerkmalen zu bewerten. Jango überzeugt durch seine hohe Eiweißleistung bei hervorragendem Exterieur sowie positiven Gesundheitsmerkmalen. Sein Stallgefährte Jobert, der sich ebenfalls mit einem sehr guten Exterieur bei hoher Milchleistung präsentiert, soll nicht unerwähnt bleiben. Allerdings ist seine Vererbung für Eutergesundheit mit RZS 86 im negativen Bereich.

Es wird deutlich, dass aufgrund der Neuerungen der Zuchtwertschätzung die Bullen, die mittelrahmig vererben, stark in Fundament und Euter sind und zugleich positive Fitness- und Gesundheitsmerkmale aufzeigen, zu den Gewinnern zählen. Davon kann beispielsweise auch der Lukas-Sohn Laudan profitieren, der mit RZG 136 auf Platz 11 vorrücken kann.

Der Emerson-Sohn Eleve kann von den Umstellungen profitieren und die Verluste der letzten Zuchtwertschätzung vor allem durch Verbesserungen in den Gesundheits- und Fitnessmerkmalen wieder wettmachen. Eleve zeigt sich bei sehr guter Exterieurvererbung in allen Merkmalen positiv. Jose verliert netto 3 RZG-Punkte und rangiert nun mit einem Gesamtzuchtwert von 133 auf Platz 19. Die Töchterfruchtbarkeit ist bei Jose aufgrund unterdurchschnittlicher Rastzeit negativ bewertet (RZR 92). Ansonsten zeigt sich dieser Jocko Besne-Sohn in allen Gesundheitsmerkmalen positiv. Stylist muss insgesamt leichte Verluste, die vor allem durch eine unterdurchschnittliche Bewertung der Konzeptionsfähigkeit seiner Töchter (RZR 89) begründet ist, hinnehmen (RZG 132). Seine positive Eiweißvererbung mit jetzt + 0,21 % bei 1.215 kg Milch kann Stylist bei guten Werten für Fundament und Euter und verbesserter Nutzungsdauer dagegen weiter festigen.

Emil II, ein weiterer Emerson-Sohn in der Topliste, hält sich als Inhaltsstoffverbesserer bei insgesamt positiven Merkmalen recht konstant bei RZG 131 auf Rang 37. Bei positiver Inhaltsstoffvererbung mit + 0,11 % Eiweiß und guter Nutzungsdauer rangiert Novize bei RZG 130. Die Melkbarkeit dieses sicher geprüften Vererbers, von dem ebenso wie auch von Jakobus gesextes Sperma verfügbar ist, ist zu beachten.

Windspiel, ein Willstar-Sohn aus der amerikanischen Metro-Tochter Miss Metro, kann sich deutlich verbessern und auf Platz 65 vorrücken. Er zeigt sich bei eher knapper Leistungsvererbung in allen Merkmalen positiv. Hervorzuheben ist seine sehr gute Fundamentvererbung.

Lancelot bekommt - auch weltweit - zahlreiche Töchter hinzu, die sein Vererbungsbild untermauern. Hervorzuheben ist seine positive Eiweißvererbung von + 0,12 % bei einer guten Nutzungsdauer.

Bei den Rotbunten kann der milchleistungsstarke Vererber Tocar seine Spitzenposition mit einem RZG von 137 weiter verteidigen. In der Nutzungsdauer kann Tocar seine Zahlen verbessern, dem steht ein RZR von 93 gegenüber. Auf Rang 2 folgt mit Rulead ein neuer Rubens-Sohn. Rulead verbindet hohe Leistungszahlen mit ordentlichem Exterieur und durchweg guten Fitness- und Gesundheitsmerkmalen. Allerdings ist die Sicherheit seines Zuchtwertes mit erst 33 melkenden Töchtern noch gering, so dass die weitere Entwicklung abzuwarten bleibt.

Auf Rang 3 kann der Good Luck-Sohn Goodtime vorrücken, der allerdings im Exterieur nicht überzeugen kann. Malvoy verliert trotz leichter Verbesserungen in der Nutzungsdauer und Eutergesundheit basisbereinigt 2 RZG-Punkte. Mit Stabilo folgt ein recht kompletter Vererber, der netto 3 RZG-Punkte vor allem durch Verluste in der Exterieurbewertung einbüßt, sich doch in der Nutzungsdauer weiter festigen kann.

Trotz leichter Verluste kann der Faber-Sohn Famos auf Platz 6 vorrücken. Zwar hat er im Exterieur Verluste zu verzeichnen, doch mit einem RZE von 132 bleibt er ein Exterieurvererber erster Wahl. Einziger Wermutstropfen ist sein RZS von 87. Auch Ricobar, ein Neueinsteiger der Januar-Zuchtwertschätzung, hat leichte Verluste vor allem in der Exterieurbewertung zu verzeichnen, während er in der Nutzungsdauer zulegen konnte. Bei insgesamt positiven Werten rangiert er nun bei einem RZG 122.

Weitere Informationen zu den Zuchtwerten erhalten Sie bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen sowie über die Internet-Datenbank des VIT unter www.vit.de. Die nächste Zuchtwertschätzung erfolgt zum 19. August dieses Jahres.

Quelle: LWK Niedersachsen
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