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04.05.2015 | 11:18 | Nutztierforschung 

Ursache für Wachstumsstörung bei Rindern

München - Junge Rinder, die trotz normaler Fütterung kaum an Größe und Gewicht zulegen?

Stoffwechselkrankheiten bei Rindern
(c) proplanta
Ein seltener Fall, aber gelegentlich tritt diese Wachstumsstörung bei der Fleckvieh-Rasse auf. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten mit Hilfe umfangreicher DNA-Analysen das Auftreten dieser Krankheit vorhersagen und die genetische Ursache genau aufklären. Dieses Wissen kann dabei helfen, die Krankheit in der Rinderzucht künftig zu verhindern.

Das braun-weiße Fleckvieh ist eine der vier wichtigsten Rassen in der Rinderzucht. Heute gibt es schätzungsweise 40 Millionen Tiere weltweit. In deutschen Ställen stehen etwa 1 Million Milchkühe dieser Rasse. Die Rinderzucht erfolgt heutzutage in erster Linie durch künstliche Besamung. So kann es sein, dass ein einziger Zuchtbulle mehr als 100.000 Nachkommen hervorbringt.

Die Genome der meisten in Deutschland lebenden Fleckvieh-Rinder lassen sich also auf einige wenige Vorfahren zurückführen. Durch die enge Verwandtschaft untereinander können sich rezessive Merkmale und Krankheiten unbemerkt ausbreiten. Diese werden nur sichtbar, wenn die entsprechende Veranlagung von beiden Elternteilen weitergegeben wird, die Nachkommen in Bezug auf dieses Merkmal also reinerbig (homozygot) sind.

Genmutation beeinträchtigt Wachstum

Ein Forschungsteam der Technischen Universität München, der ZuchtData und der Veterinärmedizinischen Universität Wien hat jetzt eine bislang unbekannte, rezessiv vererbte Krankheit beim Fleckvieh entdeckt. "Die betroffenen Tiere fallen dadurch auf, dass die Kälber und Jungtiere trotz normaler Fütterung im Vergleich zu ihren gesunden Altersgenossen deutlich langsamer wachsen und an Gewicht zulegen - und zwar nur etwa halb so schnell beziehungsweise viel. Dabei machen sie sonst einen völlig gesunden Eindruck", erklärt Dr. Hubert Pausch vom TUM-Lehrstuhl für Tierzucht.

Die Wissenschaftler suchten im Erbgut von Rindern nach bestimmten genetischen Merkmalen, die ein Hinweis auf Krankheiten sein können. Dabei stießen sie auf vier Regionen im Genom, die sich negativ auf die Fruchtbarkeit und den Aufzuchterfolg auswirken - und bei einem davon waren reinerbige Tiere deutlich kleinwüchsig. Mithilfe umfangreicher Genom-Sequenzanalysen fanden die Forscher dann auch die verantwortliche Genmutation für diese Wachstumsstörung heraus.

Ähnliches Krankheitsbild beim Menschen

Bei allen untersuchten minderwüchsigen Tieren ist das SLC2A2 Gen von einer Mutation betroffen. Die Veränderung in SLC2A2 führt dazu, dass ein bestimmter Glukose-Transporter im Körper nicht mehr richtig funktioniert oder gar nicht erst gebildet wird. Beim Menschen ist diese seltene Stoffwechselkrankheit als Fanconi-Bickel-Syndrom bekannt. Obwohl die verantwortliche Mutation für den Minderwuchs beim Fleckvieh erst jetzt dank der Möglichkeit von Sequenzanalysen entdeckt werden konnte, muss das Krankheitsbild schon seit mindestens zwei Jahrzehnten vereinzelt aufgetreten sein.

Denn als die Wissenschaftler die DNA eines Jungbullen aus historischen Paraffin-Schnitten präparierten und analysierten, bei dem die entsprechenden Symptome im Jahr 1996 berichtet wurden, trug dieser die entdeckte Genmutation in sich.

Systematische Genanalysen verbessern die Tiergesundheit

Solche DNA-Analysen und die Erkenntnisse daraus, welche Gene und Genmutationen´für bestimmte Merkmale oder Krankheiten verantwortlich sind, könnten die Rinderzucht erheblich vereinfachen und verbessern. Zuchtbullen werden bereits seit einigen Jahren systematisch genotypisch erfasst. "Würde man das auch bei den weiblichen Tieren machen, könnten künftig problematische Paarungen vermieden werden - zumal einige stark eingesetzte Bullen Träger von Erbkrankheiten sind", sagt Pausch. So ließen sich gewünschte Zuchterfolge schneller erzielen und viele genetisch-bedingte Krankheiten verhindern. Die Genom-Sequenzanalysen der Fleckvieh-Bullen wurden seit 2009 im Rahmen des Forschungsverbunds Synbreed unter der Koordination der TUM durchgeführt. (Pd)



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