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26.12.2008 | 12:51 | Marine-Science-Center  

Robben-Forschung zum Anfassen auf einem ehemaligen Fluchtschiff

Rostock-Warnemünde - Es wird gefräst und gehämmert auf der «Friedrich Wolf», einem ehemaligen Fahrgastschiff der Weißen Flotte Berlin.

Robbenforschung
(c) proplanta
Im Juni 1962 waren damit 13 Menschen unter Beschuss der Ostberliner Polizei in den Westteil Berlins geflüchtet, nachdem sie den Kapitän überwältigt hatten. «Wir haben das aber erst erfahren, als wir das Schiff schon gekauft hatten», erklärt Guido Dehnhardt, Leiter der Meeresforschungseinrichtung Marine-Science-Center.

Heute tummeln sich Filou, Luca, Marko und ihre sechs Artgenossen in dem 60 mal 30 Meter großen und fünf Meter tiefen Freiwasser-Labor im Jachthafen Hohe Düne vor den Toren Rostocks. Neugierig strecken die Seehunde ihre Stupsnasen aus dem Wasser und beobachten den Besucherverkehr. Die Tiere sind zwischen 2 und 26 Jahre alt und verbringen ihren Tag in der Forschungsstation meist mit Schwimmen und Fressen. Seit Juni gewöhnen sich die Robben in dem einstigen Fluchtschiff an die Freiheit in ihrem neuen Lebensraum, der Ostsee. Ihr vorheriges Zuhause war der Kölner Zoo, wo bereits an der Sinneswahrnehmung der Meeressäuger geforscht wurde.

Das Freiwasser-Labor, an dessen Rand das Schiff integriert ist, ist nach Dehnhardts Angaben die größte Anlage für Seehundforschung weltweit. «Das Forschungskonzept verspricht Wissenschaft zum Zuschauen und Anfassen», erklärt er. Im Marine-Science-Center soll die ganzheitliche Sinneswahrnehmung von Meeressäugern weiter erforscht werden. «Das Fernziel ist natürlich die Forschungsarbeit im natürlichen Lebensraum, draußen auf dem Meer», sagt Dehnhardt. Der Standort Rostock sei deshalb ideal. Die Robben hätten genügend Platz, das Forschungszentrum profitiere von der Universität, der Infrastruktur Rostocks und nicht zuletzt vom Tourismusmagneten Warnemünde. 

Vom Sonnendeck des ehemaligen Fahrgastschiffes aus können die Besucher künftig den wissenschaftlichen Experimenten zuschauen und unmittelbar an den möglichen Erkenntnissen der Wissenschaftler teilhaben. «Die Forschungsarbeit wird dadurch nicht beeinträchtigt», sagt Dehnhardt. Nach Voranmeldung besteht sogar die Möglichkeit, gemeinsam mit den Tieren zu schwimmen und zu tauchen. Vom Besucherverkehr erhofft sich der Chef des Forschungszentrums finanzielle Unabhängigkeit, um seine Mitarbeiter auch langfristig beschäftigen zu können.

Das an das Institut für Biowissenschaften Rostock angegliederte Robbenforschungszentrum wird derzeit von der Volkswagenstiftung mit 1,5 Millionen Euro gefördert. Weitere Mittel für verschiedene Forschungsprojekte stellte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) zur Verfügung. Dehnhardt beschäftigt sich seit rund fünfzehn Jahren mit den Orientierungsmechanismen im Meer lebender Säuger. Seine Arbeitsgruppe gilt als weltweit führend auf diesem Gebiet. Interessant ist dies zum Beispiel für die Bionik, die Naturwissenschaft und Technik interdisziplinär miteinander verknüpft. So wurde bereits die Bedeutung der Barthaare der Robben für die Orientierung im offenen Meer erforscht.

«Jeder Fisch hinterlässt eine spezifische Strömungsspur im Meer», erklärt Dehnhardt. Die Barthaare der Robben seien für die Wahrnehmung von Wasserbewegungen zuständig. Zusammen mit dem Rostocker Lehrstuhl für Strömungsmechanik werde bereits an der technischen Umsetzung der mit den Meeressäugern gewonnenen Ergebnisse gearbeitet. Mit solchen Sensoren seien beispielsweise Unterwasserroboter denkbar, die nach dem Vorbild der Natur Wasserbewegungen abtasten, Strömungen wahrnehmen und selbstständig navigieren könnten, meint Dehnhardt.

Eröffnet werden soll das Forschungs- und Besucherschiff um die Jahreswende, wenn die Bauarbeiten abgeschlossen sind und die Eingewöhnungszeit der neun Robben positiv verlaufen ist. (dpa)
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