Doch neuerdings sind Schweine insgesamt zu Sympathieträgern geworden, mit denen der Mensch Mitleid hat. Unschöne Praktiken der Schweinehaltung haben Empörung ausgelöst. Darunter die betäubungslose Kastration von 22 Millionen männlichen Ferkeln jährlich in Deutschland, mit der die Entstehung des störenden Ebergeruchs beim Fleisch verhindert werden soll. Andere Leiden in den Ställen haben ebenfalls neue Aufmerksamkeit gefunden.
Zeugnis des neuen Interesses für das Schwein ist auch eine die Ausstellung «Schöne Schweinerei - vom Rüssel bis zum Ringelschwanz» (bis 2. August) in einem Speicher der niedersächsischen Stadt Stade bei Hamburg. Die Organisatoren wollen mit ihr vergnügliche und besinnliche Blicke auf ein Tier ermöglichen, das sowohl Symbol für Schmutziges als auch für Glück ist. «Schwein haben» will jeder, aber «Schwein!» ist ein drastisches Schimpfwort - auch in der weiblichen Variante Sau. In Bayern sprach man früher von den «Saupreußen». Männer, die manchmal «die Sau rauslassen», sind auch nicht gerade sympathisch. Zwar scheinen neuerdings, zumindest vorübergehend, Sympathie und Mitleid mit den Schweinen vorzuherrschen, doch von der in Stade auch dokumentierten Verehrung dieser Tiere bei manchen fernen Völkern sind wir noch weit entfernt.
Ein Nachteil für das Schwein ist jedenfalls, dass viele Menschen gern sein Fleisch essen. Das hat zur Folge, dass in Deutschland jedes Jahr etwa 50 Millionen zum Zweck des Konsums getötet werden. Aber auch da gibt es eine gewisse Ambivalenz: Würden Menschen keine Schweine essen wollen, gäbe es gar keine - denn sonst sind sie praktisch von keinem Nutzen. Nur noch
Wildschweine streiften dann durch die Wälder.
Der Deutsche Tierschutzbund (Bonn) befürwortet eine vegetarische Ernährung. Er freut sich, wenn auch bei Veranstaltungen - etwa Vereinsfeiern - kein Fleisch gegessen wird. Den Menschen, die auf Fleisch nicht verzichten wollen, empfiehlt er, beim Kauf darauf zu achten, dass es aus «artgerechter Haltung» stammt. «Die Tierhaltung der heutigen Landwirtschaft ist geprägt durch ausgeklügelte Intensivhaltungssysteme, durch die maximale Gewinne bei minimalen Unkosten erzielt werden sollen», heißt es in einer Stellungnahme. «Das Prinzip der Gewinnmaximierung bestimmt die Art und Weise, wie mit Tieren umgegangen wird. Dabei wird der ethische Wert der Tiere den wirtschaftlichen Interessen untergeordnet.»
Unter den ihnen zugefügten Leiden nennt der Tierschutzbund auch das Kupieren der Schwänze von Ferkeln im Alter bis zu vier Tagen. Diese erlaubte schmerzhafte Amputation ohne Betäubung hat nur den Zweck einer Anpassung an ein nicht tiergerechtes Haltungssystem. Sie soll beitragen, dass die Schweine später, wenn sie in der Masttierhaltung in engen, dunklen Ställen bewegungslos dahinvegetieren müssen, ihre aufgestaute Aggression nicht aneinander auslassen.
Diese Bedingungen führen nach Tierschutz-Angaben nicht nur zu Kreislaufschwäche, Gelenk- und Muskelkrankheiten, Hautabschürfungen und Klauenverletzungen, sondern auch zu Verhaltensstörungen wie «Schwanzbeißen» und sogar Kannibalismus. Die in Deutschland weiterhin erlaubte Ferkelkastration ohne Betäubung wird so beschrieben: Das Tier wird kopfüber in eine Apparatur geklemmt. Seine Beine werden auseinandergespreizt und fixiert. Die Haut, die die Hoden schützt, wird mit einem Messer aufgeritzt. Die Hoden werden herausgezogen und abgeschnitten.
Die Zeitschrift «Zeitzeichen» (Berlin) widmete dem Thema der Tiernutzung eine Sammlung von Beiträgen und bemerkte dazu, dass das Befinden solcher Tiere «auch ein Gradmesser für angewandte Humanität» sei. In der kritischen Diskussion ist auch die Klimaproblematik ein Thema geworden, weil Nutztierhaltung in großen Stil auch ein wesentlicher Faktor der Kohlendioxid-Emissionen ist. Ferner, dass sie im Vergleich zur pflanzlichen Lebensmittelproduktion ein Vielfaches an Ressourcen erfordert. All dies scheint näher zu rücken, was der Schweizer Philosoph Jean-Claude Wolf bereits 1992 in seinem Buch «Tierethik» andeutete: Vielleicht, so schrieb er, werde man bereits in hundert Jahren mit ähnlichem Befremden auf Karnivore (Fleischesser) zurückschauen wie heute auf die Kannibalen. (dpa)