Abwasserwirtschaft warnt vor Sanierungsstau
Jährlich werden Millionen in den Erhalt und die Erneuerung der Kanalisation investiert. Dennoch reicht es nicht aus, um das stetig wachsende Kanalnetz in Schuss zu halten. Die Folge könnten steigende Abwassergebühren sein. Und dann gibt es noch ein weiteres Ärgernis.
Angesichts der kostspieligen Sanierung des Kanalisationsnetzes rechnen Experten in einigen Thüringer Kommunen mit steigenden Abwassergebühren. Das ergab eine
Umfrage der Deutschen Presse-Agentur unter Thüringer Abwasserzweckverbänden. «Es wird zwar überall viel investiert - aber das reicht nicht aus, um das gesamte Netz langfristig zu erhalten», sagte der Sprecher der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und
Abfall (DWA), Stefan Bröker.
In Deutschland werde im
Schnitt jedes Jahr ein Prozent des Kanalnetzes erneuert. Nötig wären aber mindestens 1,5 Prozent, um in Zukunft Sanierungsstaus zu vermeiden, erklärte Bröker. Wegen der sehr aufwendigen Arbeiten lägen die Kosten zur Erreichung dieses Ziels sehr hoch. Genaue Zahlen für einzelne Bundesländer gebe es keine, aber die bundesweit erfassten Daten seien auch auf Thüringen übertragbar.
Der Erfurter Entwässerungsbetrieb investiert laut Werkleiter Martin Höfer jedes Jahr rund 800.000 Euro für Reparaturen und rund fünf Millionen Euro für Erneuerungs- und Neuverlegungsmaßnahmen. Bei 200 Kilometern des 900 Kilometer umfassenden Kanalnetzes seien kurz-, mittel- und langfristig Sanierungsarbeiten erforderlich.
In Suhl fließen jährlich bis zu zwei Millionen Euro in den Neubau der Kanäle, sagte Werkleiter Andre
Jäger vom Zweckverband Abwasser Suhl «Mittlerer Rennsteig». Der Zustand der Kanalisation sei gut. Mittelfristig sei aber mit vereinzelten Sanierungen zu rechnen.
In Weimar liegt der Aufwand für den Erhalt und die Erweiterung des Abwassernetzes laut Stadtsprecher Andy Faupel jährlich bei etwa drei Millionen Euro. Beim Stadtentwässerungsbetrieb Nordhausen sind es rund vier Millionen Euro. Der Zweckverband Wasser/Abwasser «Mittleres Elstertal», dem neben 35 Städten und Gemeinden auch die Stadt Gera angehört, verfügt über ein Kanalnetz von etwa 1.300 Kilometern. Die Investitionssumme liegt dort bei jährlich etwa 2,6 Millionen Euro. Der Zweckverband Jenawasser wird in dem kommenden Jahren rund 7,5 Millionen Euro in die Erneuerung des Netzes stecken.
In allen der sechs befragten Zweckverbände gibt es zumindest mittelfristig Handlungsbedarf. Einige der Thüringer Zweckverbände hoffen auf eine staatliche Unterstützung, um die Kosten abzufangen. Sollte diese nicht kommen, drohten entweder steigende Gebühren oder ein Sanierungsstau, hieß es. So erklärte etwa der Kommunalservice Weimar, dass es künftig unweigerlich zu einer Gebührenerhöhung kommen werde.
Kostentreiber gibt es aber auch am Ende der Netze: Immer mehr Kläranlagen würden ausgerüstet, um sogenannte «Spurenstoffe» wie Arzneimittelreste aus dem Wasser zu filtern, sagte Bröker. Die DWA sieht hier auch die Hersteller und Importeure von Medikamenten in der Pflicht. Alle Mitverursacher von Gewässerbelastungen sollten demnach einen Beitrag zum
Gewässerschutz leisten.
Eine finanzielle Beteiligung könne auch dazu beitragen, die Belastung insgesamt zu reduzieren: Denn bisher fehlten bei der Medikamentenherstellung Anreize, bei gleicher Wirksamkeit im Zweifel auf den biologisch besser abbaubaren Wirkstoff zurückzugreifen. Laut DWA wäre ebenso ein Modell nach Schweizer Vorbild denkbar, bei dem die Abwassergebühren über eine allgemein geltende Steuer finanziert würden.
Für den meisten Ärger sorgt bei den Zweckverbänden aktuell die andauernde Entsorgung von Feuchttüchern und feuchtem Toilettenpapier über das WC. Das sorge regelmäßig für verstopfte Pumpstationen, Kanäle und Leitungen und entsprechende Zusatzkosten. Die Industrie bewerbe solche Produkte zwar immer damit, dass eine Toilettenentsorgung möglich sei, sagte Weimars Stadtsprecher Faupel. «Das können wir aber nicht bestätigen.»
Der Deutschen Vereinigung für
Wasserwirtschaft zufolge ist das Kanalisationsnetz in den neuen Bundesländern oft in einem besseren Zustand als in Westdeutschland. Grund hierfür seien die umfangreichen Modernisierungs- und Erschließungsmaßnahmen nach der Wiedervereinigung.