G20 hat Chance zur Rettung der Welt: «Aber wir ergreifen sie nicht»
Es war ein Coup: Mit der Ratifizierung des Klimaabkommens lassen sich
Obama und Xi Jinping auf dem G20-Gipfel als Retter des Planeten feiern. Aber dafür reicht es nicht, nur Papiere zu unterschreiben.
Obwohl die Fabriken im Umkreis von 300 Kilometern für den G20-Gipfel schließen mussten, können die Bürger von Hangzhou nicht richtig durchatmen. Die Luftwerte für den gefährlichen Feinstaub (PM2,5) liegen am Samstagmorgen um das Vier- bis Sechsfache über dem Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Als Barack Obama mit seiner Präsidentenmaschine am Nachmittag bei blauem Himmel in der ostchinesischen Stadt landet, zeigte der Index noch das Doppelte an. Kein Zweifel, China muss drastisch mehr tun, um die Luft sauber zu kriegen - auch für den globalen Klimaschutz.
Kaum in Hangzhou angekommen, landet Obama gemeinsam mit Chinas Präsident Xi Jinping seinen Klimacoup. Beide übergeben UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Urkunden zur Annahme des Pariser Klimaabkommens, das Chinas Volkskongress und Obama - durch die Macht seines Amtes - zuvor ratifiziert haben. Klimaschützer loben den «Riesenschritt». Er ebnet den Weg für ein Inkrafttreten des historischen globalen Abkommens.
Die Stimmung wirkt gelöst, als Obama und Xi danach im Gästehaus am Westsee in dicken weißen Ledersesseln Platz nehmen, um über die sonst eher frostigen Beziehungen zu sprechen. «Es ist ein Beispiel, was wir erreichen können, wenn wir zusammenarbeiten», sagt Obama für die Kameras. Die Schönwetter-Dramaturgie für den Gipfel der Industrie- und
Schwellenländer (G20) scheint zumindest so weit gelungen.
Dass der Volkskongress in Peking die Ratifizierung durch China vorzeitig verkündete, während Obama noch im Flieger saß, obwohl beide gemeinsam in Hangzhou ihre gemeinsame Führung im
Klimaschutz kundtun wollten, ist nur ein kleiner Schönheitsfehler. Vollmundig spricht das Weiße Haus von einem «weiteren Meilenstein in dem Vermächtnis der Klimaführerschaft von Präsident Barack Obama und Präsident Xi».
Dabei zelebrieren die beiden schon zum dritten Mal in knapp zwei Jahren möglichst werbewirksam einen Klimadeal, der eigentlich noch sehr viel zu wünschen übrig lässt. Dem scheidenden US-Präsidenten geht es um seinen Platz in der Geschichte. Xi wiederum will China vom Image des Umweltverschmutzers befreien.
Bis vor gut zwei Jahren standen die beiden größten «Klimasünder» noch fest auf der Bremse. Erst auf dem Asien-Pazifik-Gipfel (Apec) im November 2014 in Peking verpflichteten sich Obama und Xi - mit ähnlich viel Tamtam - auf messbare Ziele. Es ebnete immerhin den Weg für das Pariser Abkommen. Die USA sagten eine Reduzierung um 26 bis 28 Prozent bis 2025 im Vergleich zu 2005 zu, während sich China dazu verpflichtete, das Wachstum seiner gesamten
Treibhausgase bis 2030 zumindest zu stoppen - von Verringerung keine Rede.
China dürfte sein Ziel auch ohne große Anstrengungen vorzeitig erreichen. Das langsamere Wirtschaftswachstum, die geringere Kohlenutzung, der Abbau von Überkapazitäten in schmutzigen Industrien und der wachsende Dienstleistungsbereich haben den Ausstoß gebremst. Experten diskutieren bereits, ob der Höhepunkt der chinesischen Emissionen nicht heute schon erreicht ist - oder in naher Zukunft.
Sicher verdient China Lob, dass es massiv erneuerbare Energien ausbaut. Sie tragen bereits 10,5 Prozent zu Chinas Energienutzung bei. Aber die schmutzige Wahrheit: Zwei Drittel aller Energie kommt aus der Kohle, woran sich auch in Zukunft wenig ändern wird. Die zweitgrößte Volkswirtschaft verbraucht die Hälfte aller Kohle weltweit.
Die Ratifizierung sorge für «Rückenwind», das Klimaabkommen weltweit in Kraft zu setzen, lobt Christoph Bals von Germanwatch. «Wenn sie die beiden Giganten nicht bewegen würden, wäre schon jetzt klar, dass wir die
Klimaziele von Paris nicht erreichen würden.» Aber Paris ist erst der Anfang. Vor allem die G20-Gruppe der führenden Wirtschaftsnationen steht in der Pflicht - in den Ländern werden drei Viertel der weltweiten Emissionen ausgestoßen.
Die bisher zugesagten Pläne reichen bei weitem nicht aus, um die gefährliche
Erderwärmung unter die notwendigen zwei Grad oder mehr zu bringen. «Die absoluten Emissionen der G20 müssen in naher Zukunft drastisch reduziert werden», fordert Climate Transparency. Neue Pläne müssten bis 2018 her. Die Industriestaaten müssten die wahren Kosten der Treibhausgase über Steuern und Abgaben umlegen. Ebenso müssten die G20 ihr - seit sieben Jahren unerfülltes - Versprechen endlich einhalten und die Subventionen für fossile Energien stoppen.
Der Entwurf des Kommuniqués für den Gipfel enttäuscht hier aber. Er enthält keine konkreten neuen Verpflichtungen, wie Quellen berichten, die die Passage gesehen haben. «Die Welt tut nicht genug und bewegt sich zu langsam», bemängelt der Direktor des G20-Zentrums am australischen Lowy-Institute, Tris Sainsbury. Das Pariser Abkommen habe lediglich ein Wunschziel formuliert und erstmal nur den Rahmen geschaffen. «Paris hat uns die Chance gegeben, die Welt zu retten», sagt Sainsbury. «Aber wir ergreifen sie nicht.»