Haben Flüsse an ihren Ufern genügend Platz, können sie sich bei Hochwasser ausbreiten. Das mindert das Risiko, dass besiedelte Gebiete überschwemmt werden. Zugleich sind Auen eine Heimat für viele Tiere und Pflanzen. Wird in Hessen genug getan, um Auen zu pflegen? (c) ecomeda medien - fotolia.com
«Auwälder können nicht nur das Wasser aufnehmen, sondern auch den Wasserabfluss bremsen und damit Katastrophen flussabwärts verhindern», erklärt Mark Harthun, Geschäftsführer des hessische Landesverbandes im Naturschutzbund (Nabu). Wegen des Klimawandels sei damit zu rechnen, dass im Winter mehr und im Sommer weniger Niederschläge fallen. Zudem erhöhe sich das Risiko von lokalen Starkregenereignissen. All diese Entwicklungen machen Auen nach seiner Ansicht noch wertvoller.
«Der einzige Weg, gravierende Schäden zu verhindern, ist das Freihalten der Überflutungsflächen von Bebauung», betont Harthun. Diese Erkenntnis sei nicht neu, aber die Erfahrung der vergangenen Jahre zeige, dass es häufig Begehrlichkeiten gebe, immer weiter in Auen hineinzubauen. Die Flächen lägen oft nahe an bestehenden Ortschaften und seien leicht zu erschließen.
«Der größte Teil der Auenwälder in Hessen sind Bachauenwälder an kleineren Fließgewässern», erläutert Detlef Mahn, Leiter des Dezernats Lebensräume beim Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG). Zwei der größten zusammenhängenden Auenwaldgebiete in Hessen sind nach seinen Worten das Naturschutzgebiet Kühkopf-Knoblochsaue bei Stockstadt am Rhein in Südhessen und die Ederaue bei Obermöllrich in Nordhessen. Aber es gebe an allen größeren Flüssen Hessens natürliche Auenwälder - mal mehr, mal weniger. In den landwirtschaftlich genutzten Gebieten beispielsweise an der Fulda oder der Lahn seien auch häufiger Auenwiesen vorzufinden.
Doch nicht nur wegen ihrer positiven Wirkung auf die Hochwasserabläufe sind Auenwälder wichtig, sie sind nach Worten von Nabu-Geschäftsführer Harthun auch einer der artenreichsten Lebensräume in Deutschland überhaupt. Eine typische Auen-Art sei der Biber, von dem es in Hessen etwa 1.500 Exemplare gebe.
Auch im Pflanzenreich haben Auenwälder typische Bewohner wie Schwarzerle und Esche, wie HLNUG-Experte Mahn weiter erklärt. An Rhein und Eder gibt es zudem sogenannte Hartholz-Auenwälder, die auch mit häufigeren Überschwemmungen gut klarkommen. Dort wachsen Flatter-Ulme, Feld-Ulme und Schwarzpappel. Letztere sei eine Besonderheit an der Ederaue, da sie dort heimisch sei und sich damit von den andernorts häufig vorkommenden Pappeln unterscheide, die als Züchtungen extra angepflanzt worden seien.
Nach Worten des HLNUG-Experten gibt es in Hessen zahlreiche Projekte zum Schutz oder zur Renaturierung von Auenwiesen und -wäldern und entsprechende Managementpläne. Zumeist handele es sich um kleinräumige Maßnahmen, die oft nur lokal bekannt seien. Dazu gehöre in der Regel immer, dass entlang eines Flusses oder Baches Wälder oder zumindest Übergangsbereiche zwischen Wiesen und Gehölzen angelegt und gegebenenfalls Ackerflächen in Grünland überführt werden.
Die wenigen Auenwälder und «Auwaldrelikte» in Hessen sind nach Einschätzung des Nabu nicht bedroht, wohl aber die vielen schmalen «Galeriewälder» aus Erlen und Weide, die zu oft gefällt würden. Die Grünlandauen seien durch Überdüngung und die Umwandlung von Wiesen zu Äckern bedroht. «Die größte Gefahr ist aber die Bebauung und die Austrocknung im Klimawandel», warnt Harthun. Gerade im Bergland trockneten immer mehr Bäche im Sommer aus, der Grundwasserstand sinke, so dass typische, feuchteliebende Tier- und Pflanzenarten der Feuchtwiesen oder Auwälder verschwänden.
«Grundsätzlich sollten alle Gewässer einen Gewässerentwicklungsstreifen von 10 bis 30 Meter Breite erhalten, der nicht landwirtschaftlich genutzt wird», fordert er. Dort könnten sich «Auwald-Bänder» entwickeln und der Biber seine Wirkung als Landschaftsgestalter entfalten, ohne dass es zu Konflikten mit der Landnutzung komme. Diese Lebensräume könnten dann miteinander vernetzt werden.
«Hier ist ein aktives Flächenkaufprogramm des Landes notwendig», sagt Harthun. Zwar hätten sich Vertreter von Naturschutz- und Landwirtschaftsverbänden und die Landesregierung im Jahr 2021 auf den Ausbau dieser Streifen geeinigt, allerdings sei noch nicht viel für die Umsetzung dieses Ziels getan worden.
An geeigneten Orten sollten nach seiner Ansicht größere Auen in die öffentliche Hand übernommen werden. «Dort können Biberseen entstehen, die Wasser in den Auen zurückhalten und so vor Hochwasser schützen», fügt er hinzu. Eine Absenkung des Grundwasserspiegels könne so im Sommer verhindert werden. Ein langsamer, aber kontinuierlicher Abfluss führe dazu, dass Bäche seltener austrockneten und auf diese Weise das Gewässer-Ökosystem erhalten bleibe. «In solchen geschützten großen Auen können auch Auwälder entstehen», erklärt er.