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20.01.2009 | 21:33 | Flughafenerweiterung 

Bäume weichen Frankfurter Flughafen-Ausbau - «Der Kampf ist verloren»

Frankfurt/Main - Die ersten Bäume sind ganz schnell weg.

Flughafen-Ausbau
(c) proplanta
Mit einer Kettensäge setzt ein Arbeiter nahe am Frankfurter Flughafen kurz an, dann kracht der sieben Meter hohe Baum auch schon um. Ein Dutzend Sicherheitsmitarbeiter des Flughafenbetreibers Fraport gibt drei Waldarbeitern Schutz, zwei Polizisten sitzen etwas entfernt in ihrem Auto - doch von Gegnern des Flughafenausbaus ist zu Beginn der Rodungsarbeiten an dieser Stelle weit und breit nichts zu sehen.

Der Protest findet in einiger Entfernung statt, mitten im Kelsterbacher Wald. Dort haben rund zwei Dutzend Gegner des Flughafenausbaus ein Hüttendorf gebaut. «Wir müssen verhindern, dass nur für höhere Gehälter die Bäume gefällt werden», sagt der 25- jährige Computer-Designer Janis aus Lettland, der seit einer Woche in dem Camp wohnt. «Ich bleibe hier, bis ich festgenommen werde», kündigt er an und ergänzt: «Aber ich weiß, der Kampf ist verloren.»

Mit den Rodungen begann am Dienstagmorgen - nach jahrelangen politischen Diskussionen und erbitterten juristischen Auseinandersetzungen - der Bau des Vier-Milliarden-Projekts. Ende 2011 soll die neue Nordwest-Landebahn in Betrieb gehen. Die Kapazität des größten deutschen Flughafens wird damit um rund die Hälfte erhöht, mehrere 10.000 neue Arbeitsplätze sollen am «Jobmotor Flughafen» entstehen.

«Die neue Bahn ist doch bei der Wirtschaftslage gar nicht mehr nötig», sagt ein 28-Jähriger Flughafen-Gegner aus Stuttgart, der sich den Namen «Captain» gegeben hat und seit Oktober im Camp lebt. Zwei Mitstreiter haben sich hoch oben in den Bäumen an Seilen festgemacht, in mehreren Baumkronen sind kleine Hütten entstanden. Auf dem feuchten Waldboden stehen Zelte und Holzhütten verstreut, irgendwo parkt auch ein alter Campingwagen. Viele Bäume sind mit Graffiti besprüht: «Krach», «Nein» oder «Heul» ist dort zu lesen.

Am Rand der Alternativ-Siedlung gibt es Bewegung. Rund ein halbes Dutzend Polizisten hat Schaufeln in der Hand. Sie graben ein etwa fünf mal fünf Meter großes Loch in den Boden. Gut einen Meter haben sie rasch geschafft, drumherum stehen Schaulustige im Schlamm. Das abstruse Schauspiel hat einen ernsten Hintergrund: Ein Ausbaugegner hatte sich in einem unterirdischen Tunnel festgekettet. Die Beamten wollen ihn aus Sicherheitsgründen ausgraben.

Einige wenige Anwohner zeigen sich solidarisch mit den überwiegend jungen Demonstranten, die auch bei klirrender Kälte ausgehalten haben. «Ich unterstütze alle Leute, die gegen den Ausbau sind», sagt der 59-jährige Reinhold Hörner. Am Vortag habe er jemanden aus dem Camp bei sich duschen lassen, ab und an bringe er den Leuten etwas Essen vorbei. Den Ausbau empfindet er als einen schweren Schlag: Sein ganzes Geld habe er in sein Haus in der Nähe gesteckt, aber der Lärm sei unerträglich und werde künftig noch schlimmer.

Mit dem heftigen Widerstand gegen den Bau der Startbahn West vor fast 30 Jahren ist der heutige Protest nicht vergleichbar. In den 1980er Jahren waren Zehntausende auf die Straße gegangen, zeitweise versammelten sich gar 150.000 Menschen an kilometerlangen NATO-Draht- Sperren, eine Bürgerbewegung entstand. «Es ist relativ wenig los», sagt Linken-Landeschef Ulrich Wilken, der zu Rodungsbeginn in das Camp gekommen ist. Der Widerstand sei eher juristisch gewesen, sagt er mit Blick auf die Klagen zahlreicher Anrainer-Kommunen.

Um das Camp und auch an anderen Stellen im Wald hat die Fraport inzwischen normale Bauzäune aufgestellt. Bis Ende Februar will sie so viele Bäume wie möglich gefällt haben, weitere Rodungen sind dann erst wieder ab September erlaubt. Für die Arbeiten sind bereits schwere Maschinen angerückt, die ganze Waldflächen rasch räumen können. Schließlich werden rund 300 Hektar Fläche benötigt. Das größte Augenmerk dürfte zunächst aber auf dem Gebiet direkt am Flughafen und der Autobahn liegen: Dort sollen große und aufwendige Brücken entstehen, damit später einmal die Flugzeuge von der neuen Bahn zu den Terminals rollen können. (dpa)
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