Führende CDU/CSU-Politiker beschlossen am Mittwoch, das Projekt bis nach der
Bundestagswahl zu verschieben. Union und
SPD gaben sich für das Scheitern gegenseitig die Schuld. Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) forderte das Eingreifen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Merkel sagte in Berlin: «Wenn wir diese Fragen jetzt nicht mehr klären können, lassen wir lieber die Finger davon.» Alle im Land müssten aber wissen, «dass das auch eine Gefährdung für die Kohletechnologie insgesamt ist.»
Der schwedische Energiekonzern
Vattenfall hält an der Technologie zur unterirdischen CO2-Speicherung (CCS) fest. Dieses Verfahren bei der Kohleverstromung müsse sich international durchsetzen, damit die Klimaschutzziele erreicht werden könnten, sagte Vattenfall-Chef Lars Josefsson in Berlin. Unter den fossilen Brennstoffen werde Kohle in den kommenden Jahren noch stärker genutzt werden als derzeit. «Ohne Kohle wird's nicht gehen, aber mit Kohle ohne Abscheidung von
CO2 wird's auch nicht gehen», stellte er fest. In Ostdeutschland nutzt die Tochter Vattenfall Europe überwiegend Braunkohle zur Stromerzeugung.
Das klimaschädliche CO2 wird unter anderem bei der Stromerzeugung aus Kohle frei. Es soll mit dem sogenannten CCS-Verfahren (Carbon Capture and Storage) bei der Entstehung abgeschieden und dann in tiefen Gesteinsschichten gelagert werden, so dass es nicht in die Atmosphäre gelangt. Manchen Experten bezweifeln, dass das CO2 dauerhaft in der Erde bleibt. Joseffson sagte, die CCS-Technologie sei eine Übergangslösung, allerdings «für mindestens 20 oder 30 Jahre». Erst dann dürften neue, bessere Verfahren anwendungsreif sein. Er glaube nicht, dass die Menschen Angst vor dieser Technologie hätten, sie wüssten noch zu wenig darüber. Pilotprojekte sind in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein geplant.
Das
Umweltbundesamt warnte davor, die Rolle von CO2-Speichern zu überschätzen. «Die Technik zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid ist kein Allheilmittel für den
Klimaschutz, allenfalls eine Übergangstechnik, die zudem erst mittelfristig verfügbar ist», sagte Vizepräsident Thomas Holzmann der «Berliner Zeitung» (Mittwoch). Wichtiger sei es, jetzt mit aller Kraft die Techniken voranzubringen, die Kohlendioxid schon heute kostengünstig vermieden - «vor allem erneuerbare Energien und eine deutlich gesteigerte Energieeffizienz».
Regierungssprecher Ulrich Wilhelm betonte, Kanzlerin und Bundesregierung stünden unverändert zu der Technologie. Der Kabinettsbeschluss sei aber bei den Fraktionsberatungen sowohl von Union und SPD so stark verändert worden, dass er nicht mehr die Zielsetzungen des Kabinettsbeschlusses erfülle. «Am Ende müssen sich alle in dem Ergebnis wiederfinden», sagte Wilhelm.
Gabriel sagte, es liege «ein abstimmungsfähiger
Gesetzentwurf vor, der zwischen Umweltministerium, Wirtschaftsministerium und Kanzleramt abgestimmt und vom Bundeskabinett beschlossen wurde». Die SPD sei bereit, diesem Entwurf im Parlament zuzustimmen. «Jetzt ist die Bundeskanzlerin gefragt, ihrerseits dafür zu sorgen, dass auch die Unionsfraktion diesem Entwurf zustimmt und ihre Eiertänze beendet.»
Die Verhandlungsführerin der Union, Katherina Reiche, sagte der Deutschen Presse-Agentur dpa, Gabriel habe «einen kleinen Einwand der CSU dazu missbraucht, eine ganze Giftliste gegen CCS aufzumachen». Die Länderumweltminister der Union und die Fraktionsspitze beschloss deshalb, das Projekt auf Eis zu legen. Gabriel warf Reiche vor, durch «Legendenbildung» von eigenem Versagen ablenken zu wollen. Sie sei von ihrer eigenen Fraktion düpiert worden. (dpa)