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23.04.2017 | 10:34 | Umweltbelastung 
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Das Dilemma der Kaffeekapseln

Genf - Es duftet im Nespresso-Laden in Genf verführerisch nach Kaffee. Aber statt des Getränks preist die Verkäuferin als erstes das Video über das Recyceln der Kapseln an.

Kaffee aus der Kapsel?
Portionskapseln sind unter Kaffeetrinkern auf dem Siegeszug. Einfache Handhabung, immer richtig dosiert, aber teuer. Nur: Sind die Kapsel-Fans nicht Umweltsünder? (c) proplanta
Auf einer Leinwand ist in Endlosschleife zu sehen, wie aus dem Kaffee Energie für die Recycling-Anlage und aus den Kapseln neue Aluminiumprodukte werden.

So läuft es in der Schweiz. Mit wachsendem Ökobewusstsein der Kaffeetrinker hat der Nestlé-Konzern ein Problem, das Umsatz kosten könnte: Es wird als Ressourcen-Verschwender hingestellt - zu Unrecht, wie Unternehmen und auch Forschungsinstitute sagen.

Die Stiftung Warentest hat den Kapselmüll in Deutschland 2015 auf 5.000 Tonnen Abfall hochgerechnet. Gezählt hat es Alukapseln wie bei Nespresso, aber auch Plastikkapseln von anderen Anbietern. Das Fazit: «Umweltschutz sieht anders aus.»

Die Stadt Hamburg sagt Mitarbeitern im «Leitfaden für umweltverträgliche Beschaffung», was grundsätzlich nicht mehr eingekauft werden soll: Geräte wie Kaffeekapselmaschinen zum Beispiel. «Diese Portionsverpackungen führen zu einem unnötigen Ressourcenverbrauch und Abfallaufkommen und enthalten häufig umweltschädliches Aluminium», heißt es.

Eine schlechte Ökobilanz kann Firmen richtig in die Bredouille bringen. Immer mehr Verbraucher achten darauf, ob sie mit dem, was sie benutzen, die Umwelt belasten. Aber die Beliebtheit des Portionskaffees wächst. «Kapseln bedienen den Wunsch der Verbraucher, ihren Kaffee schnell und einfach zuzubereiten», sagt Holger Preibisch, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Kaffeeverbandes. «Kaffeekapseln sind außerdem für viele Verbraucher mit einem Lifestyle- und Luxusgefühl im Alltag verbunden.»

In Deutschland stieg der Kapselverbrauch zwar rasant, von 800 Tonnen 2005 auf rund 20.600 Tonnen 2015. Am Gesamtverbrauch macht das aber nur gut fünf Prozent aus. Weil der Kapselkaffee so teuer ist, entspreche das nach Wert eher 20 Prozent, sagt Chahan Yeretzian, Dozent für analytische Chemie an der Züricher Hochschule für angewandte Wissenschaften, Schwerpunkt: Kaffee. In Frankreich oder Portugal liege der Anteil nach Wert schon bei 40 bis 60 Prozent.

«Nespresso hat ein Problem, weil die Leute nur den Abfall sehen, und nicht die ganze Herstellung betrachten», sagt der Dozent, der früher selbst bei Nestlé war. «Das ist ungerecht.»

Die größte Umweltbelastung komme aus dem Kaffee selbst: Diesel- und Benzin im Plantagenbetrieb, Düngemittel, die Zubereitung der Bohnen. Bei Vollautomaten und Filterkaffee rechne man mit bis zu neun Gramm Kaffee pro Tasse. In Kaffeekapseln sind etwa sechs Gramm. Das funktioniere, weil in Kapseln das volle Aroma erhalten bleibe, der Kaffee optimal gemahlen sei, und beim Durchpressen des heißen Wassers mit Hochdruck mehr aus dem Kaffee herausgeholt werde als beim herkömmlichen Aufbrühen, sagt Yeretzian. «Die CO2-Belastung der Kapsel selbst entspricht der Belastung eines Gramms Kaffee», sagt er. Da in den Kapseln weniger Kaffee sei, sei die Ökobilanz ausgeglichen.

Zu diesem Schluss kommt auch die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa). Bei Filterkaffee werde zudem oft mehr Wasser gekocht als benötigt, bei Kaffeemaschinen werde oft mehr Kaffee zubereitet als getrunken. Das Fazit von Autor Roland Hischier in puncto Ökobilanz: «Werden Aluminiumkapseln rezykliert - und nur dann -, sind sie die besten.» Portionskaffee in der besten Maschine schneidet auch bei einer Analyse von Quantis, einer kanadischen Firma für nachhaltige Strategien, am besten ab. Knackpunkt überall: die Wiederverwendung.

«Wir bemühen uns, das Recyceln der Kapseln so einfach wie möglich zu machen», sagt Nespresso-Sprecherin Katherine Graham. «Dass die Verbraucher mitmachen, ist der Schlüssel zum Erfolg.» In Deutschland gehören die Kapseln in den gelben Sack. Aber wie viele Kaffeetrinker die Kapseln dort reinwerfen, weiß Nespresso nicht.

In der Schweiz sammelt das Unternehmen die Kapseln selbst zum Recycling ein, in den Läden etwa. An Abfall-Containern auf der Straße sind oft eigene Behälter für Kapseln. Graham schätzt, dass dort 50 Prozent recycelt werden. «Das recycelte Aluminium findet sich in Autos, Fahrrädern, Trinkdosen, Computern und teils neuen Nespresso-Kapseln wieder.»
dpa
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Kommentare 
Herbert schrieb am 24.04.2017 09:10 Uhrzustimmen(12) widersprechen(17)
Mal ehrlich: Da hat doch jemand bei der dpa a.k.a. Deutsche Presse-Agentur eine Pressemitteilung platziert, bei der es sich eigentlich um Werbung handelt. Mit Journalismus hat das nichts zu tun. Leider ist die fragliche "Meldung" in zahlreichen anderen Medien völlig kritiklos abgedruckt worden.

Dass eine Nachrichtenagentur solche Werbetexte verteilt, halte ich für hochproblematisch.
Mitleser schrieb am 24.04.2017 08:40 Uhrzustimmen(10) widersprechen(21)
Dort

http://www.nestle.de/umwelt/kaffeekapseln

heist es:

"Hertlein: Für die Lebensmittelverpackung wie zum Beispiel Senftuben, Deckel von Joghurtbechern und auch Kaffeekapseln wird in der Tat frisches Aluminium mit einem hohen Reinheitsgrad benötigt. Im Moment gibt es dazu keine Alternative: Immer dann, wenn es um Verpackungen von Nahrungsmitteln geht,..."

Hertlein ist laut Quelle Leiter Corporate Packaging bei Nestlé.

Also doch nix mit teilweise Recycling-Alu in Nestles Kapseln?

Ohne Worte.
Schnipsi schrieb am 24.04.2017 08:27 Uhrzustimmen(11) widersprechen(18)
Guten Morgen!

Mir hat mal jemand erklärt, dass die in der Schweiz gesammelten leeren Kaffeekapseln gar nicht in der Schweiz weiterbearbeitet werden. Das heißt doch: Die Schweiz EXportiert den Alu-Müll. Für die Schweiz und für Nestle ist er dann ... äh .... weg.

Bei der Konstellation frage ich mich, woher man belastbare Daten zu Ökobilanzen und Recyclingquoten hat. Da stellt dieser "Dr. Bastschuh" schon genau die richtigen Fragen ....
Franz K. schrieb am 24.04.2017 07:43 Uhrzustimmen(11) widersprechen(10)
Zu

"In Deutschland gehören die Kapseln in den gelben Sack. (Aber wie viele Kaffeetrinker die Kapseln dort reinwerfen, weiß Nespresso nicht).":

In Deutschland ist ein Alurecycling schon allein deswegen keineswegs sichergestellt. Allzu oft wird der Sackinhalt gar nicht getrennt, allzu oft verbirgt sich hinter einem sogenannten Recycling die sogenannte thermische Verwertung, also schlicht Verbrennen in einer Müllverbrennungsanlage.

Versuchen Sie doch einmal in Deutschland herauszubekommen, was in Ihrer Kommune mit den gelben Säcken passiert. Versuchen Sie doch einmal herauszubekommen, was mit dem Nichteisenmetallmix aus dem gelben Sack passiert. Für den ein oder anderen wird es dabei schnell zu deutlicher Ernüchterung kommen.

Bei der Deutschen Bahn ist es übrigens auch durchaus irritierend: In vielen Bahnhöfen und in den Zügen wird der vom Kunden getrennt abgelegte Müll mit einem Behältnis eingesammelt. Wegen dieser Fake-Müll-Trennung achte ich in dem Bahn-Umfeld lange nicht mehr darauf, was ich in welchen Behälter packe.

Was hier passiert, ist doch schlicht: Aus den Augen, aus dem Sinn - und das auch noch mit ökologischem Anstrich. Verantwortungslos.

Franz
Dr. Esemehl Bastschuh schrieb am 23.04.2017 12:02 Uhrzustimmen(15) widersprechen(18)
Konkrete Fragen:

Sind Kaffeekapseln aus Aluminium innen und oder außen mit Lacken / Farben beschichtet? Wie wirken sich diese Lacke und Farben auf die Recyclingmöglichkeiten aus?

Befindet sich recycliertes Aluminium aus Kaffeekapseln in Motorblocks von KfZ? Wenn ja, Beleg?

Befindet sich recycliertes Aluminium aus Kaffeekapseln vielleicht in Flugzeugteilen? Wenn ja, Beleg?

Ist recycliertes Aluminium bei Lebensmittelverpackungen unbedenklich?

Was hat es mit der teilweisen Verwendung von recycliertem Aluminium bei der Kapselproduktion für eine Bewandtnis? Gibt es einen belastbaren Beleg für die Verwendung von recycliertem Aluminium bei der Kapselproduktion?

MfG
cource schrieb am 23.04.2017 11:02 Uhrzustimmen(26) widersprechen(21)
«Kaffeekapseln sind außerdem für viele Verbraucher mit einem Lifestyle- und Luxusgefühl im Alltag verbunden.» genau, aber nur die illusion von luxus, denn echter luxus ist: die zeit dafür zu haben bis um 9 uhr zuschlafen und dann in aller ruhe den kaffee in einer mühle frisch zu mahlen und dann in ruhe zu genießen und diesen luxus haben nur unsere ausbeuter/sklavenhalter und komplizen
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