23.04.2010 | 20:36 | Biodiversität
Der Wert biologischer Vielfalt zwischen ökonomischem Nutzen und ethischer Verpflichtung
Tutzing/Bonn - Nach Ansicht von Prof. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), benötigt Deutschland einen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs darüber, wie Natur bewertet werden kann.
|
Es stellt sich die Frage, welche Bedeutung verschiedene Bewertungsansätze - ökologische, ästhetische, ethische und ökonomische - für gesellschaftliche und politische Entscheidungen haben. Ein solcher Diskurs ist die Zielsetzung einer gemeinsamen Tagung des BfN mit der evangelischen Akademie Tutzing zum Thema „Wert und Inwertsetzung biologischer Vielfalt“.
Eine Studie im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz beziffert beispielsweise den Wert von 30 km2 Moorrenaturierungen in Mecklenburg-Vorpommern auf ca. 30 Mio. € pro Jahr gemessen an der dadurch erfolgten Reduktion von Klimagasen. Eine andere Studie kommt für den Wert von Auenrenaturierungen an der Elbe auf einen vorsichtig geschätzten Wert von 16 Mio. € ersparter Wasserreinhaltungskosten durch die erhöhte Selbstreinigungskraft des Flusses. Reichen solche Zahlen aus, um die Maßnahmen ökonomisch zu begründen? Allein die Wahl des geeigneten Zinssatzes hat regelmäßig erheblichen Einfluss auf die Ergebnisse. Auch stehen ökonomische Bewertungen nicht alleine: Es ist nicht zuletzt eine gesellschaftliche Entscheidung, was uns die Aufrechterhaltung bestimmter Leistungen, die Ökosysteme erbringen, „wert“ ist, und inwieweit hier auch andere als Geldwerte zum Tragen kommen. Zudem liegen jedem Bewertungsmodell, bewusst oder unbewusst, bestimmte ethische Grundannahmen zugrunde.
„Soll sich der Naturschutz auf solche Kalkulationen einlassen? Wie zuverlässig sind sie? Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang die ethischen und ästhetischen Werte biologischer und landschaftlicher Vielfalt?“ fragt Prof. Beate Jessel. Um Antworten hierauf zu finden, wurden Ökonomen, Ethiker, Politikerinnen und Poltiker, Journalisten sowie Vertreterinnen und Vertreter von Naturschutzverbänden eingeladen.
Ökonomen schlagen etwa vor, die Bedeutung der ethischen Verpflichtung zur Erhaltung biologischer Vielfalt als Wert an Sich mit Hilfe von Zahlungsbereitschaften zu erfassen. Anfang der 90er Jahre ergaben Untersuchungen, dass Haushalte bereit wären, durchschnittlich ca. 100 € pro Jahr für mehr Naturschutz zu zahlen. Zwischenergebnisse einer laufenden Untersuchung deuten auf deutlich gestiegene Werte hin. Sie würden die Kosten auch ambitionierter Programme weit übersteigen. Was sagen Ethiker zur Zulässigkeit solcher Bewertungen, nehmen Naturschutzverbände solche Argumente auf, nehmen Politiker sie wahr?
Für die BfN-Präsidentin ist die Tagung ein wichtiges Element, um mit den Ergebnissen die Politik fachkundig zu beraten. „Wir brauchen Argumente für den Wert der Natur, die ethisch, ökologisch und ökonomisch auf wissenschaftlich valider Basis stehen und von den Adressaten in Gesellschaft, Politik und Verwaltung auch akzeptiert werden.“ (BfN)
|
|
|
|
|