Die Braunkohleanlagen dort stießen die größte Menge an giftigem Feinstaub aus, wie die Universität Stuttgart in einer von
Greenpeace in Auftrag gegebenen Studie herausfand. Mit der Untersuchung könnten die Gesundheitsrisiken der Kohlekraftwerke in Deutschland erstmals scharf bestimmt werden, sagte der Energie-Experte von Greenpeace, Gerald Neubauer, bei der Vorstellung der Studie am Mittwoch in Berlin.
Die gesundheitsschädlichen Schadstoffe aus den Schloten der untersuchten 67 leistungsstärksten Kohlekraftwerke führten den Forschern zufolge in Deutschland zu mehr Krankheiten und statistisch gesehen zu einer kürzeren Lebensdauer. 30 bis 40 Prozent der giftigen Emissionen würden mit Winden aus Nachbarländern nach Deutschland geweht, sagte Mitautor Rainer Friedrich von der Universität Stuttgart.
Mittels einer Modellrechnung kommen die Autoren der Studie zu dem Ergebnis, dass die Stoffe aus den untersuchten Kohleschloten jährlich den Verlust von insgesamt 33.000 Lebensjahren in Deutschland verursachen. Außerdem fielen jedes Jahr rund 700.000 Arbeitstage aus, weil Beschäftigte an Atemwegsleiden, Lungenkrebs oder Asthmaanfällen erkrankten oder Herzinfarkte erlitten. Sicher sei letztlich aber nur ein statistischer Zusammenhang zwischen diesen Krankheiten und dem Feinstaub, sagte Friedrich. Ob die Schlote unmittelbare Ursache seien, könne man nicht mit absoluter Sicherheit sagen.
«Man kann bestimmte Krankheitsfälle Kraftwerken zuordnen», sagte ein Sprecher des Umweltbundesamtes über die Greenpeace-Studie. Ob man daraus die zugespitzte Aussagen ableiten könne, dass statistisch gesehen 3.100 Menschen vorzeitig stürben, wie die Organisation in ihrer Pressemitteilung vom Mittwoch schreibt, sei aber fraglich.
Das Umweltbundesamt hat Zweifel, ob sich die Feinstaub-Werte auf solche absoluten Todeszahlen zuspitzen lassen. Sicher gebe es zwischen den gemessenen Schadstoffen und der Zahl der Erkrankungen einen Zusammenhang, sagt Umweltbundesamt-Sprecher Stephan Gabriel Haufe. «Die Frage ist, ob man solche scharfen Aussagen und solche direkten Zuordnungen machen kann.» Andere Wissenschaftler, die sich nicht namentlich zitieren lassen wollten, äußerten auch erhebliche Zweifel an der statistischen Methodik und den Schlussfolgerungen.
Selbst der Mitautor der Studie Friedrich ist wegen statistischer Schwankungen vorsichtig, wenn es um die Umrechnung in exakte Zahlen geht. «Die Zahlen sind unsicher», räumt er bei der Vorstellung der Studie in Berlin ein - und sagt dann den kryptischen Satz: «Eigentlich ist es so, dass die Schlussfolgerungen möglicherweise trotz dieser Unsicherheit dann vielleicht gültig bleiben.» Außerdem wehten 30 bis 40 Prozent des in Deutschland gemessenen Feinstaubs aus benachbarten Ländern herüber. Mit einem deutschen Kohleausstieg wäre das Problem also nicht gelöst.
Dass Feinstaub zu Atemwegsleiden, Lungenkrebs, Asthmaanfällen und Herzinfarkten führen kann, ist unstrittig, ebenso der Umstand, dass Kohlekraftwerke durch ihren hohen Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) im Vergleich zu Energie aus Sonne, Windkraft und Wasser Dreckschleudern sind. Nur beiläufig wird aber erwähnt, dass die Kohleschlote laut Friedrich lediglich 13 Prozent des Feinstaubs in Deutschland ausmachen, während Straßenverkehr und Landwirtschaft für weitaus mehr Emissionen der giftigen Staubpartikel verantwortlich sind. Laut Umweltbundesamt betrug der Anteil der von Kohlekraftwerken ausgestoßenen Partikel unter 2,5 Mikrometer Durchmesser im Jahr 2010 sogar nur knapp 6 Prozent.
Gerald Neubauer von Greenpeace räumt immerhin ein: «Wir wollten keine Gesamterhebung der Feinstaub-Problematik als solche machen.»