Vorsprung durch Wissen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
09.01.2016 | 15:14 | Wilddiebe stoppen 

Deutsche und Italiener gemeinsam gegen illegale Vogeljagd

Mailand - Das Rotkehlchen flattert aufgeregt mit den Flügeln, seine Augen sind qualvoll und panisch aufgerissen. Die feinen Halsfedern reiben an dem Fangnetz, das ein Wilderer aufgestellt hat und das es am Weiterflug hindert - solche Szenen sind in Europa nicht selten.

Singvögel in Italien
Millionen von Vögeln verenden jedes Jahr qualvoll bei der Jagd. In Italien ist seit rund 40 Jahren eine deutsche Organisation im Einsatz, um zusammen mit der italienischen Forstpolizei die Wilddiebe zu stoppen. (c) proplanta
Die illegale Vogeljagd ist weit verbreitet und gefährdet viele Vogelarten, besonders in Italien. Dort kämpfen Deutsche seit langem gemeinsam mit der italienischen Forstpolizei gegen das Töten.

«Die Tradition des Vogelfangs kommt aus Italien, und gleichzeitig ist Italien das Land, das am meisten dagegen vorgeht», sagt Andrea Rutigliano. Der Italiener arbeitet für die deutsche Organisation «Komitee gegen den Vogelmord» im Mittelmeerraum. «Aber am besten kämpfen Deutsche und Italiener zusammen.» Schon im Kindesalter zog er Waisenvögel auf. Während der Zugsaison und wenn die Tiere überwintern, ändert er seinen Schlafrhythmus. Nachts stellt er illegale Wilderer, tagsüber erholt er sich.

Bogenfallen, Fangkäfige, Leimruten, Netze oder sogar vom Himmel geschossen: Rund 5 bis 8 Millionen Vögel sterben jährlich einen qualvollen Tod durch die illegale Jagd in Italien, in ganz Europa sind es 20 bis 25 Millionen. Die internationale Naturschutzorganisation Birdlife stuft Italien als diesbezüglich schlimmstes Land nach Ägypten ein. «In Italien gelten Singvögel als Delikatesse», sagt Alexander Heyd, Geschäftsführer des «Komitees gegen den Vogelmord». Die Auswirkungen des Vogelwilderns sind dramatisch, vor allem für besonders bedrohte Arten wie Wespenbussarde, Habichtsadler und Steinschmätzer.

Das gefährdete Braunkehlchen ist eine italienische Spezialität. Aber auch Drosseln und Rotkehlchen stehen auf der Abschussliste. Besonders die Regionen Lombardei, Venetien, Kampanien, Kalabrien und Apulien sind in Italien betroffen.

Das Geschäft der Wilderer hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Während früher viele für eine Mahlzeit im eigenen Haus auf die Jagd gingen, ist das Jagen in den vergangenen Jahren immer kommerzieller geworden. So verkaufen viele Wilddiebe ihren Fang an Restaurants, Jäger, welche die Vögel als Köder benutzen, und Händler.

Laut Claudio Marucci, Chef der Anti-Wilderer-Einheit der Forstpolizei, ist dies gerade während der Wirtschaftskrise und zu Zeiten hoher Arbeitslosigkeit für viele zu einem lukrativen Geschäft geworden. Nach Angaben der Organisation «Caccia il Cacciatore» («Jagt  den Jäger») kostet ein Fink auf dem Schwarzmarkt bis zu 100 Euro.

Schon seit 1975 ist die Bonner Organisation «Komitee gegen den Vogelmord» in Italien unterwegs. Mit etwa 400 Freiwilligen und mehreren Partnerorganisationen wie dem World Wide Fund for Nature (WWF) sowie der Forstpolizei im Rücken liegen sie nachts auf der Lauer, um illegale Wilderer festzunehmen. Der Corpo Forestale, die italienische Forstpolizei, ist eine bewaffnete, hochspezialisierte und sehr gut ausgebildete Einheit, die sich um Tier- und Naturschutz kümmert. «Die Zusammenarbeit ist exzellent», sagt Claudio Marucci. «Nachdem die Freiwilligen die illegalen Wilderer gefunden haben, bringen wir sie vor Gericht», fügt er hinzu. Dort erwarten die Vogeljäger Geldstrafen zwischen 300 und 2.000 Euro.

In den vergangenen Jahren hat sich einiges geändert. Die Gesetze wurden immer strenger, Jagdzeiten beschränkt und die Zahl der legalen Fanganlagen extrem reduziert. In Italien arbeiten die Behörden im Gegensatz zu anderen Ländern eng mit Organisationen wie dem «Komitee» zusammen, sagt Heyd. In diesem Jahr hat die Organisation rund 500 Bogenfallen eingesammelt, vor 15 Jahren waren es noch 15.000. «Im Jahr stellen wir etwa 80 Personen», sagt Heyd.

Doch im Zuge der Sparmaßnahmen der italienischen Regierung soll die Forstpolizei abgeschafft werden. «Das ist ein schwerer Schlag für uns», sagt Heyd. Denn der Forstpolizei seien viele der Fortschritte zu verdanken. Heute, schätzt Heyd, seien nur noch etwa 650.000 der einst mehr als zwei Millionen Jäger aktiv, die Zahl der Wilddiebe schätzt er auf 25.000. «Die große Aufgabe für die Zukunft», sagt Claudio Marucci, «liegt darin, die nachfolgenden Generationen über die Wichtigkeit von Umwelt- und Tierschutz aufzuklären.»
dpa
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Geflügelpest auch am Cospudener See bei Leipzig nachgewiesen

 Nicht genug Vogelschutz: Brüssel eröffnet Verfahren gegen Deutschland

  Kommentierte Artikel

 Wundermittel und Jahrhundertgift PFAS: Derselbe Circus - andere Clowns

 Deutsche Verbraucher offen für abgelaufene Lebensmittel

 Brandenburger Dackel wohl von Wolf angegriffen

 Tag des Wolfes - Bauern machen Druck für vereinfachten Abschuss

 Erleichterungen bei GAP-Anträgen und Hanfanbau

 In der Corona-Pandemie wurden zu oft Antibiotika verschrieben

 Jäger sehen dringenden Handlungsbedarf bei Umgang mit Wölfen

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein