Touristen lieben die majestätisch wirkenden Schreitvögel. Die Bauern warten dagegen sehnsüchtig darauf, dass die «Plagegeister» Ende Februar bis Anfang März endlich wieder den Abflug nach Europa machen.
Die Schnäbel der Kraniche stehen von 4.00 Uhr morgens bis zwei Stunden nach Sonnenuntergang praktisch nicht still. «Sie sprechen die ganze Zeit, das hält die Gemeinschaft zusammen», sagt Nadav Israeli, Leiter des Vogelzentrums im Hula-Naturschutzgebiet.
Aber die bis zu 5,5 Kilo schweren Vögel sind nicht nur ungemein kommunikativ, sie fressen auch gern. Kichererbsen sind beispielsweise eine Delikatesse. Und genau hier bahnt sich ein jährlich wiederkehrende Konflikt an - zwischen den Zugvögeln, Ornithologen, Naturschützern und der Tourismusindustrie einerseits sowie Bauern, die um ihre Ernte fürchten, andererseits. «In den Augen der Bauern sind sie eine Pest wie Nager», sagt Israeli.
Ein brüchiger Frieden herrscht derzeit zwischen den Streitparteien. Dieser basiert auf einem vielerorts wirksamen Mittel: Bestechung. Die Kranich-Kolonie bekam nämlich ein Quartier für die Winterferien mit Halbpension reserviert. Wenn ein
Traktor das Futter auf ein riesiges, brachliegendes Feld bringt, nimmt der Lärm von Zehntausenden aufgeregten Vögel noch um ein paar Dezibel zu. «Fünf bis sechs Tonnen Mais jeden Tag», sagt Israeli.
Der Ornithologe schildert die Fütterung der wilden Vögel als eine Art Selbstverteidigung. «Wir füttern sie hier, damit sie nicht andere Felder abfressen. Kraniche sind sehr soziale Vögel. Wenn drei Vögel in einem Feld stehen, dann kommen binnen einer Stunde tausende hinzu. 'Oh, die haben da Spaß, lass uns mal dahin fliegen', scheinen sie zu denken», erklärt der 32-Jährige.
Rund 1,7 Millionen Schekel (340.000 Euro) kostet das Kranich-Projekt jedes Jahr. Die Bauern, die Nationalparkbehörde und das Landwirtschaftsministerium teilten sich das Geld, sagt Israeli. Außerdem zahlt jeder Tourist 60 Cent Aufschlag auf den Eintritt.
Die grundsätzliche Skepsis der Bauern ist geblieben. 1999 seien es 5.000 Kraniche gewesen und jetzt 31.000. «Was passiert, wenn 40.000 oder 50.000 kommen?» lautet die besorgte Frage. «Wir füttern nicht, um sie anzulocken», sagt Naturschützer Israeli. Gefüttert würden nur Vögel, die den ganzen Winter über blieben - die Ansässigen sozusagen.
500 Millionen Zugvögel ziehen zwei Mal im Jahr über Israel hinweg oder tanken hier Kraft für den Weiterflug. «Israel ist eine Art Brückenkopf auf dem Weg nach Afrika. Sie ruhen sich hier aus und suchen Nahrung, weil vor ihnen 3.000 Kilometer Wüste liegen», erklärt Israeli. «Wir schätzen, dass 80 bis 100.000 Kraniche aus Europa kommen», sagt er. Mehr als 30.000 überwinterten. «Die stärksten Kraniche bleiben wahrscheinlich und sichern sich die besten Plätze. Die schwächeren fliegen weiter in den Sudan oder nach Äthiopien», sagt Israeli.
Unter Touristen hat sich das Kranich-Spektakel längst herumgesprochen. Ein Traktor zieht einen Wagen, der einer Presse-Tribüne gleicht, zur Foto-Safari direkt hinein in die Kolonie. Die Kraniche nehmen es scheinbar gelassen.
Noch sieht im Hula-Tal nichts nach baldigem Aufbruch aus. Allerdings tickt eine Art innere Uhr. Ende Februar/Anfang März fliegen die Vögel nach Europa und in den ersten beiden Oktoberwochen kehrt der Kranich-Tross wieder zurück. «Während dieser Zeit geht es hier im Hula-Tal zu wie auf einem Busbahnhof», sagt Israeli. (dpa)