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29.04.2016 | 08:42 | Wolfsmanagement 

Erster Wolf wegen mangelnder Scheu erschossen

Hannover / Munster  - Wölfe sind meist scheu - dieser eine jedoch nicht. Der «Kurti» genannte Wolf MT6 aus dem Rudel bei Munster in Niedersachsen kam den Menschen zu nah, soll sogar einen Hund gebissen haben.

Wölfe in Deutschland
Der Wolf MT6 zeigte kaum Scheu vor Menschen. Darum wurde der auch «Kurti» genannte Rüde als Gefahr eingestuft - und nun erschossen. Es war das erste Mal bundesweit seit Rückkehr der Tiere, dass ein Wolf wegen auffälligen Verhaltens getötet wurde. (c) proplanta

Am Mittwochabend wurde das Tier getötet, wie das Umweltministerium des Landes am Donnerstag mitteilte. Ursprünglich sollte der Rüde eingefangen und in ein Gehege gebracht werden. Dann hieß es, er solle betäubt und dann eingeschläfert werden.

Nun wurde er abgeschossen - das Ministerium meldete: «letal entnommen». Nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz war es der erste Wolf bundesweit seit Rückkehr der Tiere, der wegen auffälligen Verhaltens getötet wurde.

War Kurti wirklich so gefährlich? Für Schlagzeilen sorgte er jedenfalls schon länger: Immer wieder näherte er sich in den vergangenen Monaten Menschen bis auf wenige Meter. Mitte Februar war er einer Spaziergängerin mit Kinderwagen und Hund hinterhergelaufen.

Auch soll er sich an einem Zaun der Flüchtlingsunterkunft in Bad Fallingbostel zum Schlafen hingelegt haben. Dann wurde am Wochenende im Landkreis Celle der angeleinte Hund einer dreiköpfigen Familie von einem Wolf mit Sendehalsband gebissen. Das Ministerium macht Kurti verantwortlich: Es gebe nur zwei Wölfe mit Sendern in Niedersachsen, hieß es.

«Die Sicherheit des Menschen steht immer an erster Stelle», hatte Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) schon mehrfach betont. Die Tötung des Wolfs sei aber das letzte Mittel. Versuche eines schwedischen Experten, den Wolf zu vergrämen und ihn so auf Dauer vom Menschen fernzuhalten, schlugen allerdings fehl. Und nun ist es endgültig: Kurti ist tot.

Der erste Wolf, der in Niedersachsen in den vergangenen Jahren gewaltsam zu Tode kam, ist Kurti allerdings nicht. Nach Angaben des Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) wurden bereits in den Jahren 2003 und 2007 Wölfe in Niedersachsen erschossen. So berief sich 2003 ein Jäger im Landkreis Hildesheim auf Notwehr, als er einen ausgebrochenen Gehegewolf tötete. 2007 töteten Jäger einen wildlebenden Wolf im Landkreis Lüchow-Dannenberg. Mehrere Tiere wurden seither zudem im Straßenverkehr getötet - der Landesbetrieb listet bis April neun Fälle auf.

Bundesweit mussten nach Auskunft des Bundesamtes für Naturschutz bereits mehrere Wölfe eingeschläfert werden, weil sie verletzt waren, meist nach Autounfällen. «Das Einschläfern erfolgt in solchen Fällen nach eingehender tierärztlicher Untersuchung und mit Genehmigung der Naturschutzbehörde», erklärte eine Sprecherin. 

Wolfsexperte Frank Faß, Leiter des Wolfcenters Dörverden, zeigte Verständnis für die Tötung Kurtis. «Man darf vielleicht sogar von einer gewissen historischen Entscheidung im bundesdeutschen Wolfsmanagement sprechen», sagte er. «Es gilt, die Entscheidung des niedersächsischen Umweltministers Stefan Wenzel und der Staatssekretärin Almuth Kottwitz zu würdigen und mitzutragen.» Faß nannte in diesem Zusammenhang den Wolf die «heilige Kuh des Artenschutzes».

Auch die Landesjägerschaft begrüßte den Schritt. «Aus unserer Sicht war die Entscheidung des Umweltministeriums richtig», sagte Sprecher Florian Rölfing. «Eine dauerhafte Unterbringung des Wolfes in einem Gehege wäre aus Tierschutzsicht fragwürdig gewesen», hatte er zuvor erklärt. Ein in Freiheit aufgewachsenes Wildtier wie der Wolf werde sich an ein Gehege nicht gewöhnen.

In einer gemeinsamen Stellungnahme äußerten die Naturschutzverbände IFAW, Nabu und WWF zwar Bedauern über den Tod des Wolfes, zeigten aber Verständnis für die Entscheidung. MT6 habe durch sein auffälliges Verhalten ein nicht mehr zu kalkulierendes Risiko dargestellt, hieß es. Einzelne auffällige Wölfe dürften nicht die Akzeptanz der ganzen Art in der Bevölkerung gefährden.

Das Beispiel des Wolfs zeige, dass der Umgang mit Wildtieren im Verhältnis von Mensch und Natur immer wieder auch zu Konflikten führen könne, sagte Minister Wenzel. «Über den Ausgang der Maßnahme kann sich niemand freuen», betonte er. «Vielmehr muss das Schicksal des Wolfs aus dem Munsteraner Rudel dazu beitragen, unser Wissen über die Wildtiere zu vermehren und weiterhin mit guten Argumenten und großem Engagement für deren Akzeptanz in der Bevölkerung zu werben.»


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dpa
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