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24.09.2014 | 18:09 | Mecklenburgische Seenplatte 

Ex-Zoo-Bären dürfen an Plauer See ziehen

Stuer - Lothar, Sindi, Siggi, Balou oder die fast blinde Susi - sie alle haben ein hartes Bärenleben hinter sich. Jetzt genießen sie in einem Wald auf halber Strecke zwischen Berlin und Hamburg ihr neues Zuhause. Und sie können das Gebrüll eines Tatort-Kommissar hören.

Bären
(c) proplanta
Es ist ein idyllisches Fleckchen Erde an der Mecklenburgischen Seenplatte: 16 Hektar Wald mit Wiesen und einem kleinen Bach mittendrin. Nur eines wirkt erst befremdlich: Die Fußwege links und rechts werden von Meter hohen stabilen Eisenzäunen und zusätzlich elektrischen Weidezäunen flankiert.

Das Areal bei Stuer am Plauer See ist eines der größten Bärengehege Europas und wird von der Tierschutzorganisation Vier Pfoten (Hamburg) betreut. «Der Bärenwald ist ein perfekter Altersruhesitz für Braunbären», sagt Cheftierpflegerin Sabine Steinmeier. «Es ist wie betreutes Wohnen für die Tiere.» 19 Bären - von 11 bis 33 Jahre alt - haben hier ein Zuhause gefunden.

Die Tiere wurden alle in Gefangenschaft geboren. Tierschützer holten sie nach Stuer, weil sie unter schlechten Bedingungen in engen Zirkuswagen, kleinen Zoos oder privaten Tiergehegen lebten, erzählt Steinmeier. Um die Stiftung zu unterstützen, kommen auch Schauspieler und füttern die Bären. An diesem Mittwoch hat sich «Bärenbotschafter» Andreas Hoppe, der an der Seite von Ulrike Folkert den Ludwigshafener Tatort-Kommissar Mario Kopper spielt, angesagt. Er wolle auch brüllen wie ein Bär.

In der «Bären-Residenz» finden die Tiere einen Lebensraum, der ihren natürlichen Bedürfnissen entspricht. Jeder Bär hat theoretisch eine Fläche so groß wie ein Fußballplatz. Optimale Voraussetzungen für die Tiere, ihr natürliches Verhalten wieder zu entdecken und auszuleben, sich den eigenen Tagesablauf zu schaffen. «Wie in freier Wildbahn verbringt der Bär den Großteil des Tages mit Suche nach Nahrung», erzählt Steinmeier. Dazu gehöre auch, dass sich Bären am Ende des Jahres selbst Höhlen für den Winterschlaf bauen.

Die ersten Bewohner waren Lothar und Sindi. Ausgeprägte Augenwulste und starke Nackenmuskulatur verleihen den Geschwistern einen finsteren Ausdruck. Als niedliche Baby-Bären hatten sie 1990 Gäste der Landesgartenschau im baden-württembergischen Sindelfingen erfreut. Danach lebten sie 16 Jahre in einem kleinen Gehege im Schwarzwaldpark Löffingen. Seit 2006 haben sie ihre natürlichen Instinkte in Stuer wiederentdeckt, wie die Tierpflegerin sagt. Wirke Sindi auch heute noch scheu und zurückhaltend, trete ihr Bruder Lothar aufgeschlossen, neugierig und voller Selbstbewusstsein auf.

Auch der 23-jährige Siggi ist im Bärenwald zum richtigen Bären geworden. Er kam 2012 mit Sohn Balou dorthin. Sein kräftiges Gebiss mit normalerweise 10 bis 15 Zentimeter langen Zähnen war durch jahrelange Fehlernährung und ständiges Beißen an Gitterstäben des Geheges zu kurzen Stumpen abgekaut, erzählt Melitta Töller von Vier Pfoten. Siggi lebte in seinem neuen Zuhause auf. Er geht gern mutig voraus, probiert Neues aus und liebt es, wenn der zwei Kopf größerer Sohn Balou - mit 2,20 Meter und stattlichen 300 Kilogramm der größte Bär in Stuer - ihn zum Spielen animiert oder zu einem Ringkampf herausfordert.

Die Bären Ben und Felix sind unzertrennlich und lieben es, sich zu balgen. Der dreibeinige Michal - ein Bein hat er vor Jahren in einem polnischen Zoo bei einem Kampf verloren - teilt sich ein Gehege mit Bärin Tapsi. «Die beiden sind wie ein altes Ehepaar, auch ums Futter gibt es keinen Streit.» Bären sind von Natur aus Einzelgänger, sie kommen in Freiheit nur in der Paarungszeit zusammen, erklärt Steinmeier. Im Bärenpark leben sie in kleinen Gruppen zusammen, was sich positiv auf das Tierverhalten auswirkt: Durch die Beschäftigung miteinander nehmen zum Beispiel Verhaltensstörungen schneller ab.

«Das Zusammenleben der Bären klappt, weil ausreichend Futter vorhanden ist», erläutert Steinmeier. Das muss gar nicht mal so viel sein, denn im Frühjahr haben sie den sprichwörtlichen Bärenhunger noch nicht. Nach der Winterruhe reichen einem Bären ein, zwei Äpfeln pro Tag. Das ändere sich dann schnell. Im Herbst brauchen die Tiere täglich bis zu 20 Kilogramm Futter. «80 Prozent sind Obst und Gemüse, der Rest Fisch und Fleisch», sagt Steinmeier.

Im Gegensatz zu Tierparks gibt es in Stuer keine Schaufütterung. Es gebe weder feste Fütterungszeiten noch Futterplätze. Die Tierpfleger verteilen das Futter im Gelände. Es werde auf Holzstäbe gesteckt oder an Seile gehängt, in Kästen versteckt oder in Bälle gefüllt - der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Die Bären müssen suchen, wo sie etwas zu Fressen finden.

«Wer schneller ist, kriegt die leckeren Sachen und vielleicht auch etwas mehr, satt werden aber alle», sagt Steinmeier. Notfalls würden Tiere auch separat gefüttert wie Susi, die Seniorin. Die 33 Jahre alte Bärin ist fast blind und taub und bekommt ihr Futter, wo sie gerade ist, damit sie es auch findet.

Wird es für die Bärenwald-Bewohner irgendwann ein Leben ganz in Freiheit geben? «Mit Sicherheit Nein», sagt die Tierpflegerin. «Es würde keinen Sinn machen, sie auszuwildern. Sie lebten viele Jahre in Tierparks und würden ihr Futter immer bei Menschen suchen und so bei ihnen Angst auslösen.» Ganz im Gegensatz zu wilden Bären, denn «ein Wildtier weicht dem Menschen wenn möglich immer aus», weiß sie. So würden Wanderer in Alaska sich extra «Bären-Glöckchen» ans Bein binden, um Grizzlys und andere Bären möglichst früh zu warnen.

Das Bärenschutzzentrum ist das einzige in Norddeutschland. Es bietet Platz für zwei Dutzend Braunbären. Bundesweit lebten noch etwa 20 Braunbären in katastrophalen Verhältnissen, sagt Töller. Dazu kämen die letzten «fünf Zirkus-Bären in Deutschland», um die man sich bemühe. In Stuer arbeiten elf Mitarbeiter. Der Bärenwald finanziert sich ausschließlich über Spenden und Eintrittsgelder. Allein die Futterkosten summieren sich auf 120.000 Euro im Jahr. Jährlich kommen rund 60.000 Gäste. In Deutschland gibt es noch Bärenparks in Worbis (Thüringen) und in Bad Rippoldsau (Baden-Württemberg). (dpa)
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