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25.03.2009 | 10:14 | Umwelt 

Grenzüberschreitende Netzwerke für Lachs, Fischotter & Co.

Dresden - Vor allem in dichtbesiedelten Räumen haben es empfindliche Tier- und Pflanzenarten schwer.

Grenzüberschreitende Netzwerke
(c) proplanta
Verkehrstrassen und Siedlungen zerschneiden die Landschaft, wertvolle Biotope verinseln dadurch immer mehr. Ein anhaltender Rückgang der Artenvielfalt ist die Folge. Mit dem Konzept des Biotopverbunds bemüht man sich in Deutschland, Lebensräume wieder miteinander zu vernetzen. Doch funktioniert das auch über Deutschlands Außengrenzen hinweg? Und welche Faktoren bestimmen den Erfolg bei dieser Art grenzüberschreitender Zusammenarbeit? Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung (IÖR) untersuchten jetzt umfassend grenzüberschreitende Biotopverbund-Kooperationsprojekte.

Entlang der deutschen Außengrenze gibt es rund 30 grenzüberschreitende Kooperationsprojekte, die sich zwischen 2003 und 2007 mit der Etablierung von Biotopverbünden beschäftigt haben - davon deutlich mehr im Grenzgebiet zu den westlichen Nachbarstaaten als an den östlichen Grenzen. Im Hinblick auf Art und Größe des Kooperationsraums, Ziele, Inhalte, Beteiligte vor Ort und die Finanzierung weisen sie große Unterschiede auf. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass die Zusammenarbeit immer auf Freiwilligkeit beruht. Der beträchtliche Kooperationsaufwand wird umso weniger gescheut, je größer die ökologischen Problemlagen vor Ort sind - zum Beispiel durch sehr hohen Siedlungsdruck oder Gewässerverschmutzung.

Ein prominentes Beispiel der untersuchten Kooperationsprojekte ist der Biotopverbund am Rhein. Auch hier bestehen gravierende ökologische Probleme. Bebauung, intensive Nutzung der Ufer, die Begradigung des Flusslaufs und die vielen Flussbauwerke beeinträchtigen das Ökosystem des Flusses sehr. Besonders wandernde Tierarten wie der Lachs waren daher jahrzehntelang auf dem Rückzug.

Ziel ist es nun insbesondere, bis 2020 wieder einen stabilen Lachsbestand zu etablieren. "Inzwischen ist bereits viel passiert. Diverse Fischpässe wurden angelegt, an den Nebenflüssen wurden ebenfalls zahlreiche Wehre umgestaltet oder komplett geschleift, außerdem wurden in vielen Bereichen die Ufer umgestaltet", sagt Dr. Markus Leibenath vom IÖR. Und weiter: "Diese Erfolge basieren maßgeblich auf der Arbeit der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins, aber auch vieler Akteure auf regionaler und lokaler Ebene."

Die Kommission wurde bereits 1963 ins Leben gerufen und ist per Staatsvertrag legitimiert. Seit dem schweren Chemieunfall im Sandoz-Werk 1986 verfolgt sie immer stärker das Ziel, das Ökosystem Rhein lebendig und gesund zu erhalten. Dank ihrer formellen Gremien und Entscheidungsstrukturen können Anforderungen eines Biotopverbundes besser durchgesetzt werden. "Die Kommission bildet eine formale Kooperationsplattform. Das erleichtert die Arbeit für Behörden und Naturschutzverbände enorm", so Markus Leibenath.

So wie am Rhein, wo der Biotopverbund von einem breiten politischen Engagement der betroffenen Nachbarstaaten profitieren kann, stellt sich die Situation längst nicht überall dar. Ganz anders sieht es zum Beispiel an der bayerisch-tschechischen Grenze aus. Das wesentlich von einer einzelnen Wissenschaftlerin initiierte Projekt "Otterbahnen nach Oberfranken" will dazu beitragen, die im benachbarten Tschechien noch zahlreicher vertretenen Fischotter nach Oberfranken und dann auf eine Ost-West-Wanderachse bis in die Benelux-Länder zu lotsen.

Dazu müssen Trittsteinbiotope geschaffen werden, die die Weibchen zur Aufzucht ihrer Jungen benötigen. Problematisch ist, dass Fischotter existierende Straßenunterquerungen häufig nicht annehmen. In der Folge fallen viele "Einwanderer" dem Straßenverkehr zum Opfer. Die von deutscher Seite angestoßene grenzüberschreitende Kooperation kann zwar einerseits an die bereits seit längerem bestehenden Aktivitäten der Tschechischen Otterstiftung anknüpfen. Zugleich ist dieses Projekt aber ein gutes Beispiel für die zentrale Bedeutung einzelner Akteure und deren Kompetenzen in der alltäglichen Zusammenarbeit.

So ist das Projekt ohne größeren institutionellen Rahmen beispielsweise auf individuelle Fremdsprachenkenntnisse und ein hohes persönliches Engagement der beteiligten Akteure angewiesen. Dadurch wird es sehr anfällig für einen Wechsel der Ansprechpartner auf der einen oder anderen Seite der Grenze.

"Insgesamt zeichnen sich sehr deutlich zentrale Erfolgsfaktoren für grenzüberschreitende Biotopverbundprojekte ab", fasst Markus Leibenath die Arbeit des Forschungsteams zusammen. Zum einen können internationale Institutionen den Projekten den nötigen formalen Rahmen geben. Zum anderen tragen gut organisierte, starke Naturschutzverbände zum Gelingen von grenzüberschreitenden Biotopverbundprojekten bei. Auch das hohe Engagement einzelner Personen ist ein bedeutender Erfolgsfaktor. Oft sind es auch wirtschaftliche Ziele, wie die Förderung des Tourismus, die den Weg für Biotopverbundprojekte frei machen.

Es zeigte sich, dass Biotopverbünde in Grenzräumen vor allem da vorangebracht werden, wo die Dichte und Qualität grenzüberschreitender Institutionen hoch ist. (idw)
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