In NRW wiederum wird im Mai ein neuer Landtag gewählt, der wichtigste Stimmungstest vor der
Bundestagswahl im Herbst. Keiner - weder die in Düsseldorf regierende SPD noch die
CDU - will es sich da mit den Kohle-Konzernen, Chemieriesen und Gewerkschaften verderben.
So ist es keine echte Überraschung, dass Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel seiner eigenen Umweltministerin Barbara Hendricks nun in die Parade fährt und ihren Entwurf des deutschen Klimaschutzplans kippt.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel spielte nicht mit. In der CDU sieht der Wirtschaftsflügel angesichts der Klima-Pläne aus dem Umweltministerin, der alle Bereiche der Wirtschaft zum CO2-Sparen verpflichten soll, schon den Niedergang der deutschen Wirtschaft nahen. So lassen Gabriel und Merkel Hendricks zappeln.
Dabei wirkte es doch, als sei alles in trockenen Tüchern - wenn auch nach monatelangem Gezerre, vielen wütenden Interviews und längst nicht so ehrgeizig, wie Hendricks sich das vorgestellt hatte. Nun soll es bis Freitag irgendwie hinhauen, damit Hendricks mit einem zwar nicht formell verabschiedeten, aber immerhin abgestimmten Plan zur UN-Konferenz nach Marrakesch fahren kann.
Kurzer Einwurf: Laut dem Klimaabkommen von Paris, das seit vergangener Woche in Kraft ist, müsste der Plan erst 2018 stehen. Aber im vergangenen Jahr in Paris hat die Bundesregierung mit breiter Brust angekündigt, bis zur Konferenz einen Plan zu haben. Kein Wunder, dass die Opposition über die «Blamage» schimpft.
Dazu kommt: Ausgerechnet Deutschland scheitert an den eigenen Zielen (40 Prozent weniger
CO2 als 1990), das selbst ernannte Musterland der Energiewende, in dem eine als Klimakanzlerin gefeierte Frau regiert, die selbst mal Umweltministerin war. Erst im vergangenen Jahr beim G7-Gipfel in Elmau hatte Merkel dafür gesorgt, dass der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas jetzt offizielles Ziel der wichtigen Industriestaaten ist.
Zwar soll es nicht hauptsächlich diese Klimakanzlerin gewesen sein, die eine koalitionsinterne Einigung aufschob, sondern vor allem ihr Vizekanzler - der ebenfalls mal Umweltminister war. Und der in Sachen Rabatt für die Kohle-Industrie Wiederholungstäter ist. Aber Regierungssprecher Steffen Seibert betonte am Mittwoch, es sei «die gemeinsame Entscheidung» gewesen.
Und die muss spät gefallen sein, denn in den Fraktionen war man noch am Dienstagnachmittag fest von einer Einigung ausgegangen. Hendricks ließ am Mittwoch über Facebook wissen, die Ressortabstimmung sei abgeschlossen gewesen.
Wo genau es hakt und warum die Parteichefs Nein sagten, will nun niemand verraten. «Detailfragen», mehr sagt das Gabriel-Haus nicht dazu. Aber aus Nordrhein-Westfalen und Brandenburg, beides SPD-regierte Braunkohle-Länder, war bis zuletzt der lauteste Protest zu hören. Auch andere Industriezweige, etwa Chemie und Stahl, hatten gegen den Klimaschutzplan Front gemacht.
Kritiker finden etwa die sogenannten Sektorziele überzogen, die CO2-Sparpläne bis 2030 mit Zahlen konkret machen. Bei der Union heißt es, wenn einzelne Branchen binnen 14 Jahren 40 Prozent weniger CO2 ausstoßen dürften, sei das ein toller Plan, um Firmen und Arbeitsplätze ins Ausland zu vertreiben.
Aber ist das nicht nur Lobbygeklingel? Umweltschützern waren die Formulierungen in den letzten Entwürfen schon viel zu schwach. Der Kohleausstieg zum Beispiel wurde gar nicht benannt, nur: «Die Kohleverstromung wird verringert.»
Sie befürchten nun, dass der ohnehin schon verwässerte Plan noch dünner wird, damit irgendwie bis zum Wochenende eine Einigung gelingt. Das aber dürfte auf dem internationalen Klima-Parkett ähnlich peinlich werden, wie gar keinen Plan zu haben.