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31.05.2021 | 13:15 | Dicke Brummer 

Maikäferschwärme machen Landwirten im Bayerischen Wald zu schaffen

Freyung - Siegfried Jäger steht auf seinem Hof im Bayerischen Wald unter einer Buche und zieht die Kapuze seines Anoraks über den Kopf.

Maikäfer
In der Dämmerung sind sie aktiv: Tausende Maikäfer schwärmen an sonnigen Tagen im Bayerischen Wald abends aus und werden zur Plage. Milchbauern sind besonders betroffen: Die Maikäfer-Larven machen die Wiesen kaputt - und die Kühe wollen was zu fressen haben. (c) unpict - fotolia.com
Dann greift er nach einem Ast, rüttelt kräftig daran und steht im Maikäfer-Regen. Wie Hagelkörner prasseln die Tierchen auf den Mann nieder. In Neureichenau im Landkreis Freyung-Grafenau, wo Jäger zuhause ist, gehören Maikäfer zurzeit zum Alltag - sehr zum Leidwesen vieler Bauern. Denn die Larven der Käfer fressen sich im Erdboden durch das Wurzelwerk der Wiesen, die dann großflächig absterben.

2021 ist in der Region ein Flugjahr für Maikäfer. Im dreijährlichen Zyklus tauchen die dicken, braunen Brummer dort auf. Ihr einziges Ziel: sich vermehren. Abend für Abend graben sich fertig entwickelte Maikäfer aus dem Boden aus; an warmen Tagen sind es Hunderte, die sich in dichten Schwärmen einen Platz in einem Baum suchen. Besonders beliebt sind Buchen, Ahorn oder Obstbäume. Manche Bäume sind regelrecht kahl gefressen.

Nach der Paarung legen die Weibchen in Wiesen ihre Eier ab. Die Käfer sterben nach etwa vier Wochen. Aus den Eiern schlüpfen wenig später die Larven - auch Engerlinge genannt - die drei Jahre lang im Boden leben, bis sie sich verpuppt und in Käfer verwandelt haben. Dann beginnt der Zyklus neu - in manchen Regionen dauert er vier Jahre.

Für Landwirte bedeute die Maikäfer-Saison im folgenden Jahr einen massiven Ernteausfall und Einbußen von bis zu 75 Prozent, sagt Jäger, der Kreisobmann beim Bayerischen Bauernverband (BBV) in Freyung ist. Wegen der kaputten Wiesen müssten Landwirte für mehrere Zehntausend Euro Futter für ihr Vieh zukaufen. Manche überlegten gar, die Landwirtschaft aufzugeben. Denn Wiesen kurzerhand in Ackerland umzuwidmen, sei gesetzlich nicht erlaubt.

Jäger fordert Hilfen von Behörden und aus der Politik. Er hatte schon dieses Jahr auf eine Zulassung für ein Schädlingsbekämpfungsmittel gehofft. Der Maikäfer habe sich in den vergangenen 20 Jahren stark vermehrt. Durch die Vielzahl der Larven je Maikäfer potenziere sich das Problem mit jedem Zyklus. Das betroffene Gebiet in Niederbayern werde immer größer. Auch im Allgäu und im Spessart beispielsweise hätten Milchbauern mit Schäden zu kämpfen.

Karl Haberzettl vom Bund Naturschutz (BN) in Passau pflichtet Jäger bei: Die Maikäfer seien für Landwirte ein riesengroßes Problem, sagt er. «Das sind Dimensionen, wie ich sie auch noch nicht erlebt habe.» Bis zu 200 Eier könne ein Weibchen legen. Eine Wiese halte 10 bis 15 Larven je Quadratmeter gut aus. In Spitzenzeiten seien es aber bis zu 150 Larven je Quadratmeter.

Wenn gegen die Käfer keine Chemie eingesetzt werden soll, müssten die Landwirte eine finanzielle Entschädigung für das abgestorbene Gras bekommen, findet Haberzettl. Der BN-Mann sieht aber durchaus auch im Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln eine Option - allerdings nur, wenn es gezielt auf Buchen oder Ahorn gesprüht werde. Denn von deren Blättern ernähren sich die Wiesen-Maikäfer, anders als Wald-Maikäfer, die in Eichen säßen und ihre Eier statt in Wiesen in den Waldboden legten.

Aus Sicht von Haberzettl könnten Buchen und andere bei den Käfern beliebte Bäume rechtzeitig vor dem Maikäferflug besprüht werden. Die Maikäfer-Population ließe sich auf diese Weise für etliche Jahre zumindest auf ein verträgliches Maß reduzieren. Die Käfer würden das Mittel über die Blätter aufnehmen und dadurch unfruchtbar gemacht. Das Gift komme auch im Kampf gegen den Eichenprozessionsspinner und gelegentlich bei Kartoffelkäfern zum Einsatz.

Haberzettl sagt, behelfsmäßig könnten Landwirte eine ganz feine Gülleschicht auf die Wiesen auftragen, denn: «Kein Maikäfer ist so blöd und legt seine Eier in die Gülle.» Dann könnten die Bauern aus dem Gras allerdings keine Silage mehr machen, sondern bestenfalls Heu. In Österreich gebe es Versuche, die Engerlinge mit Sommerroggen zu vertreiben. Dabei werde Roggen als sogenannte Deckfrucht auf den Wiesen angebaut. Zweck: die Engerlinge von den Graswurzeln ablenken.

Ganz früher, so sagt Haberzettl, habe man die Maikäfer mit der Hand aufgeklaubt und säckeweise ertränkt oder verbrannt. Oder die Bauern hätten Pferdemist und Holzasche auf den Wiesen verstreut um, die Käfer fernzuhalten. «Das alles macht heute keiner mehr.»

Ob Maikäfer irgendeinen Nutzen haben? Dachse, Igel und Wildschweine verspeisten gerne die Engerlinge, sagt Haberzettl. Große Vögel wie Stare oder Krähen pickten die Käfer aus der Wiese. Auch an Hühner könne man die Käfer verfüttern. Allerdings: «Spätestens nach dem siebten Maikäfer wird selbst einem Huhn schlecht.»

Auch im Landwirtschaftsministerium ist das Problem bekannt. Ein Sprecher verwies am Montag auf ein Fachgespräch kommende Woche. Da wollen sich Behördenvertreter mit Landwirten und Naturschützern zusammensetzen, um über eine Lösung für künftige Jahre zu sprechen.
dpa/lby
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