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10.04.2013 | 17:55 | Umweltskandal 

Mammutprozess um PFT-Umweltskandal vor leisem Ende

Paderborn - Drei Jahre wurde ermittelt, ein Jahr brauchte die Anklagezulassung, der Prozess schleppte sich über 15 Monate dahin. Jetzt steht das Verfahren um die Verseuchung von Trinkwasser und Böden mit der Chemikalie PFT vor dem Ende.

Klärschlamm
(c) proplanta
Der Umweltskandal war riesig, die Ermittlungen umfangreich und die Verhandlung vor dem Landgericht Paderborn bekam schon vor Beginn das Prädikat Mammutprozess. Jetzt steht dieser Prozess nach 15 Monaten vor dem Ende und es sieht nicht nach einem Urteil aus. Die überaus zähe Beweisaufnahme und zahlreiche praktische Probleme haben alle Beteiligten zermürbt. Voraussichtlich werden sie darum an diesem Donnerstag (11.4.) dem Vorschlag der Richterin Margret Manthey zustimmen, das Verfahren gegen Zahlung von Geldauflagen einzustellen.

PFT steht für einen der größten Umweltskandale in der Geschichte des bevölkerungsreichsten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Zehntausende Tonnen Klärschlamm soll ein Unternehmer in Borchen bei Paderborn aus Belgien und den Niederlanden importiert haben.

Die ursprünglich sechs Angeklagten hätten genau gewusst, dass es sich nicht nur um harmlose Schlämme aus der Lebensmittelindustrie handelte, hieß es in der Anklage. In Borchen habe der Unternehmer den Schlamm mit anderen Materialien vermischt und Landwirten in NRW, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern als «Bodenverbesserer» verkauft.

PFT sei gefährlich, betonte damals zum Prozessauftakt der Ankläger Oliver Brendel. Perfluorierte Tenside verbreiteten sich weltweit und seien schon in der Leber von Eisbären nachgewiesen worden. Das hörte sich griffig an, der Teufel steckt aber im Detail. Zahllose Fragen rund um die Chemikalie blieben im Prozess unklar, Gutachter waren sich nicht einig, verbindliche Grenzwerte gab es nicht und das Wissen um und über PFT war damals, als zumindest ab 2003 die Schlämme importiert wurden, noch geringer als heute.

Das in dem «Bodenverbesserer» enthaltene PFT wurde in die Ruhr und in die Möhne gespült. Der Kreis Soest ließ zwei Hektar Erde abfahren - Kosten: rund 2,3 Millionen Euro. Der Hochsauerlandkreis baute eine Drainage mit Aktivkohle-Filteranlage an einem anderen betroffenen Feld. Die Kosten, knapp 2,5 Millionen Euro, versuchte der Kreis beim möglichen Verursacher, der Firma aus Borchen, einzutreiben. Bislang vergebens. Das Verfahren liegt wie einige andere dieser Art beim Oberverwaltungsgericht Münster auf Eis.

Der Ruhrverband hat bei den Beschuldigten Kosten von über 70.000 Euro geltend gemacht. «Und die Umweltschäden kann man gar nicht beziffern», sagt Pressesprecher Markus Rüdel.

Der Umweltschutzverband BUND ist entsetzt über die wahrscheinliche Einstellung des Verfahrens. «Das wäre unglaublich, ein Armutszeugnis für den Umgang mit Umweltverschmutzungen», sagt der Landesvorsitzende Paul Kröfges. «Das war eine Brunnenvergiftung besonderen Ausmaßes.»

Die Angeklagten schweigen zu allem. Zu Beginn waren es sechs, ein Verfahren wurde zwischenzeitlich eingestellt. Die Staatsanwaltschaft spricht von bislang 55 Verhandlungstagen.

Wenn sich die Beteiligten am Donnerstag auf den zuvor abgesprochenen Vorschlag des Gerichts endgültig einlassen, ist das Verfahren vorerst vorbei. Die Gerichtskosten trägt in der Regel der Steuerzahler. Allerdings müssen die Beschuldigten die Geldauflagen auch erfüllen. Wenn nicht, lebt das Verfahren wieder auf. (dpa)
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