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23.12.2021 | 15:08 | Artenschutzprojekt 

Mehr Professionalität bei Wisent-Projekt gefordert

Bad Berleburg - Ein Gutachten zur Zukunft Deutschlands einziger freilebender Wisent-Herde hält eine Fortführung des Artenschutzprojektes im Rothaargebirge nur mit einem großen internationalen Projektpartner für möglich.

Bisonart
Wertvoller Artenschutz oder fehlplatzierte Waldschädlinge? Seit Wisente durch Südwestfalen streifen, gibt es Streit um sie. Wie es mit der Herde weitergehen kann, sollten Gutachter skizzieren: Sie sehen Gewinn für Forschung und Region, aber auch Management-Mängel. (c) proplanta
Es brauche ein besseres Herden- und Konfliktmanagement, außerdem müsse das Projekt intensiver wissenschaftlich begleitet werden als bislang, erläuterte Oliver Keuling vom Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung an der Tierärztlichen Hochschule Hannover am Mittwoch in Bad Berleburg bei der Vorstellung der Analyse. Das könne ein kleiner Verein wie der bisherige nicht alleine stemmen. Vielmehr sei ein internationales Experten-Gremium einzubeziehen.

Außerdem brauche es eine auskömmliche Finanzierung von jährlich mindestens einer halben Million Euro - auch um die berechtigten Forderungen von Waldbesitzern auf Ausgleich ihrer Schäden durch die Wisente sicherzustellen. Keuling unterstrich gleichzeitig den «großen Modell- und Vorbildcharakter» des Wisent-Projektes mit seinem großen Nutzen für den Arterhalt der bedrohten Landsäuger sowie für den Tourismus in der Region.

Die einst heimischen zotteligen Riesen-Rinder waren in Europa lange so gut wie ausgestorben. Mithilfe von Auswilderungsprojekten und Zuchtprogrammen insbesondere in Osteuropa ist es inzwischen gelungen, die Population wieder auf 8.500 Tiere weltweit anwachsen zu lassen.

Schon zu Beginn der Auswilderung der Tiere im Rothaargebirge 2013 hatten die Beteiligten - darunter der Trägerverein des Wisentprojekts sowie der Kreis Siegen-Wittgenstein - in einem Vertrag vereinbart, das Projekt nach der Phase der Freisetzung auszuwerten, um dann über den Fortgang zu entscheiden. Das 176-seitige und vom NRW-Umweltministerium finanzierte Gutachten soll nun Grundlage für die möglichst zeitnahe Entscheidung sein, ob und in welcher Form Projekt fortgesetzt wird.

Seit Jahren gibt es Streit um das Projekt: Die inzwischen auf 25 Tiere angewachsene Herde streift nicht wie erwartet nur durch das Rothaargebirge, sondern auch durch das benachbarte Sauerland und nagt Buchenrinden auf den Grundstücken dortiger Waldbesitzer ab. Mehrere Gerichte bis zu Bundesrichtern in Karlsruhe haben sich schon mit der Schadenersatzklagen beschäftigt.

Einer Entscheidung durch die Justiz wolle man mit einer von möglichst vielen getragenen Lösung zuvorkommen, unterstrich NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU). Das Gutachten könne nun dabei helfen, das Artenschutzprojekt «auf der Erfolgsspur zu halten». Dazu müsse es aber gelingen, die Schwachstellen auszuräumen: «Das A und O für die Zukunft muss ein sehr starkes, klares Management der Herde sein, um die Konflikte zu den Waldbesitzern deutlich zu reduzieren», betonte Heinen Esser. In der Vergangenheit habe sie allerdings bei den klagenden Waldbauern Kompromissbereitschaft vermisst.

Wie verhärtet die Fronten sind, machte Schmallenbergs Bürgermeister Burkhard König deutlich, in dessen Kommune auch erzürnte Waldbesitzer leben: Schadensausgleich sei das eine, aber «die Waldbauern wollen ihre Buchen wachsen sehen», so der CDU-Politiker. Allein die seit Beginn entstandene ausgeglichene Schadenssumme von 600.000 Euro mache klar, dass das Projekt mit zu vielen Nachteilen verbunden sei, um es fortzusetzen.

Das Gutachten skizziert neben der Fortsetzung mit neuem Projektträger weitere Szenarien: Im Gegensatz zur weiter bestehenden Option einer Umsiedlung der Tiere in eine andere Region schlossen die Beteiligten sowohl den Abschuss als auch ein Großgatter um die Herde am Mittwoch aus.

Vertreter des ehrenamtlich geführten und allein mit einer handvoll hauptamtlichen Kräften operierenden Trägervereins machten deutlich, dass sie daran mithelfen wollen, die Defizite auszuräumen. «Wir haben gezeigt, dass freilebende Wisente in Westeuropa möglich sind», unterstrich Johannes Röhl aus dem Vorstand. Nun wolle man konstruktiv daran mitwirken, die Zukunft des Projektes zu gestalten.

Dazu gehöre auch, dass man sich bereits auf die Suche nach möglichen kompetenten Partnern gemacht habe: Bad Berleburgs Bürgermeister und Vorsitzender des Trägervereins des Wisent-Projekts, Bernd Fuhrmann (parteilos), erklärte, man sei bereits mit der Deutschen Wildtier Stiftung und dem Kölner Zoo als potenziellen Partnern im Gespräch.
dpa/lnw
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