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10.06.2015 | 10:02 | G7-Gipfel 

Merkel gibt Jahrhundertversprechen zum Klimaschutz

Berlin - Mit Versprechen ist es so eine Sache. Auf Schloss Elmau passte das neue G7-Ziel, «im Laufe dieses Jahrhunderts» auf die Nutzung von Öl, Kohle und Gas zu verzichten, wunderbar zur malerischen Alpenkulisse.

Angela Merkel
Kommt jetzt der Weltklimavertrag und eine wirksame Begrenzung der Erderwärmung? Skepsis ist angebracht nach den schönen Bildern und Worten der G7-Staaten aus Elmau. Denn schon einmal folgte auf die Klimaschutz-Euphorie nach einem solchen Gipfel der große Kater. (c) proplanta
Aber weder Angela Merkel noch Barack Obama werden als Politiker erleben, ob dieses hehre Ziel erreicht wird.

Norbert Röttgen (CDU), der als Bundesumweltminister nach der Atomkatastrophe von Fukushima die deutsche Energiewende angeschoben hat, prägte den Slogan, «Politik aus den Augen unserer Kinder» zu machen - also nicht nur kurzfristigen Erfolg beim Wähler im Blick zu haben. Die Krux der Klimapolitik ist, dass Erfolge kaum messbar sind.

Aber alles die nächste Generation ausbaden lassen? Röttgen war dabei, als 2011 in Durban (Südafrika) nach einem chaotischen Finale beschlossen wurde, dass es bis Ende 2015 beim Klimagipfel in Paris zu einem erstmaligen Weltklimavertrag für über 190 Staaten kommen soll.

Gibt es nun die Klimakanzlerin Angela Merkel (CDU) 2.0? Immerhin trotzte sie G7-Industriestaaten wie Japan, das wegen der zeitweiligen Abschaltung aller Atomkraftwerke vor allem auf Gas, Öl, und Kohle setzt, das Bekenntnis zur schrittweisen «Dekarbonisierung» ab. Also zur Abkehr von Energieträgern, die klimaschädliches Kohlendioxid verursachen. Doch auch wenn Umweltschützer feiern - erreicht ist nichts. Da hilft auch ein kleiner Rückblick in das Jahr 2009.

Im italienischen L'Aquila gab es eine ähnliche Aufbruchstimmung wie nun in Elmau. Auch damals stand ein entscheidender Klimagipfel an, der in Kopenhagen. Im Abschlussdokument der G8-Staaten (damals durfte Russland noch dabei sein) hieß es: «Wir erkennen den weit verbreiteten  wissenschaftlichen Standpunkt an, dass die globale Durchschnittstemperatur nicht um mehr als 2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau ansteigen sollte.»

Dazu sei es notwendig, «die globalen Emissionen bis 2050 um mindestens 50 Prozent zu senken». In Elmau wurde nun das Zwei-Grad-Ziel bekräftigt, es ist eine vage Absichtserklärung, mehr nicht. Ob es noch zu schaffen ist, daran zweifeln Klimaforscher. Ohne einen radikalen Verzicht auf fossile Energieträger wie Kohle könnten unbeherrschbare vier Grad Celsius und mehr drohen. Diese Welt will man aus den Augen künftiger Generationen lieber nicht sehen.

Trotz aller Beschlüsse eilt der globale CO2-Ausstoß von Rekord zu Rekord - im letzten Klimaschutzindex urteilte die Organisation Germanwatch: «Kein einziges Land ist bislang auf dem Weg, einen gefährlichen Klimawandel zu verhindern. Und so bleiben auch in der diesjährigen Ausgabe des Klimaschutz-Index die ersten drei Plätze leer.» Allein schon der Energiehunger bei wachsender Weltbevölkerung macht es so schwer, Kohle und Öl verstärkt im Boden zu lassen.

Nun lautet das neue G7-Ziel, die CO2-Emissionen bis 2050 im Vergleich zu 2010 um «40 bis 70 Prozent zu reduzieren». Übrigens: Kopenhagen scheiterte trotz des G8-Bekenntnisses von L'Aquila. Bisher zeichnet sich noch kein großer Wurf für Paris ab. Die G7-Staaten begrüßen zwar freudig die «Intended Nationally Determined Contributions» (nationale Minderungszusagen) für Paris. Diese müssen helfen, das 2-Grad-Ziel umzusetzen. Es droht aber ein kaum vergleich- und kontrollierbares, wenig ambitioniertes Sammelsurium. «Jeder gibt so wenig, wie er kann in den Klima-Klingelbeutel», fürchtet der Umweltökonom Lutz Wicke.

Und bisher sieht die Realität bei den «Fossilen» anders aus: Bis 2035 wird der Verbrauch von Kohle, Öl und Gas laut BP-Prognose steigen statt sinken - und Kohle wichtigste Stromquelle bleiben. Die G7 brauchen also Mitstreiter. Allein China und Indien würden 87 Prozent des Wachstums beim Kohleverbrauch ausmachen, schätzt die BP-Analyse.

Wenn von Dekarbonisierung gesprochen wird, wird auch gerne vergessen, dass dies mitnichten Öko-Energiewenden wie in Deutschland bedeutet. Großbritannien, USA, China oder Indien setzen vor allem auch auf Atomkraftwerke - oder mehr Fracking-Gas. Aber die G7 könnten nun den Trend verschärfen, der vor allem Kohle zum Auslaufmodell machen soll.

Nebenbei: Auch Deutschland hat in Merkels Amtszeit vor allem über die KfW-Bank den Bau und die Modernisierung ausländischer Kohlemeiler von 2006 bis 2014 selbst mit immerhin 2,9 Milliarden Euro gefördert.

Von 1990 bis 2013 haben die G7-Staaten den Kohleanteil an ihrem Energiemix zudem nur um 8,2 Prozentpunkte gesenkt, kritisiert Greenpeace. In Deutschland liegt - auch wegen der Abschaltung von acht Atommeilern nach Fukushima - der besonders klimaschädliche Braun- und Steinkohleanteil beim Strommix bisher noch bei 43,2 Prozent. Das Kabinett unter Merkels Führung hatte im Dezember beschlossen, dass im Kraftwerksbereich zusätzlich 22 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden sollen, um das deutsche Ziel von 40 Prozent weniger CO2-Emissionen 2020 im Vergleich zu 1990 doch noch zu schaffen.

Das Wie wurde offengelassen, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) legte das Konzept einer Abgabe für über 20 Jahre alte Kraftwerke vor, wenn sie ein CO2-Ausstoßlimit überschreiten. Der Aufschrei war groß, Merkel bekannte sich nicht dazu - Gabriel fühlte sich von ihr im Regen stehengelassen. Und er fragte, ob die Union das deutsche Klimaziel beerdigen wolle.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter nennt Merkels Klimapolitik nach Elmau wegen der Widersprüche «gespalten und janusköpfig». Er vermisst nationale Taten, die zu den Worten passen. Der CSU-Politiker Georg Nüßlein nennt ihn einen «Klima-Miesepeter».

Aber Gabriels Klimaabgabe steht vor dem Scheitern - wenn sich abzeichnet, dass Deutschland ein Verfehlen des 40-Prozent-Ziels droht, wäre das ein schwieriges Signal für Paris. Und China machte wiederholt wolkige Minderungsankündigungen, organisierte dann bei UN-Klimagipfeln aber Länderallianzen, um sich international nicht verpflichten zu müssen. Indien hätte es fast geschafft, Durban und damit das 2015-Vertragsziel scheitern zu lassen.

Bisher will der größte Klimasünder China überhaupt erst ab 2030 mit einer Reduzierung der CO2-Ausstöße beginnen. Daher ist Merkel nun in der Pflicht, mit den G7 den Druck hochzuhalten - zusammen mit ihrer Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Die muss die Kärrnerarbeit machen - zeichnet sich ein Erfolg ab, könnte ihr Merkel in Paris die Schau stehlen. (dpa)
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