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10.06.2013 | 16:12 | Baden-Württemberg 
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Nationalpark Nordschwarzwald bleibt Streitthema

Stuttgart - Ein grün-rot regiertes Land ohne Nationalpark - ein Unding: Die baden-württembergische Koalition hat deshalb sofort darauf hingearbeitet, diese Lücke aus 40 Jahren CDU-Herrschaft zu schließen.

Schwarzwald
(c) proplanta
Doch die Umsetzung, ein zehn mal zehn Kilometer großes Waldareal sich selbst zu überlassen, ist schwieriger als erwartet.

Die Bevölkerung in der Nordschwarzwaldregion - meist konservativ geprägt - fürchtet den Borkenkäfer und setzt sich zur Wehr. Immer wieder droht sie mit einem zweiten «Stuttgart 21» - unter anderen politischen Vorzeichen.

Das bringt die Stuttgarter Landesregierung aus Grünen und SPD, die sich eine Politik des Anhörens von Bürgerwünschen auf die Fahnen geschrieben hat, unter Druck. Mit mehr als 100 Info-Veranstaltungen und einem teuren Gutachten hat sie versucht, die Bevölkerung von dem Projekt zu überzeugen. Zunächst ohne großen Erfolg. Im Gegenteil, sieben Orte organisierten eine Bürgerbefragung: Die Ablehnung lag teilweise bei über 80 Prozent.

Doch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) lässt sich nicht beirren. Immer wieder erklärt er, dass «Gehörtwerden ja nicht Erhörtwerden» bedeutet. Und dass die Entscheidung für einen Nationalpark nicht in der Hand der Nordschwarzwälder liegt. Die Region werde selbstverständlich informiert und dürfe Vorschläge einbringen. Das letzte Wort hat von Gesetz wegen jedoch der Landtag.

«Manche tun so, als wollten wir eine Heroinfabrik in den Schwarzwald stellen», wiederholte Kretschmann im Berliner «Tagesspiegel am Sonntag». Bei Infoveranstaltungen sei er teils «in einen Hexenkessel geraten», sagte der Regierungschef zum Widerstand in der betroffenen Region. «Dabei haben wir nur vor, ein Naturreservat einzurichten.» Die Mehrheit der Bevölkerung im Nordschwarzwald sei zudem laut Umfragen für das umstrittene Projekt von Deutschlands erster grün-roten Regierung.

Den heftigsten Gegenwind muss Naturschutzminister Alexander Bonde (Grüne) ertragen. Er wohnt mitten im Widerstandsnest Baiersbronn - und  bekommt die Anfeindungen direkt zu spüren. Bei Anhörungen wurde er von den Bürgern ausgebuht und auch schon (bildlich) zu Grabe getragen. Das ging selbst Nationalpark-Kritikern wie dem Baiersbronner Bürgermeister Michael Ruf (parteilos) zu weit - zumal das Fernsehen die Bilder übertrug.

«Das hat uns als Touristenort massiv geschadet. In der Folge hat es sogar Stornierungen gegeben», so Ruf. Es wäre genau das Gegenteil von dem, was der Nationalpark eigentlich bringen soll. Das Gutachten der Landesregierung verspricht zusätzliche Umsätze von 18 Millionen Euro pro Jahr durch den Fremdenverkehr. Das sind umgerechnet etwas mehr als 400 Vollarbeitsplätze.

Doch die Nationalpark-Gegner bleiben skeptisch, allen voran die Holzindustrie. Sie fürchtet, dass zu wenig Holz geschlagen werden kann, und malt Betriebspleiten an die Wand. Zudem sehen die Gegner den Borkenkäfer auf dem Vormarsch und schüren die Angst, der Wald könnte abgeriegelt werden. Blanker Unsinn, sagen die Befürworter und bohren weiter das dicke Brett.

Wenn Argumente nicht überzeugen, dann Zermürbung. Nach dem monatelangen Hin und Her haben sich bereits etliche Gegner resigniert ergeben. Als geschickter Schachzug hat sich erwiesen, den Suchraum für den Nationalpark auf drei Regionen zu verteilen. So konnte Minister Bonde bei der Veröffentlichung eine Region ganz herausnehmen und den Gegnern dort einen Teilsieg gönnen. «Ein voller Erfolg», jubelt nun Bad Wildbads Bürgermeister Klaus Mack.

In der Region Baiersbronn hat Bonde den Park in die Höhenlagen zurückgesetzt und das ganze Gebilde etwas mehr Richtung Rheinschiene verlegt. Bürgermeister Ruf wertet das als Zugeständnis, sein Kollege Kuno Kußmann (CDU) aus Forbach hat angekündigt, trotz seiner massiven Zweifel nun «heftig» an der Gestaltung mitzuarbeiten, damit «Chancen gemehrt und Risiken minimiert werden». Allein der Verein «Unser Nordschwarzwald» will weiter Druck machen: «Hier ist die Solidarität der Menschen ungebrochen.»

Bei seiner Entscheidung kam Bonde zupass, dass die Städte Bühl und  Baden-Baden auf seiner Seite stehen und rund 500 Hektar ihres Waldes beisteuern wollen. Sie hoffen auf eine Belebung der traditionsreichen Schwarzwaldhochstraße. «Es ist ja nicht nur eine Chance für die Natur, sondern auch für den Tourismus», sagt Baden-Badens OB Wolfgang Gerstner (CDU). Der grüne Landesminister hofft auf weitere Waldgaben - die Chancen stehen gut. Nach dem mühevollen Vorlauf gibt Grün-Rot Gas: 2014 soll der 15. Nationalpark in Deutschland eröffnet werden. (dpa)
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Kommentare 
Holi schrieb am 10.06.2013 19:54 Uhrzustimmen(55) widersprechen(45)
In Baiersbronn wurde der Schwarzwald, symbolisch zu Grabe getragen und nicht Bonde. Herr Kretschmann spricht von einem Naturreservat, das stimmt nicht, da es sich um einen Nationalpark nach NABU-Konzept handelt, welches die Freiheit der Bürger im Schwarzwald massiv einschränkt. Es handelt sich in verwaltungstechnischer Betrachtung um einen Staat im Staat der Fremdverwaltet und mit enormen Kosten verbunden ist. Die Gemeinden der Bürgerbefragungen sollen weiterhin 90% der Nationalparkfläche stellen. Rund um die Gemeinden grenzt der Nationalpark direkt oder sehr nahe am Ort. Wieder wird die Wahrheit nach Außerhalb manipulativ Vorgetragen. Selbst das von der Landesregierung in Auftrag gegebene Gutachten zur Einrichtung eines NLP im Nordschwarzwald hat bei tieferer Betrachtung gezeigt, dass ein NLP eben nicht das beste Mittel ist um in der Region nach deren Aussage "Gottes Schöpfung zu bewahren". Nur die Landesregierung stellt das Gutachten für einen Nationalpark sprechend voran. Gerade die bestehenden Fichtennationalparks zeigen uns bei objektiver und sachlicher Betrachtungsweise die Schattenseiten einer Nationalparkstrategie im Nordschwarzwald. Der Nordschwarzwald ist heute schon ein Naturreservat, ein Naturpark mit sehr hohen Anteilen an Naturschutzgebieten und Bannwäldern. Die Bürger sind Kompromissbereit und weisen auf andere Möglichkeiten zum dynamischen Naturschutz hin. Sie würden hinter einem Naturpark-Plus mit unterschiedlichen Alternativen stehen. Z.B. einem großräumigen Flächenschutzkonzept. Die Waldfläche eines NLP könnte man für ein flächenproportionales Schutzgebietssystem mit größeren Naturwaldreservaten verwenden. Große Schutzgebiete mit natürlicher Entwicklung stehen diesem Konzept bereits zur Verfügung. Wenn man die NLP-Fläche für die Optimierung der bestehenden Schutzgebietskulisse und der Schaffung neuerer verwenden würde, kann hoher Gestaltungsspielraum mit einer Weltweit einzigartigen Flächenkulisse an Schutzgebieten hoher Konnektivität entstehen. Mehrere große Bannwälder von über 500 ha können geschaffen werden. Aber auch ein Kleinflächennetz, wäre als sinnvoll zu erwägen. Bestehende Bannwälder können erweitert werden. In diesem Bannwäldermix kann eine evolutionäre Entwicklung der Artengesellschaften stattfinden, Prozessschutz mit gebietsbezogener hoher Biodiversität ist dann gewährleistet. Unter Einbezug der angrenzenden naturnah und nachhaltig bewirtschafteten Waldgebiete, einschließlich Verbesserungskonzepten zum Naturschutz und Totholzkonzepten, so wie von Naturschutzgebieten, Schon- und Schutzwäldern, Einzelbiotopen, Natura 2000 Flächen, ARB-Wald, FFH-Gebieten uvm, kann Metapopulation stattfinden. Die Verwaltungskosten einer bestehenden Verwaltung wären zum Istzustand unwesentlich höher was den Landeshaushalt und somit den Steuerzahler nicht zusätzlich belastet. Es bürgt jedoch das Problem, dass es kein sogenanntes Leuchtturmprojekt bzw. Prestigeprojekt für den Machtgewinn und dauerhaftes regionales Regieren der Grünen Lobbyisten, wie z.B Baumanns NABU ist. Und das schmeckt Kretschmann, Bonde und Baumann nicht, von welchen wohl letzterer mehr im Landtag mitregiert als die SPD, welche nur noch als Jasager agiert.
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