Das Warten auf ein neues, weltweites Klimaabkommen dürfe nicht als Alibi genutzt werden, sagte der langjährige Chef des UN-Umweltprogramms (1998-2006) der Deutschen-Presse-Agentur. Nichts zu tun, sei angesichts der immer bedrohlicheren Klimaveränderungen unverantwortlich, betonte der 72-Jährige.
Herr Töpfer, wie bewerten Sie die UN-Klimakonferenz im mexikanischen Cancún vor Beginn der „heißen Phase“?
Töpfer: „Die erste Woche, bevor es nun auf die Ministerebene wechselt, war besonders wichtig. Es geht darum, in Gesprächsrunden Vertrauen aufzubauen und sich gegenseitig zuzuhören. Dann muss aussortiert werden, was nicht mehr strittig ist. Die Rückmeldungen aus Cancún zeigen, dass man hier gute Fortschritte macht.“
Rund 190 Staaten müssen sich einigen. In der deutschen Wirtschaft heißt es, ohne ein Nachfolgeabkommen für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll bringe ein verstärkter Klimaschutz in den einzelnen Ländern nichts, teilen Sie diese Meinung?
Töpfer: „Ich halte nichts davon, das Warten bis zu einem neuen rechtsverbindlichen Abkommen als Alibi dafür zu nehmen, dass jetzt erstmal nichts passiert. Das wäre unverantwortlich. Wir sehen die mehr und mehr bedrohlichen Veränderungen des Klimas. Wir steuern auf eine Welt mit neun Milliarden Menschen zu, wir können nicht mehr warten. Das Land, das in besonderer Weise vorangeht beim Klimaschutz wird wirtschaftlich klar im Vorteil sein. Das sehen auch die USA und insbesondere China so, das mittlerweile zumindest in quantitativer Hinsicht Weltmarktführer bei erneuerbaren Energien ist. Der neue Fünfjahresplan, der jetzt in Kraft tritt, belegt diese "Grüne Transformation" eindeutig.“
Wenn es erst 2011 bei der nächsten Klimakonferenz in Südafrika ein neues Abkommen gibt, lässt sich das überhaupt rasch genug umsetzen?
Töpfer: „Wir haben acht Jahre gebraucht zwischen dem Abschluss des Kyoto-Protokolls 1997 und dem Inkrafttreten 2005. Damals wurde auch nicht gesagt, erst muss Kyoto ratifiziert sein und dann beginnen wir zu handeln. So ist es heute auch, egal wo man hinhört. Wichtig ist, dass es jetzt in Cancún Ergebnisse zum Schutz der Wälder gibt, um so die CO2-Emissionen zu senken. Und die ärmsten Länder müssen bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützt werden. Dabei darf aber nicht nur Geld im Vordergrund stehen, sondern auch die Kontrolle der Verwendung muss geregelt werden. Vor allem: Es darf nicht zu schlichten „Umbuchungen“ ohnedies bereits zugesagter Finanzmittel kommen.“
Bei der Klimadebatte bricht der alte Konflikt Ökonomie vs. Ökologie wieder auf. Ist das nicht überholt?
Töpfer: „In Deutschland hat die Industrie noch einen Anteil von 27 Prozent, das kann Großbritannien längst nicht mehr vorweisen. Niemand wird aber sagen, dass die Umweltpolitik den Industriestandort Deutschland gefährdet hat. Umso dringlicher ist es, klarzumachen, wir müssen handeln, und wir haben Vorteile davon, wenn wir beim Klimaschutz vorangehen.“ (Georg Ismar, dpa)