Immer wieder mokierte sich der EU-Politiker in seinen Reden, eben jene Kommunalpolitiker seien in Sachen Energiesparen unvernünftig. Es ging um die Frage, ob auch Kommunen zur Verbesserung der Energieeffizienz ihrer Schulen, Kitas und Kliniken verpflichtet werden müssen.
Sollen sie, meinte Oettinger. Unbezahlbar, entgegnete der Deutsche Städtetag und setzte sich durch, die Pflicht flog raus aus dem EU-Gesetzestext. Der UN-Klimagipfel (ab 30. November) wird auch die Energieeffizienz behandeln - auch dort dürfte das Thema für hitzige Gemüter sorgen.
Die Oettinger-Episode aus den legislativen Grabenkämpfen der EU liegt schon vier Jahre zurück, doch sie wirkt seltsam aktuell. Denn wie damals wird die Gretchenfrage scharf diskutiert: Braucht man eine Pflicht zum Energiesparen oder reichen Empfehlungen? Aktuell setzen die EU-Staaten weitgehend auf Freiwilligkeit, in ihrem Beitragsvorschlag zum globalen Klima-Deal hat die EU eine unverbindliche Reduzierung ihres Energieverbrauchs um 27 Prozent bis zum Jahr 2030 auf den UN-Tisch gelegt. Vergleichswert ist eine Prognose, wie viel Energie ohne Vorgaben verbraucht würde.
«Diese Zahl ist ein Witz, zumal es nur eine unverbindliche Vorgabe ist», empört sich der Grünen-Europaabgeordnete Claude Turmes. Der Luxemburger war bei der Festlegung einer EU-Richtlinie zur Energieeffizienz einer der zentralen EU-Politiker. 40 Prozent sollten es sein als Vorgabe für 2030 - als Pflicht, so Turmes.
Seine Argumentation: Mehr Wärmedämmung und moderne Technik zur Senkung des Energieverbrauchs entlasten die Verbraucher, nützen dem Klimaschutz und schaffen Arbeitsplätze. «Eine Win-Win-Situation ist das», sagt Turmes. «Die beste Energie ist nun mal die, die man nicht braucht.» Auch geostrategisch sei das sinnvoll, schließlich würde dadurch der Einfluss von Öl- oder Gasexporteuren wie Russland oder dem arabische Raum auf die EU geringer.
Damit spricht Turmes auch vielen deutschen Wirtschaftsvertretern aus der Seele. Christian Noll, eine Art deutscher Cheflobbyist in Sachen Energieeffizienz, verweist auf das große Jobpotenzial dank Energieeffizienz. Ob Wärmedämmung für Gebäude oder energiesparende Motoren für Rolltreppen, Aufzüge oder Hausgeräte - «solche Produkte sind ein Exportschlager für die deutsche Industrie, der Markt wächst und wir müssen weiter vorne mitmischen», sagt Noll, Vorstand in der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff).
Laut einer Schätzung der Internationalen Energieagentur müssen 40 Prozent der Klimaschutz-Fortschritte bis 2050 aus der Energieeffizienz kommen. «Das zeigt doch, wie immens wichtig das ist», sagt Noll. «Auf der UN-Klimakonferenz muss Druck aufgebaut und das Momentum genutzt werden, damit man global vorankommt in den kommenden Jahren.»
Weniger Begeisterung löst das Thema beim CDU-Europaabgeordneten Markus Pieper aus. Seine Meinung: kein zusätzlicher gesetzlicher Zwang, sondern freiwillige Vorgaben und flexible Regeln. Zwar spricht auch der marktliberale Politiker von einer «Win-Win-Situation für den Verbraucher und für das Klima». Doch man sollte auf Anreize setzen, etwa auf EU-Fördermittel oder steuerliche Vorteile. Neue Vorschriften für die Industrie empfände er als Gängelung. «Keine Weltregion ist in Sachen Energieeffizienz so gut wie Europa - warum sollte man einem Vorreiter Fesseln anlegen mit regulatorischen Pflichten?»
Solch Äußerungen wiederum bringen den Grünen Turmes auf die Palme. Man dürfe sich nicht auf Lorbeeren ausruhen, sonst werde der
Klimawandel nie gebändigt, so Turmes. Legislativer Zwang sei nötig, um Tempo reinzubringen. «Ohne Vorschriften würde nichts passieren.»
Carsten Rolle, Energie-Abteilungsleiter beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), hält wie CDU-Mann Pieper wenig von legislativen Eingriffen.
«Zwangsmaßnahmen sind der falsche Weg», sagt Rolle. Der Industrielobbyist betont, dass die deutsche Industrie schon gewaltige Fortschritte gemacht habe und dies auch weiter tue - und zwar auf freiwilliger Basis. So setze man auf Informationsaustausch, damit Unternehmen voneinander lernen können. Leider gebe es noch Hemmnisse - so blieben Effizienzverbesserungen bei der Kreditvergabe von Banken praktisch unberücksichtigt.
Während Pieper und Rolle sich keine Energiespar-Impulse von der Pariser Konferenz versprechen, üben sich Turmes und Noll in trotzigem Optimismus. «Der Kopenhagener Gipfel von 2009 war ein Reinfall, weil man nur über Probleme sprach», sagt Turmes. «Jetzt hat Gastgeber Frankreich aber klargemacht, dass es weniger um Probleme als vielmehr um Lösungen im Sinne des Klimaschutzes gehen soll. Und wenn man über Lösungen spricht, kommt man am Thema Energieeffizienz nicht vorbei.»