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21.08.2014 | 16:34

Kein Ende der Ebola-Epidemie in Sicht

Ebola-Ausbruch Westafrika
(c) Miriam Böttner - fotolia.com

Ebola-Folgen: Waisenkinder und drohende Hungerkrise



Das Ebola-Virus wütet weiter in Westafrika. Sind die Eltern tot, wollen Verwandte Waisenkinder aus Angst vor dem Virus manchmal nicht aufnehmen. Außerdem werden Lebensmittel knapper.

Es ist schon dunkel, als die drei Kinder wieder vor dem Ebola-Behandlungszentrum in Sierra Leone stehen, erschöpft und verzweifelt. Ihre Eltern sind hier gestorben. Die Geschwister, zwölf, fünf und drei Jahre alt, hat das Virus nicht infiziert.

Ein Bluttest bestätigt, dass sie gesund sind. Die Waisen sollten zum Großvater ziehen. «Aber er hat sie rausgeschmissen», sagt Anja Wolz, Krankenschwester und Notfall-Koordinatorin für Ärzte ohne Grenzen in der Stadt Kailahun. «Wir haben hier die nächste Katastrophe», ergänzt sie. Kinder, die niemand mehr will - aus Angst vor Ebola.

Anja Wolz hat als Helferin schon viel Leid gesehen. Die 44-Jährige war 2010 nach Erdbeben und Cholera-Ausbruch in Haiti und 2011 während des Bürgerkriegs in Libyen. Mitte März ging sie ins Ebola-Krisengebiet in Westafrika, war zuerst in Guinea, dann in Liberia und zum Schluss in Kailahun im Osten Sierra Leones.

Es ist nicht der erste Ebola-Ausbruch, den sie erlebt - aber selten fühlte sie sich so ohnmächtig. «Es gibt immer noch viel zu wenige Helfer und das System zur Gesundheitsüberwachung funktioniert überhaupt nicht», berichtet sie.  

80 Betten hat die Gesundheitsstation von Ärzte ohne Grenzen in Kailahun. Für den gesamten Distrikt mit 470.000 Einwohnern gebe es gerade mal vier Ambulanzen, sagt Wolz. Viel zu wenig, um ein Virus wie Ebola in den Griff zu bekommen. «Wir wissen, wie das geht. Aber wir haben einfach nicht die Kapazitäten», seufzt sie. Unter den mehr als 1.300 Ebola-Toten in Westafrika sind auch viele, die sonst die Felder bestellen und die Familien ernähren. «In manchen Dörfern bleiben nur noch die Omas mit den Enkeln zurück», berichtet Wolz. «Wer wird für sie sorgen?»

Auch die Welthungerhilfe befürchtet in Sierra Leone und im Nachbarland Liberia eine humanitäre Katastrophe im Schatten von Ebola. Die Preise für Grundnahrungsmittel wie Reis stiegen rasant, weil die Grenzen dicht und Großmärkte geschlossen seien, berichtet Hilfskoordinatorin Asja Hanano. In Liberia brodele die Stimmung im Armenviertel West Point der Hauptstadt Monrovia weiter.

«Das ist ein Pulverfass», sagt sie. Die Wasserversorgung und Hygiene für rund Zehntausende Menschen sei schon vor dem Ebola-Ausbruch katastrophal gewesen. Nun komme Misstrauen und Unruhe wegen der Teuerung dazu. Erst Mitte August war in West Point eine Ebola-Klinik gestürmt worden.

In den Ebola-Gebieten fehlt es weiterhin oft an allem: an Ärzten, Epidemiologen, einheimischen Helfern, Hygiene. 26 Spezialisten habe die Weltgesundheitsorganisation (WHO) allein in den Osten von Sierra Leone schicken wollen, gekommen seien nur sechs, sagt Hilfskoordinatorin Anja Wolz. 16 medizinische Angestellte des staatlichen Gesundheitsdienstes habe Ebola in der Region getötet - ersetzt worden sei kein Einziger.

Und wer nimmt die Ebola-Waisen auf? Ärzte ohne Grenzen komme an Grenzen, sagt Wolz. Die drei Geschwister konnten nicht weiter im Behandlungszentrum bleiben. Sie leben nun in einem kleinen Hotel, die Suche nach Pflegeeltern in Sierra Leone läuft. «Ich wünschte, andere Organisationen würden endlich aufwachen. Das läuft hier immer noch alles viel zu langsam», kritisiert Wolz.

Mitte der Woche ist sie aus Kailahun zurückgekehrt. In ihrer Heimatstadt Würzburg macht sie 14 Tage Urlaub, endlich mal ausschlafen, zum Friseur gehen, sich vom Vater bekochen lassen. Eine eigene Familie hat sie nicht. Anfang September geht es wieder los - wahrscheinlich nach Liberia, in ein Ebola-Zentrum mit derzeit 120 Betten. Es könnten 300 werden. Anja Wolz hätte nie gedacht, dass es einmal so weit würde. «Ich war bei einem Ebola-Ausbruch im Kongo dabei. Da gab es zwei Dörfer und ein Motorrad.» Das Virus kam nicht weit. In Westafrika aber sind die Menschen hochmobil, die Straßen gut.

In Sierra Leone fassen sie trotz aller Warnungen auch immer noch Ebola-Leichen an - ein Ansteckungsrisiko. «In einem Dorf gab es zwei Tote», berichtet Wolz. «Die Bevölkerung hat gesagt, das sei kein Ebola.» Innerhalb von drei Wochen habe ihr Zentrum mehr als 35 Patienten aus diesem Ort bekommen, mehr als zehn starben. «Und im Dorf haben sie immer noch gesagt, dass es kein Ebola ist.»

Mobilität, Angst, Ignoranz - das alles ist ein idealer Nährboden für das Virus. Dazu kommen mangelnde Aufklärung, Analphabetismus und böse Gerüchte. «Am Anfang hieß es, wir würden Köpfe abschneiden und Organe verkaufen», sagt Wolz. Dann gaben die ersten Überlebenden der Epidemie lokalen Radiosendern Interviews über ihre Erfahrungen im Behandlungszentrum. Das bremste das Misstrauen. «Trotzdem gehen viele Kranke immer noch lieber zum traditionellen Heiler.»

Es ist ein Wechselbad der Gefühle, auch für die Helfer aus dem Ausland. Auf der Straße in Kailahun schenkte eine Frau Anja Wolz aus Dankbarkeit Bananen. In einer Stadt, in der die Banken seit acht Wochen geschlossen, Nahrung knapper wird und der Tod umgeht. 70 Prozent der Patienten im Behandlungszentrum von Ärzte ohne Grenzen sterben. Oft, weil sie zu spät kommen. Und dann haben sie oft schon Verwandte und Bekannte angesteckt.

Um Ebola einzudämmen, müssen alle Kontakte eines Kranken zurückverfolgt werden. Einmal hat Krankenschwester Wolz ausgerechnet, dass im Distrikt Kailahun 1.500 Menschen dringend ausfindig gemacht werden müssten. Gesucht haben die Behörden nach 250. «Sie haben gesagt: Das passt schon.» Anja Wolz sieht nicht, dass diese Epidemie schnell unter Kontrolle zu bringen ist. «Wir planen schon für Weihnachten.» (dpa)
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