Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
14.12.2008 | 08:12 | Panorama  

Bier statt Haschisch - Deutsche Hilfe für Hopfenanbau im Libanon

Beirut - Im Juli 2006, als die Hisbollah täglich Raketen in Richtung Israel abfeuerte und Israels Luftwaffe die südlichen Vororte von Beirut in Schutt und Asche legte, hantierte Mazen Hajjar in seiner Beiruter Wohnung täglich mit Gerste, Hopfen, Bottichen und Filtern.

Hopfen
(c) proplanta
Der Libanese hatte gerade einen gut bezahlten Job als Vorstandschef einer kleinen Fluggesellschaft in den Vereinigten Arabischen Emiraten an den Nagel gehängt, und versuchte, im Do-it- yourself-Verfahren sein erstes Bier zu brauen. Der Geschmack war gruselig. Seither hat sich einiges verändert in Hajjars Leben, auf dem libanesischen Biermarkt und auch auf der politischen Bühne in Beirut.

Hajjar (35) betreibt heute mit einer Handvoll Freunde und Mitarbeiter in Beirut die erste libanesische Privatbrauerei und eine Bar, in der zum Bier deftige Gerichte wie zum Beispiel Schweinerippchen serviert werden. In der Bekaa-Ebene, wo traditionell Obst, Gemüse, Wein und Hanf für die Herstellung von Haschisch angepflanzt werden und wo viele Familien davon leben, dass sie Waren über die libanesisch- syrische Grenze schmuggeln, wächst jetzt auch Hopfen für die Bierproduktion. In Beirut sitzt die schiitische Islamisten-Partei Hisbollah inzwischen wieder am Kabinettstisch und übt so viel Macht aus wie schon lange nicht mehr.

Hajjar hat den Vorstandsposten in Ras al-Khaima verlassen, um der libanesischen Großbrauerei Almaza Konkurrenz zu machen, weil es ihn trotz der Attentate und Krisen zurück in die Heimat zog und er gerne und mit Lebensmitteln herumexperimentiert. Zusammen mit einem Dänen, den er in Beirut zufällig auf der Straße kennenlernt, gründet er im Sommer 2006 die Firma 961-Bier, benannt nach der internationalen Telefon-Vorwahl des Libanon.

Er kauft sich eine DVD, auf der erklärt wird, wie man Bier herstellt, beschließt dann aber doch, das Handwerk in einer kanadischen Brauerei zu lernen. Danach bestellen er und seine Freunde in Kanada eine komplette Bierfabrik, die «in Einzelteilen ankam, wie ein Ikea-Regal, nur ohne Bauanleitung». Drei Monate später produziert die Anlage. Im Juli 2007 - ein Jahr nach dem Versuch im heimischen Badezimmer, steht die erste Flasche 961-Bier auf dem Tresen.

Inzwischen läuft das Geschäft nicht schlecht. In Dutzenden von Läden im Libanon gibt es die verschiedenen 961-Biere zu kaufen, erste Bierfachgeschäfte in Skandinavien haben kleinere Mengen bestellt. Das Spektrum reicht vom dunklen Starkbier mit Espresso-Lakritz-Aroma bis zum Trappistenbier mit Kamillenextrakten. «Deutsche sind, wenn es um Bier geht, genau solche Traditionalisten wie die Franzosen beim Wein. Mit exotischen Biersorten können sie sich nur schwer anfreunden», sagt Hajjar, der auch Deutsche zu seinen Stammgästen zählt.

Für den umtriebigen Libanesen ist es wichtig, dass er nicht nur geschmacklich neue Wege beschreitet, sondern auch gesellschaftlich etwas verändert. Deshalb ist er auch begeistert von der Idee, die Inhaltsstoffe für sein Bier nicht komplett aus den USA, aus Großbritannien, Tschechien und Deutschland zu beziehen, sondern zumindest einen Teil davon im Libanon zu kaufen. Die Bundesregierung unterstützt ihn dabei.

Im vergangenen Mai, an dem Tag, als die bislang letzte Krise begann und in der Beiruter Innenstadt Hisbollah-Milizionäre um sich schossen, fuhr Hajjar mit deutschen Diplomaten in die Bekaa-Ebene, um sich das Gelände der evangelischen Johann-Ludwig-Schneller-Schule in der Nähe des Dorfes Chirbet Kanafar anzusehen, auf dem in einem Test Hopfen für seine Brauerei angebaut werden sollte. Die Bundesregierung hilft mit Material und mit Beratung durch einen deutschen Bierbrauer, der sich eigentlich zur Ruhe gesetzt hat. Wenn sich im kommenden Jahr herausstellen sollte, dass das Klima und der Boden für den Anbau hochwertigen Hopfens taugen, soll der Braumeister Mitarbeiter der Schule ausbilden.

«Diese sollen dann ihrerseits andere Bauern schulen, die daran interessiert sind, Hopfen anzubauen, was durchaus auch ein Exportgeschäft werden könnte, denn der Preis auf dem Weltmarkt ist hoch», sagt Botschaftssprecher Hans-Helge Sander. Fromme Mitglieder der Hisbollah, von denen einige auch in der Bekaa-Ebene leben, zählen zwar nicht zum potenziellen Kundenstamm von 961-Bier. Doch rund ein Drittel der Libanesen sind Christen, und auch viele Muslime im Libanon trinken Alkohol: Vor allem Wein, Bier und den arabischen Anisschnaps Arrak. (dpa)
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Bierabsatz in Sachsen rückläufig - Branche für 2024 zuversichtlich

 Bayerns Brauer verteidigen Absatz-Meistertitel

 Bier im Wert von 1,6 Millionen Euro nach Sachsen-Anhalt importiert

 Jugendliche haben keine Lust mehr auf Komasaufen

 Forscher sagen Biergeschmack voraus

  Kommentierte Artikel

 Jäger sehen dringenden Handlungsbedarf bei Umgang mit Wölfen

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet