Geheimnisvoll machen sie ihre sagenumwobenen Verwendungen: In der griechischen Mythologie war sie eine Zauberrute, bei den Germanen Teil der Schöpfungsgeschichte und die Druiden setzten sie als Arzneimittel ein. Das der immergrüne Halbparasit heute mit der Klimaerwärmung bestens zurechtkommt, ist allerdings kein Mythos, sondern wissenschaftlich belegt.
Nur die Tannen- und Kiefermisteln stehen unter Naturschutz
„Je nach Gehölz, auf dem sich die Weißbeerige Mistel niederlässt, wird diese als Laubholz-, Tannen- oder Kiefernmistel bezeichnet“, so Volker Gebhardt, ThüringenForst-Vorstand. Die beiden letzteren sind deutlich seltener im Freistaat zu finden, weshalb sie unter Naturschutz stehen.
Misteln sind 30 bis 50 cm große, nahezu kreisrund gewachsene Pflanzen. Sie entziehen ihrem Wirtsbaum im Kronenbereich mittels Haftscheibe und einem „Sproßbohrer“ Wasser und Mineralstoffe, tätigen aber eine Photosynthese und produzieren so selbst Kohlenhydrate. Die deshalb als Halbparasit bezeichnete Pflanze wächst langsam und wird Jahrzehnte alt.
Für ihre Verbreitung sorgen vor allem Misteldrossel und Seidenschwänze, die die weißen Beeren im Winter gern fressen. Wetzen sich die Vögel sodann am Nachbarbaum den Schnabel, übertragen sie den klebrigen Mistelsamen. Daher auch das lateinische Wort viscum: Klebstoff. Der Wirtsbaum erträgt einen Mistelbefall über Jahre, nur bei Trockenstress geht der Baum ein. Denn die Mistel gilt als Wasserverschwender.
Mistel-Präparate sind in der Pharmazie umstritten
Als Arznei kommt die ganze Pflanze zum Einsatz, auch wenn Blätter und Zweige beim Verzehr für den Menschen giftig sind. Forscher interessieren sich insbesondere für die proteinartigen Mistel-Lektine. Diese Pflanzenstoffe sollen u. a. das Immunsystem anregen und Entzündungen auslösen. Die Wirkung als krebstherapierende Arznei ist bis heute umstritten. Naturheilkundlich orientierte Mediziner setzen Mistelpräparate z. B. als örtlich wirkende Reiztherapie gegen Arthrose ein. In der Schulmedizin ist sie als Medikament zur Blutdrucksenkung und auch Gefäßverbreiterung anerkannt.
Der Klimawandel kommt der Mistelverbreitung entgegen
In Ostthüringen finden sich Misteln in den letzten Jahren verstärkt an Kiefern, die standortbedingt auf schwach wasserversorgten Böden stockt. Der Wasserstress dieser Kiefern ist Voraussetzung für den erfolgreichen Befall durch Misteln. Denn vitale, wachstumsstarke Bäume können einen Mistelbefall abwehren.
Mit der im Kontext der Klimaerwärmung prognostizierten Zunahme der Winter- und Sommertemperaturen sowie der Trockenheit wird die Befallsrate durch die Mistel auch in den Thüringer Kieferngebieten zunehmen, vermuten die Forstexperten. Gleiches gilt für standörtlich grenzwertige Fichtenwälder der unteren Lagen.
Ganz selten besiedelt die im Freistaat häufige Laubholzmistel Buchen und Eichen. Die Forschung kann dies bis dato nicht erklären. Insofern wird die Mistel auch künftig ihrem Ruf gerecht, zu den geheimnisvollsten Pflanzen des Waldes zu gehören.