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19.02.2024 | 16:26 | Lawinenunglück 

Galtür vor 25 Jahren: Weißes Grab für viele Urlauber

Galtür - Walter Strolz hatte im Februar 1999 gerade seinen Hubschrauber aufgetankt, als er einen Funkspruch mithörte.

Lawinengefahr
Sechs Wochen Schneefall: Die Alpen versanken im Februar 1999 im Schnee. In Galtür und im benachbarten Valzur kam es zur Katastrophe. Viele Urlauber starben in einer gewaltigen Lawine. (c) proplanta
Einen Tag nach dem katastrophalen Lawinenunglück von Galtür war eine riesige Staublawine auch auf den benachbarten Weiler Valzur niedergegangen. «Kannst du noch fliegen?», wurde der damals 36-jährige Bezirksinspektor der Polizei gefragt.

Strolz, der die Region im Westen von Tirol als Bergsteiger und Bergführer bestens kennt, traute sich. Er tastete sich im fahlen Mondlicht nur 50 Meter über dem Boden fliegend in das Unglückstal.

«Es war nur noch eines der acht Häuser übrig. Davor standen verzweifelte Eltern und vermissten ihre beiden Söhne in dem Gebäude», erinnert sich Strolz 25 Jahre später. Kurzentschlossen flog Strolz 60 Retter ein, die sich mit Schaufeln zu den im Haus Vermissten durchgruben. Beide Kinder, darunter ein Vierjähriger, wurden lebend geborgen.

Es war die einzige gute Nachricht aus Valzur. Sieben andere Bewohner des Weilers starben. Ihre Häuser waren durch Wucht der Schneemassen zerstört und rund 100 Meter weit den Hang heruntergespült worden. Durch das neuerliche Unglück stieg der Zahl der Menschen, die in Galtür und Valzur umkamen, auf 38. 

Am 23. Februar 1999 waren in Galtür 31 Menschen, darunter 21 deutsche Urlauber, gestorben. Insgesamt kamen zwölf Kinder unter den Schneemassen ums Leben.  Die Opfer erstickten im Schnee oder erlitten tödliche Verletzungen.

«Damals war es extrem, in der Form, dass es nicht mehr aufgehört hat zu schneien», erinnert sich der damalige Kommunikationsexperte des österreichischen Bundesheers, Thomas Schönherr, in einem Podcast der «Wiener Zeitung». Was er beschreibt, ist eine außergewöhnliche Wetterlage. 

Bis Mitte Januar 1999 herrschte eher Schneemangel in den Alpen. Dann setzte - mit nur kurzzeitigen Unterbrechungen - mehrwöchiger Dauerschneefall ein, der die Schneedecke rund fünf Meter hoch auftürmte. Ein Meteorologe warnte wenige Tage vor dem Unglück im Fernsehen, dass erneut viel Neuschnee drohe, «und zwar genau dort, wo es in den letzten Tagen schon am meisten geschneit hat».

Tausende von Touristen im Paznauntal saßen in der weißen Falle. Die einzige Zufahrtsstraße war seit Ende Januar immer wieder gesperrt worden, eine Woche vor der Lawinenkatastrophe war sie endgültig nicht mehr passierbar. Die Gäste in Galtür konnten wegen der gesperrten Pisten nicht mehr Skifahren. Sie wurden durch Belustigungen bei Laune gehalten. Am Unglückstag gab es ein Fassdaubenrennen am Dorfplatz.

Nur wenige Minuten, nachdem die Teilnehmer und Zuschauer wieder in ihre Quartiere gegangen waren, donnerte eine gewaltige Lawine vom 2.700 Meter hohen Grieskogel 1.100 Höhenmeter hinab in den Ort. 120.000 bis 160.000 Tonnen Schnee machten alles nieder, was im Weg stand. Das waren nach Darstellung von Lawinenexperten 3.000 bis 4.000 mit Schnee beladene große Lastwagen, die mit Tempo 300 durch den Ort rasten.

Häuser wurden zu kleinen Bruchsteinen zermalmt, andere Gebäude schwer beschädigt, Straßen und Wege tief begraben. Eltern verloren ihre Kinder, Kinder wurden zu Waisen und Halbwaisen. «Galtür war deswegen so besonders belastend für alle, weil extrem tragische Schicksale dabei herausgekommen sind», sagt die Psychologin Barbara Juen, die damals die Opfer betreut hat, im Podcast der «Wiener Zeitung».

Da aufgrund des Wetters und der Dunkelheit nicht wie sonst üblich sofort Bergungsmannschaften eingeflogen werden konnten, waren Einheimische und Gäste eine ganze Nacht lang auf sich allein gestellt. Alle versuchten, noch Überlebende unter dem bis zu acht Meter hohen Lawinenkegel zu finden.

Ein Notlazarett wurde eingerichtet, in dem die Ärzte unter den Touristen die Verletzten betreuten. Insgesamt 22 Verschüttete wurden lebend geborgen. Erst 15 Stunden nach der Katastrophe trafen die ersten Retter ein, denen sich ein Bild bot, das an ein Kriegsgebiet erinnerte.

Es folgt die größte Luftbrücke in der Geschichte Österreichs. 42 Hubschrauber aus Österreich, Deutschland, den USA und Frankreich transportierten laut späterer Bundesheer-Bilanz 18.000 Menschen - aus Galtür und dem ebenfalls eingeschneiten Ischgl. Vielen ist die Erleichterung ins Gesicht geschrieben, als sie von den großen Helikoptern bei inzwischen bestem Wetter in Sicherheit gebracht werden.

Ein Vierteljahrhundert später will die Gemeinde am 23. Februar mit einem Gedenkgottesdienst in der örtlichen Kirche an die Katastrophe und die Opfer erinnern. Nach dem Unglück wurden vielerorts die Vorkehrungen zum Lawinenschutz verstärkt.  Galtür selbst wird bereits seit der Jahrtausendwende unter anderem von zwei massiven Steinwällen geschützt.

Strolz ist immer noch im Rettungseinsatz, kümmert sich als Hubschrauberpilot bei der Polizei in Tirol um Wanderer und Bergsteiger in Not, hilft bei der Suche nach Vermissten und muss manchmal auch Tote aus den Alpen bergen. An die Katastrophe von damals wird er hin und wieder in schöner Weise erinnert: Dann trinkt er einen Kaffee mit dem heute 29-Jährigen aus Valzur, dem er damals mit seinem wagemutigen Flug das Leben gerettet hat.
dpa
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