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19.04.2012 | 08:04 | Verbrauchertäuschung 

Verbraucherschützer kritisieren die Grauzonen des Lebensmittelmarkts

Berlin - «Wenn Früchte drauf sind, müssen die auch drin sein.»

Verbraucher
(c) proplanta
Das fordert der Leiter des Projekts Lebensmittelklarheit der Verbraucherzentralen, Hartmut König. Im Internet hat er 200 Lebensmittel dokumentiert, bei denen die Hersteller nach Angaben der Verbraucherschützer mehr versprechen als sie halten - oder die Käufer durch geschicktes Design in die Irre führen.

Solche «Grauzonen» in der Vermarktung seien «ein Grundphänomen des Lebensmittelmarktes», kritisiert das private Institut Agrifood Consult. Es hat die Vermarktung von Lebensmitteln für die Verbraucherzentralen unter die Lupe genommen. Deren Schlussfolgerung ist drastisch. «Im Lebensmittelmarkt läuft etwas grundlegend schief.

Zwischen Werbe- und Produktrealität klafft oft eine große Lücke», sagt der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Gerd Billen.

Der Verbraucherschützer will die Industrie deshalb stärker an die Leine nehmen. Dazu fordert er klarere Regeln und mehr staatliche Siegel nach dem Vorbild des offiziellen Bio-Labels - unter anderem für regionale Lebensmittel und Tierschutz.

Es müsse ein «zweites Preisschild» für die Qualität geben. Damit heizt er die Diskussion um Güte und Präsentation von Lebensmitteln neu an.

Der Hintergrund: Qualität ist gefragt. «Verbraucher sind bereit, dafür deutlich mehr Geld zu bezahlen», sagt die Betriebswirtin Anke Zühlsdorf, Autorin der Agrifood-Studie. Als Hauptproblem nennt sie, dass Verbraucher viele Qualitätsmerkmale von Lebensmitteln überhaupt nicht bewerten könnten.

Bio boomt, Gesundheit und Tierschutz sind schlagende Verkaufsargumente, und auch die regionale Herkunft wird immer wichtiger. Doch ob ein Apfel wirklich vom Baum in der eigenen Region stammt oder ob ein Schwein wirklich artgerecht gehalten wurde, ist den Produkten selbst nicht anzusehen. Das bevorzuge Anbieter, die zwar mit Qualität werben, dieses Versprechen aber nicht erfüllten, sagt Zühlsdorf. Sie warnt von einer «Misstrauensspirale».

Unklare Regeln, irreführende Verpackungen und ein Wirrwarr an Siegeln und Gütezeichen erschwerten die Orientierung zusätzlich, monieren die Verbraucherschützer. Sie stehen mit ihrer Kritik nicht allein: Die Organisation Foodwatch hat kürzlich die Werbung für Lebensmittel kritisiert, die irreführend als Produkte «vom Land» angepriesen würden. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) macht sich für ein Regional-Siegel stark.

Die Lebensmittelbranche widerspricht den Darstellungen der Verbraucherzentrale. «Der Lebensmittelmarkt in Deutschland funktioniert», sagt der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands BLL, Matthias Horst. Er verweist auf das verbindliche Zutatenverzeichnis auf der Packung, rechtlich geregelte Herkunftsbezeichnungen und Gütezeichen wie das Qualitätssiegel QS.

«Schon heute findet der Verbraucher auf den Verpackungen eine große Anzahl qualitätsrelevanter Informationen.» Die Forderungen gingen an der Realität vorbei.

Der Branchenverband weist auch den Vorwurf der Täuschung zurück. Es gebe im Lebensmittelrecht nur zwei Möglichkeiten: «Entweder ein Produkt ist ordnungsgemäß gekennzeichnet oder nicht. Eine "gefühlte" Täuschung gibt es nicht», sagt Horst.

Just auf das Gefühl der Kunden verweisen aber die Verbraucherschützer. Sie führen 5.000 Beschwerden ins Feld, die Verbraucher seit vergangenem Juli bei einem Internetportal zum Thema eingereicht haben.

Billen fasst die Bedenken der Verbraucher so zusammen: «Sie fühlen sich getäuscht, sie fühlen sich in die Irre geführt, sie fühlen sich irritiert, weil das, was vorne versprochen wird, nicht mit dem übereinstimmt, was hinten im Kleingedruckten auf den Verpackungen steht.» (dpa)
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