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21.03.2020 | 01:48 | Lebensmittelversorgung 

Nachfrage auf Wochenmärkten boomt

Rostock / Neumünster / Hamburg / Harrislee - Einkaufen unter freiem Himmel, statt in geschlossenen Räumen: Wochenmärkte im Norden sind derzeit durch die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus im Aufwind.

Wochenmarkt
Frische Luft und Ware, die nicht durch so viele Hände geht: Viele Menschen im Norden setzen in diesen Tagen auf den Einkauf auf dem Wochenmarkt. Manche Händler sind dabei besonders kreativ. (c) proplanta
Aktuell kämen mehr Menschen zum Einkaufen auf den Wochenmarkt, berichtet der Vorsitzende des Landesverbandes der Marktbeschicker in Schleswig-Holstein, Stefan Wegener. Die Steigerungsraten befänden sich zum Teil im zweistelligen Bereich.

Offensichtlich schätzen die Menschen den Einkauf an der frischen Luft ohne Einkaufswagen und nähere Berührungen. Die Kunden verhielten sich sehr vernünftig. «Sie halten Abstand von einander, wenn sie warten müssen und das geht alles reibungslos», sagt Wegener, der selbst seit 36 Jahren mit einem Stand auf Wochenmärkten in Kiel und Neumünster unterwegs ist.

«Die Ware geht direkt vom Verkaufsstand in die Tasche des Kunden und muss nicht noch einmal umgepackt werden.» Zwischen den Verkaufsvorgängen desinfizierten oder wechselten die Händler die Handschuhe und auch das Bezahlen sei an vielen Ständen mittlerweile mit EC-Karte möglich.

Auch auf dem Hamburger Isemarkt ist am Freitag jede Menge los. «Die Leute kaufen wie verrückt», sagt Malte Jahn vom Stand «Frische Kräuter». Das sei auch gut so, da das Geschäft mit Kunden aus der Gastronomie völlig zusammengebrochen sei.

«Wenn die Wochenmärkte jetzt auch noch zumachen, dann sind viele Betriebe innerhalb weniger Wochen pleite», glaubt der Händler, der seit acht Jahren seine Ware auf dem Isemarkt anbietet. Um seine Kunden zu schützen, hat Jahn seinen Tresen so umgebaut, dass seine Verkäufer jetzt 1,50 Meter Abstand zu den Kunden haben.

«Wir versuchen, die Hamburger so lange zu versorgen, wie es geht.» Um das Ansteckungsrisiko zu verringern, hat seine Mutter sogar Atemschutzmasken selbst genäht.

«Ich gehe jetzt viel lieber auf dem Markt einkaufen, weil das Gemüse dort nicht so oft angefasst wird wie im Supermarkt», sagt Frauke Putensen, die auf dem Isemarkt unterwegs war. Die meisten Menschen hielten den Sicherheitsabstand in den Warteschlangen vor den Verkaufsständen ein, manche Händler haben dafür extra Bereiche auf dem Boden markiert. Einige Verkäufer haben Handschuhe an, einige tragen eine Atemschutzmaske.

Auf dem kleinen Markt in Harrislee bei Flensburg ist an diesem sonnigen Vormittag einiges los, wenn auch vielleicht nicht ganz so viel wie sonst. «Die Bummler haben wir nicht mehr», sagt Claus Dalsgaard, der mit seinem Blumenstand auf dem Marktplatz steht.

«Die Leute, die hier sind, wollen etwas.» Sonst sei mehr los, sagt er. Das ist aber auch der Lage des Marktes beziehungsweise Harrislee, wenige Kilometer von der dänischen Grenze entfernt, geschuldet. Seitdem Menschen ohne triftigen Grund nicht mehr über die deutsch-dänische Grenze kommen dürfen, fehlt auf deutscher Seite ein Großteil der Kundschaft.

«Uns fehlen die Dänen», sagt Dalsgaard. Dennoch ist an seinem Stand ein stetes Kommen und Gehen. «Die Leute wollen Farbe in der trüben Zeit», sagt er. «Das sagen ganz viele.»

Ware in mitgebrachte Behälter füllen die Händler indes derzeit nicht. «Da nehmen wir im Moment Abstand von», sagt Wegener. Solange es sein müsse, werde man wieder Einwegverpackungen anbieten. «Ich denke, dass wird auch jeder respektieren.» Ob man wegen des Zulaufs an mehr Tagen oder länger die Märkte anbieten sollte? «Wir denken in alle möglichen Richtungen», sagt Wegener.

Mehr Tage in der Woche am gleichen Ort seien so nicht möglich. Denn jeder etablierte Händler habe eine Route, die er abfahre. Wenn man davon abweiche, würde ein anderer Markt in Mitleidenschaft gezogen, sagt Wegener. «Und auch da haben wir einen Versorgungsauftrag. Mittlerweile muss man das so sehen.»

Alejandro Matteos, der auf dem Isemarkt iberischen Schinken verkauft, hofft, dass die Wochenmärkte überhaupt weiter geöffnet bleiben dürfen. «Ich weiß sonst nicht, wovon ich leben soll», sagt der 53-jährige Spanier. So empfindet auuch Elke Otto vom Blumenstand «Blütenstiel».

«Meinen Blumenladen musste ich bereits schließen, jetzt bleibt nur noch das Marktgeschäft», sagt die 54-Jährige. Sie befürchtet, dass es bald eine Ausgangssperre geben wird. «Dann muss ich zuhause bleiben und vielleicht Insolvenz anmelden.»
dpa
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