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07.08.2009 | 12:04 | Schweinegrippe  

Streit um Schweinegrippe-Impfstoff

Berlin - Für den Herbst erwarten Experten deutlich mehr Schweinegrippe-Erkrankungen und schwerere Verläufe als bisher.

Impfstoff
(c) Tobilander - fotolia.com
Dann seien Todesfälle auch in Deutschland möglich, sagte der Präsident des für Impfstoffe zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts, Johannes Löwer, am Donnerstag in Berlin. Die ersten Risikogruppen könnten jedoch bereits im September gegen die neue Grippe geimpft werden. Wer das zahlen soll, ist umstritten. Die Krankenkassen möchten notfalls ab Oktober die Beiträge erhöhen.

Falls das nicht aus Steuern bezahlt werde, wäre die «Anpassung» des Beitragssatzes ab 1. Oktober 2009 eine Alternative, heißt es in einer Stellungnahme des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung GKV. Die Kassen wollen die Sachkosten wie die Spritzen und den Impfstoff bezahlen. Wenn niedergelassene Ärzte anstelle der Gesundheitsämter impfen sollten, könnten die Kosten rasch von rund 600 Millionen auf eine Milliarde Euro steigen. Um solche Mehrkosten zu begleichen, wäre rechnerisch eine Beitragssatzerhöhung um rund 0,1 Prozentpunkte nötig.

Die Kassen würden zudem mit bis zu 125 Millionen Euro Verwaltungskosten belastet, wenn sie - wie von der Regierung vorgesehen - Risiko-Patienten mit bestimmten chronischen Erkrankungen unter ihren Versicherten ausfindig machen und anschreiben müssten. Das Bundesgesundheitsministeriums sieht hingegen vor, dass die Kassen die Massenimpfung bezahlen. «Die Impfung ist eine Pflichtaufgabe», sagte Staatssekretär Klaus Theo Schröder. Die Kassen hätten genug Geld. «Der Ruf nach Beitragserhöhungen ist völlig unangemessen», urteilte er. Er sei optimistisch, dass sich die Kostenfrage mit den Kassen lösen lasse, sagte Jörg Hacker, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI).

Nach den jüngsten Daten des RKI vom Mittwoch hat sich die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland pro Woche in kurzer Zeit mehr als verdoppelt: Von 1.179 Fällen Mitte Juli auf 2847 Fälle Anfang August. 80 Prozent der neuen Patienten sind Urlauber, die sich im Ausland mit dem Virus infizierten. Insgesamt sind in Deutschland bisher 8619 Fälle der Neuen Grippe nachgewiesen. In der EU gibt es laut Hacker inzwischen fast 29 000 Fälle und 42 Todesopfer. Weltweit seien rund 200.000 Patienten und 1.444 Tote registriert.

Deutschland hat bei Pharmaunternehmen 50 Millionen Impfdosen bestellt. Damit können 25 Millionen Menschen mit der nötigen Zweifach-Impfung im Abstand von zwei Wochen einen Immunschutz erhalten. Voraussetzung für die Auslieferung des Impfstoffs ist die endgültige Zulassung in Deutschland. Als eine gute Nachricht werteten die Impfexperten die Erkenntnis, dass sich das Erbmaterial der neuen Influenza-Viren seit Monaten kaum verändert hat. «Das Genom ist relativ stabil», berichtete Hacker.

Bisher seien gegen Grippe-Medikamente in Deutschland (Neuraminidasehemmer) auch noch keine Resistenzen feststellbar. Nur aus dem Ausland seien Einzelfälle belegt. Beim neuen Impfstoff seien Nebenwirkungen wie Schwellungen an der Einstichstelle, Fieber und Kopfweh eher zu erwarten als bei der gewohnten saisonalen Grippeimpfung, erläuterte PEI-Präsident Löwer. Für Schwangere sei der neue Impfstoff trotzdem unbedenklich, weil er inaktive Substanzen enthalte - und keine vermehrungsfähige Viren.

Grund für eine mögliche schlechtere Verträglichkeit sei, dass der Impfstoff gegen Schweinegrippe eine kleinere Antigenmenge enthalte - und daher eine Verstärkersubstanz (Adjuvanz) benötige. Durch diese Technik könnten sehr viel mehr Impfdosen schneller produziert werden. Das bereits erprobte Verfahren sei auch ein Stück «Solidarität mit dem Rest der Welt», betonte der PEI-Präsident. Bei der üblichen Antigen-Menge in einem Grippeimpfstoff wäre er bereits jetzt «ausverkauft».

Die Kassen befürchten, dass viel Impfstoff ungenutzt vernichtet werden muss, wenn die Impfungen nicht durch die Gesundheitsämter erfolgen. Die Impfdosen seien leicht verderblich und würden nur in Zehnerpacks abgegeben, hieß es. Wenn Hausärzte nur wenige Patienten impften, müssten sie den Rest vernichten. (Achtung: Dazu hat der dpa-Themendienst den Beitrag «Angst zählt nicht: Kein Stornorecht bei Schweinegrippe», dpa-tmn 0061, gesendet) (dpa)
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