Vor allem die Kampagne der Weltgesundheitsorganisation (WHO) schüre Angst und stehe in keinem Verhältnis zu den wirklichen Problemen. «Von 6,2 Milliarden Menschen sind vermutlich seit einigen Wochen etwa 45 an der Grippe gestorben. Aber 100.000 Menschen sterben jeden Tag an Hunger und seinen unmittelbaren Folgen», sagte Ziegler am Samstag der Deutschen Presse- Agentur dpa. Alle fünf Sekunden verhungere ein Kind unter zehn Jahren. «Das nehmen wir hin mit eisiger Normalität.»
Er empfinde es als «Unverschämtheit», dass sich ein führender WHO- Vertreter vor die Medien stelle und sage, zwei Milliarden Menschen seien von dem neuen mutierten Schweinegrippevirus H1N1 bedroht, sagte der Gesellschaftskritiker. «Wer sieht, wie die Krankheit verläuft, handelt mit solchen Aussagen unverantwortlich», sagte Ziegler. Schon jetzt werde Mexiko in der Welt diskriminiert. Er bestreite nicht, dass die
WHO eine Verpflichtung zur Überwachung der internationalen Gesundheit habe. «Aber sie muss die Verhältnismäßigkeit wahren und den Leuten nicht Angst machen, obwohl sie es ja eigentlich besser weiß», sagte der frühere UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, der zur Zeit den UN-Menschenrechtsrat berät.
Etwa 953 Millionen Menschen sind permanent schwerstens unterernährt, sagte Ziegler. «Für sie gibt es weder Pressekonferenzen noch eine internationale Mobilisierung.» Derzeit aber lade die WHO täglich die Medien der Welt zur Information über den aktuellen Stand der Schweingrippe in ihr Hauptquartier in Genf. «Wenn es um die Existenz der Besitzenden geht, wird das Weltgewissen alarmiert», sagte Ziegler. «Das zeigt unsere Blindheit und letztlich auch unsere abgrundtiefe Kaltherzigkeit und unseren Zynismus.»
Für den Schweizer Professor ist es dabei erstaunlich, wie die Medien gelenkt würden. Ihn würde es nicht verwundern, wenn große internationale Pharmakonzerne, «dabei als Steuermann tätig sind», sagte Ziegler. Sie litten unter der
Wirtschaftskrise und hätten die Patente auf Antigrippemittel, die allenthalben gehortet würden. Krankheiten wie Sars oder die
Vogelgrippe, bei denen weltweite Epidemien befürchtet worden waren, hätten Pharmakonzernen Milliarden in die Kassen gespült. (dpa)