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13.09.2009 | 19:16 | Atomkraft  

Volle Kassen und ungeliebt: Geesthacht und sein AKW Krümmel

Geesthacht - Von unten sieht man nichts.

Atomkraftwerk
(c) proplanta
Aber oben im Badezimmer ihrer Schwiegereltern kann Yvonne Völker den Schornstein erblicken. Da leuchten ihr im Dunkeln die Lampen von gegenüber entgegen. Gegenüber, das ist das Atomkraftwerk Krümmel bei Geesthacht. Für einen Teil der Geesthachter ist es ein Schreckgespenst, das endlich stillgelegt werden soll - für immer. Das fordern zum Beispiel die Grünen im Ort. Ein entsprechender Antrag scheiterte aber jüngst in der Ratsversammlung. CDU und FDP stimmten dagegen.

Ali Demirhan, Fraktionsvorsitzender der Grünen in Geesthacht, sagt trotzdem: «Die Menschen wollen Krümmel nicht mehr haben.» Und eigentlich stehen die Zeichen für ihn nicht schlecht nach den jüngsten Vorfällen. 26 Jahre ist das Atomkraftwerk alt und könnte eigentlich noch etwa acht Jahre lang laufen. Doch 2007 kam es zu einem Trafo-Unfall. Als es nach zwei Jahren wieder ans Netz ging, gab es drei weitere Störfälle. Nun ist Krümmel wieder abgeschaltet. Der Energiekonzern Vattenfall steht in der Kritik.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) ist gegen einen Weiterbetrieb, die schwarz-grüne Koalition in Hamburg hat sich grundsätzlich für eine dauerhafte Stilllegung ausgesprochen, und auch der Kieler Umweltminister Christian von Boetticher (CDU), zuständig für die Krümmel-Aufsicht, schließt nicht aus, Vattenfall die Betriebserlaubnis zu entziehen. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hatte am Freitag vor dem AKW Krümmel protestiert.

Dörthe Le-Van-Quyen hätte dann ihr Ziel erreicht. Sie setzt sich in der Elterninitiative Geesthacht gegen das Atomkraftwerk ein. Sie ist beunruhigt, seit Studien von einer Häufung von Leukämiefällen bei Kindern in der Elbmarsch berichten. Die Gründe konnten nicht nachgewiesen werden, als eine Ursache wird die Nähe zum AKW gehandelt. Wenn das Kraftwerk abgeschaltet würde, dann hätte sie das Gefühl, in Sicherheit zu sein, sagt Dörthe Le-Van-Quyen.

Aber für die Stadt wäre es ohne den Reaktor nicht so einfach. Jetzt steht sie noch sehr gut da: Ein ausgeglichener Verwaltungshaushalt mit einem Überschuss und 20 Millionen Euro an Rücklagen - Geesthacht hat gut gelebt vom Kernkraftwerk. Es ist einer der beiden großen Gewerbesteuerzahler in der Stadt. 2000 bis 2007 gab es hohe Nachzahlungen, nach dpa-Informationen 100 Millionen Euro. Davon blieb gut ein Drittel bei der Stadt, der Rest floss als Umlage und Ausgleichszahlung an das Land und den Kreis.

Aber seitdem Krümmel stillsteht, zahlt das Kernkraftwerk nicht mehr und wird wohl es wohl auch nicht so schnell wieder tun - wegen hoher Abschreibungen auf die Reparaturkosten, vermutet der kommissarische Bürgermeister, Volker Manow. Sollte das AKW bald endgültig vom Netz gehen, muss die Stadt kürzertreten. Hohe Investitionen etwa in Kindergärten oder Schulen wie in den vergangenen Jahren gäbe es dann wohl nicht mehr. Eine Neuverschuldung in ein paar Jahren sei denkbar. «Es dürfte sehr, sehr schwierig werden, das auszugleichen», meint der 48-Jährige.

330 Leute arbeiten in dem Atomkraftwerk. Bei einem Aus für Krümmel könnten aber insgesamt knapp 1.000 Arbeitsplätze in Geesthacht und Umgebung wegfallen, befürchtet Torsten Wilms, der Vorsitzende der Wirtschaftlichen Vereinigung Geesthacht. Yvonne Völker ist erst vor kurzem aus Hamburg nach Geesthacht gezogen, ganz nah an das Atomkraftwerk ran. Die 41-Jährige vertraut darauf, dass die 330 Mitarbeiter sorgfältig arbeiten. Sie sagt: «Ich habe nicht so ein Gefühl der Bedrohung.» (dpa)
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