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15.08.2015 | 11:25 | Intelligente Stromzähler 

Werden wir zu gläsernen Strom-Bürgern?

Berlin - Alles scheint möglich: Die Heizung schaltet sich ab, wenn die Haustür ins Schloss fällt. Mitten in der Nacht springt die Waschmaschine an, da Strom gerade so schön billig ist.

Energieeffizienz steigern
Von der Energiewende bekommen die Bürger in den eigenen vier Wänden noch nicht so viel mit: Das soll sich mit dem Einbau moderner Stromzähler ändern. Der vernetzte Haushalt könnte dann Realität werden - nur was passiert mit den riesigen Datenmengen? (c) proplanta
Der Rauchmelder schickt eine SMS, weil eine vergessene Zigarette vor sich hin kokelt. Die Energiewende soll absehbar bei den Verbrauchern ankommen. Bei vielen Bürgern beschränkt sich die Ökostrom-Revolution bislang eher auf den Kauf einer Energiesparlampe.

Nun will Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) die überfällige Digitalisierung angehen. In seinem Haus arbeiten die Beamten gerade an einem Gesetzesvorschlag zur flächendeckenden Einführung intelligenter Stromzähler und Messsysteme. Die EU will, dass 80 Prozent der Verbraucher bis 2022 damit ausgestattet sind.

Hört sich zunächst nicht besonders spannend an, ist aber eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Verbraucher besser und günstiger an Strom, Gas und Fernwärme herankommen. Bislang sind digitale Stromzähler in Deutschland im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern Mangelware, auch wenn sie bei Neubauten vorgeschrieben sind. In manchen Häusern und Wohnungen drehen sich noch die alten, schwarzen Zähler aus Kaisers Zeiten.

Dabei sind «Smart Meter» eine der Schlüsseltechnologien der Energiewende: Die intelligenten Stromzähler sollen helfen, den Energieverbrauch genau abzubilden und sogar zu steuern, je nach dem wie groß das Angebot an produziertem Wind- oder Sonnenstrom gerade ist. Auf diese Weise können Versorger die Stromproduktion auf den tatsächlichen Bedarf abstimmen und Schwankungen in ihren Netzen managen. Tankstellen für Elektroautos oder Nachtspeicherheizungen können Energiespeicher sein. Die Verbraucher sollen davon profitieren, dass ihre Stromtarife flexibel angepasst werden können.

Die digitale Aufrüstung wird es aber nicht zum Nulltarif geben. Bis zu 100 Euro soll der Einbau pro Haushalt kosten. Gabriel will aber darauf achten, dass Netzbetreiber und Industrie nicht über die Stränge schlagen. In dem Gesetzesvorschlag sind bei einem jährlichen Stromverbrauch von unter 2.000 bis 6.000 Kilowattstunden feste, gestaffelte Preisobergrenzen von 23 bis 60 Euro vorgesehen - mehr darf der Einbau nicht kosten. Aber wann amortisiert sich das?

Ein durchschnittlicher Drei-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 3.500 Kilowattstunden Strom wird Berechnungen des Ministeriums zufolge mit einem klugen Messsystem etwa 15 Euro im Jahr sparen - das wären gerade mal 1,25 Euro pro Monat. Nach einigen Jahren wären die Anschaffungskosten aber wieder drin, ein ähnlicher Effekt wie bei Energiesparlampen. Außerdem können die cleveren Geräte auch den Bezug von Gas oder Fernwärme steuern, was den Kunden weitere Einsparungen bringen könnte.

Die Industrie steht schon in den Startlöchern. Bei 40 Millionen Haushalten und unzähligen Firmen winkt ein Milliardenmarkt, obwohl die Einführung schrittweise und frühestens 2017 mit Großverbrauchern aus der Wirtschaft (über 20.000 Kilowattstunden pro Jahr) beginnen soll. Private Stromkunden sollen erst deutlich später mit den Geräten ausgerüstet werden.

Experten und Verbraucherschützer sehen das Thema mit gemischten Gefühlen. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer lobt zwar, dass durch die intelligente Steuerung bei Verbrauchsspitzenzeiten der Strombedarf gesenkt werden könne. Allerdings sei der Entwurf von Gabriel beim Datenschutz noch lückenhaft. Die Zähler werden massenhaft Daten über das Konsum- und Alltagsverhalten der Deutschen liefern.

Der Regierung sind die Risiken bewusst: «Die zunehmende Vernetzung des Energieversorgungssystems macht dieses auch sensibler gegenüber Angriffen von außen, insbesondere durch Hacking-Angriffe.» Wo viele Daten im Spiel sind, ist auch Google nicht weit. Der Internetriese will sich im Markt der vernetzten Dinge und Elektrogeräte (Industrie 4.0) breitmachen. So legte Google 3,2 Milliarden Dollar für den Kauf der US-Firma Nest hin, ein Anbieter intelligenter Thermostate und vernetzter Rauchmelder. «Wir sehen, wenn Leuten ihr Toast verbrennt», sagte Nest-Mitgründer Tony Fadell. Will das jeder? Der gläserne Strom-Bürger jedenfalls ist nicht mehr weit. (dpa)
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