Dann wird sie ernst: «Mir ist schon klar, dass der Weinsektor ein sehr emotionaler Bereich ist. Das ist nicht das Entspannendste, was ich bisher unternommen habe.» Sehr zurückhaltend formuliert ist das. Vom Languedoc bis zum Peloponnes, von der Toskana bis ins spanische Rioja wird Kritik laut, kaum dass Fischer Boel ihre Pläne für eine grundlegende Reform des EU-Weinmarktes verkündet hat. Geradezu erbitterte Ablehnung kam aus Deutschland, wo sich die
Winzer für Überschüsse haftbar gemacht fühlen, die sie nicht zu verantworten haben.
Die Europäer trinken immer weniger Wein. Um 750 000 Hektoliter pro Jahr geht ihr Konsum zurück - und zugleich entkorken sie immer öfter eine Flasche aus Australien, Chile, Südafrika oder den USA. 13 der 180 Millionen Hektoliter EU-Weine gehen in die «Intervention», werden also auf Kosten des Steuerzahlers zu Sprit aller Art destilliert - Tendenz steigend. Die Kommissarin: «Wenn wir jetzt nichts tun, dann haben wir bald wirkliche Probleme.» Bundeslandwirtschaftsminister Horst
Seehofer gelobte sofort in Berlin, er werde nichts zulassen, was die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Weinbaus beeinträchtige.
Keine andere landwirtschaftliche Tätigkeit ist so sehr ein Spiegel von Geschichte, Kultur und nationaler Identität wie der Weinbau. Und überall wird Wein unter besonderen Bedingungen an- und ausgebaut: Der Mosel-Winzer in einer Riesling-Steillage mit 2000 Jahren Weinbauvergangenheit hat wenig gemein mit dem spanischen Kollegen, der seinen
Traktor über weite Ebenen steuert. Fischer Boel steht beim Versuch, den
Weinmarkt neu zu ordnen, noch viel Ärger ins Haus. Denn trotz unterschiedlicher Interessenslagen kann sich im Ministerrat durchaus eine starke Koalition von Wein-Ländern bilden, die den Kommissionsvorschlag entweder ganz kippen oder erheblich verändern.
«Grüne Ernte» heißt nun ein Ersatz für die Intervention. Die 27 Mitgliedstaaten sollen das künftig - unter anderem - aus jährlichen Töpfen von insgesamt anfänglich 623 und später 830 Millionen Euro finanzieren können, die ihnen von der EU zur Verfügung gestellt werden. Hinter dem poetisch anmutenden Begriff «Grüne Ernte» verbirgt sich: Die Trauben werden noch grün von den Reben gerissen und dann möglichst gleich untergepflügt. Dann müssen sie immerhin nicht destilliert werden.
Ein Kernpunkt der Kommissionsvorschläge aber ist die freiwillige Stilllegung von 200 000 der insgesamt 3,6 Millionen Hektar großen Rebfläche in der EU, die durch den Beitritt Rumäniens und Bulgariens noch einmal angewachsen ist. Im ersten Jahr soll es 7 147 Euro für jeden stillgelegten Hektar geben, im fünften und letzten Jahr nur noch 2 938 Euro. Die Mitgliedstaaten sollen aber in sozial oder umweltmäßig problematischen Regionen, beispielsweise Steillagen, die Flächenstilllegung begrenzen dürfen. Die deutschen Weinbauern halten von Rodungen nichts, zumal ab 2013 die Pflanzungsbeschränkungen völlig wegfallen sollen - dann könne, wer erst für die Stilllegung kassiert hat, ganz nach Belieben neu pflanzen. Diese Gefahr sieht Fischer Boel nicht: Von 2013 an werde nur noch der Neuanpflanzungen vornehmen, der sich auch einen guten Ertrag ausrechnen könne.
Die deutschen Winzer finden, das Geld solle lieber in die Verbesserung der Erzeugungs- und Vermarktungsstrukturen investiert werden. Die Überschüsse, die für die Katerstimmung bei Fischer Boel sorgen, stammen nicht von ihnen, sondern den südlichen Kollegen. Und ganz besonders ärgert sie, dass Fischer Boel die Anhebung des Alkoholgehalts durch Zugabe von Zucker verbieten will. «Wir müssen tun, was nötig ist», sagt die Kommissarin fast trotzig. Und räumt ein: «Es wird Verlierer geben. Es wird ganz kleine Weinhersteller geben, die Probleme bekommen.» (dpa)