Sie haben dem Verlag und der Redaktion die Zusammenarbeit aufgekündigt, weil sie sich an den Herstellungskosten beteiligen sollen. «Ich werde mir eine Beurteilung doch nicht erkaufen», empört sich Weinbauer Werner Knipser aus der Pfalz - ausgerechnet der
Winzer des Jahres 2009 des «Gault Millau WineGuide».
Auf Knipsers Homepage prangt werbewirksam das Logo des Weinführers. Nun sieht er die Unabhängigkeit der «Gault-Millau»- Redaktion in Gefahr. Auch in den Wein-Blogs im Internet tobt der Streit - ein bisschen Sturm im Weinglas, aber auch ein Grundsatzkonflikt um unabhängige Weinkritik und Marketing für Verlage und Winzer.
Mit Schreiben vom 8. Juni hatte der Münchner Christian Verlag, in dem der «WeinGuide Deutschland» erscheint, den Winzern einen freiwilligen Kostenbeitrag von 195 Euro pro Jahr vorgeschlagen. Aufgrund des auf 800 Seiten angewachsenen Umfangs des Buches, das in den Medien als «Bibel des deutschen Weines» und Institution gewürdigt wurde, sei man «auf Ihre Unterstützung angewiesen». Als Gegenleistung gibt es zwei Freiexemplare des Führers, ein «Gault-Millau»-Türschild, einen Aufkleber und das Recht, mit der Empfehlung zu werben.
Mehr als die Hälfte der angeschriebenen 900 Winzer habe das Angebot angenommen, berichtet der für den Gault Millau zuständige Programmleiter des Verlages, Clemens Hahn. Doch mehr als ein Dutzend Topwinzer aus allen Weinbauregionen sagten in einem Offenen Brief vom 30. Juni «Nein», darunter berühmte Namen wie Knipser, Gunderloch, Fürst, Philippi, Heger, Dönnhoff, Künstler, Johner oder Heymann- Löwenstein. Auch Topwinzer Meyer-Näkel ist entschieden: «Wir bezahlen nicht für Bewertungen.»
Bisher liefern die deutschen Winzer der Redaktion des «Gault Millau» kostenlos mehr als 10.000 Weinproben zum Test. Meyer-Näkel: «Nun sollen wir noch mehr bezahlen - die Tester des Restaurant- Führers vom 'Gault Millau' zahlen doch auch für ihr Essen.» Darauf angesprochen, sagt Verlagsmann Hahn erst mal nur: «Tja» - und fügt später hinzu: «Dass das ein Dilemma ist, gebe ich gern zu.» Aber eine Weinbeurteilung sei etwas anderes als ein Test im Restaurant, und der Weinführer sei schließlich ein Marketing-Instrument. Man wolle es im beidseitigen Interesse attraktiver machen.
Letztlich stehe der Verlag vor der Frage, ob man den «Gault Millau», für dessen Markennamen man hohe Lizenzgebühren nach Frankreich zahlen müsse, wieder verkleinern, gar einstellen oder besser und attraktiver machen solle, sagt Hahn. Die Auflage liegt nach seinen Angaben mit leicht steigender Tendenz bei über 20.000 zum Preis von Euro 29,90 verkauften Exemplaren. Rund 60.000 Euro habe der Verlag abzüglich der Kosten durch die Winzerbeteiligung einnehmen wollen.
Der Verlag sorgt sich, dass er nicht deutlich genug gemacht habe, dass die redaktionellen Test-Bewertungen der Weine mit der Kostenbeteiligung nichts zu tun habe. Das betont auch «Gault-Millau» Chefredakteur Armin Diel. Für Winzer Knipser ist dagegen klar, dass die Journalisten in ihrem Urteil nicht mehr frei sein könnten. Diel ist selbst Winzer, lässt sich wegen des Interessenkonflikts aber nicht im Guide bewerten. Er hat noch nicht entschieden, ob er der Aufforderung der prominenten Protest-Winzer nachkommt, sie künftig gar nicht mehr zu erwähnen. Dazu müsste man dann die Weine dann selbst einkaufen. Verhindern können es Knipser und seine Kollegen das wohl nicht. Werner Meyer-Näkel bliebt konsequent: «Wir haben doch die Pressefreiheit.»
Diel und einige der Protestwinzer sitzen gemeinsam im Vorstand des Verbandes der Prädikatsweingüter VdP. Am (heutigen) Freitag sollte der Streit der Topwinzer dort zur Sprache kommen. Mit Stellungnahmen hielt man sich deshalb erst einmal zurück. (dpa)