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28.03.2011 | 07:49 | Offshore-Windenergie 

See-Windräder drehen sich bisher nur in Simulationen

Berlin - Jörg Kuhbier redet sich in Rage. Ein fünf Milliarden Euro schweres Sofortprogramm verstehe er so, dass es auch sofort bereitstehe.

Offshore-Windenergie
«Das ist jetzt sieben Monate her», echauffiert sich der Chef der Stiftung Offshore-Windenergie. «Das kann doch nicht sein. Wir brauchen das Geld.» Während Union und FDP im Eiltempo die Atomlaufzeiten verlängerten, ist bei dem mit viel Tamtam parallel verkündeten Masterplan zur Beschleunigung der Windkraft vor den Küsten praktisch nichts passiert. Die Windräder auf See sollen viele Atomkraftwerke ersetzen, doch bisher sieht es wenig verheißend aus.

Investoren würden zudem nicht in Windparks in der Nordsee investieren, wenn völlig unklar sei, ob es 2016 eine Leitung gibt, die den erzeugten Strom auch abtransportiert. Kuhbier fordert eine rasche Reform des Energiewirtschafts- und des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, um klare Rahmen- und Förderbedingungen für die Zukunft zu schaffen.

Und dann ist da noch das Problem mit dem Schallschutz, der den Baubeginn oft blockiert, und die Sorge um die Schweinswale. Kuhbier holt die große Keule raus: Ihm sei das Restrisiko einer möglichen Gefährdung einiger Schweinswale lieber als das Restrisiko bei der Atomkraft. Bisher gibt es nur den Modellpark «alpha ventus». Bis 2030 sollen sich vor den Küsten Windmühlen mit einer Leistung von 25.000 Megawatt drehen - das wäre bei Starkwind mehr als die 17 Atommeiler an Strom produzieren können. Doch bisher sieht es nicht so aus, dass der ambitionierte Plan auch Realität wird.

Eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG kommt zu dem wenig optimistischen Ergebnis, dass das Risiko bestehe, «dass die deutsche Offshore-Windindustrie in der Entwicklung gegenüber europäischen Wettbewerbern zunehmend zurückfällt» und das Potenzial nur bedingt ausgeschöpft werden kann. Zwar sei bisher eine Projektrendite von im Schnitt 7,1 Prozent zu erwarten, angesichts der hohen Risiken beim Betrieb und den logistischen Herausforderungen sei dies aber nicht genug. Niedersachsens Umweltminister Hans Heinrich Sander (FDP) setzt vor allem auf eine rasche Lösung des Netzproblems, um diese elementare Unsicherheit zu beseitigen. «Wir brauchen eine große Mehrheit, die nicht nur nein sagt», appelliert er an die Bürger.

Auch an Land gab es zuletzt deutlich enttäuschende Entwicklungen. Dort setzt die Branche darauf, dass sich die bisherigen Atom-Länder Bayern und Baden-Württemberg bei einer schrittweisen AKW-Abschaltung der Windkraft öffnen, um nicht abhängig zu werden vom Küstenstrom. Nach Erhebungen des Deutschen Windenergie-Instituts wurden 2010 nur 1.551 Megawatt (MW) Windleistung neu installiert. Im Vergleich zum Vorjahr war dies ein Rückgang um 19 Prozent. Insgesamt drehten sich Ende 2010 in Deutschland 21.607 Windräder.

Die Windbranche soll zweifelsohne der Motor für das atomfreie Energiezeitalter werden, flankiert von Wasserkraft, Solarenergie und Energie aus Biomasse. Doch auch dabei hapert es: Die Photovoltaik frisst fast die Hälfte der Ökoenergieförderung von 13,5 Milliarden Euro - bei einem geringen Anteil von zwei Prozent an der Stromerzeugung. Wind (2010: 6,2 Prozent an Stromerzeugung) gilt daher als sinnvollstes Wachstumssegment bei den Ökoenergien.

Große Hoffnungen werden auch auf die Biomasse (2010: 5,6 Prozent) gesetzt, weil aus Mais und Gülle kontinuierlich Strom erzeugt werden kann - ähnlich wie bei Kohle- oder Atomkraftwerken. Mit Mais und Gülle wird Gas erzeugt, das zum Stromerzeugen über Turbinen genutzt wird. 6.800 Biogasanlagen soll es bundesweit bis Ende des Jahres geben.

Aber es gibt Probleme mit den Anbauflächen, mancherorts wird vor Mais-Monokulturen gewarnt. Die Umweltstiftung WWF kommt in einer Studie zu dem Schluss, das Erneuerbare-Energien-Gesetz belohne Strom aus Biogas mit umgerechnet jährlich rund 3.000 Euro pro Hektar Mais. «Das ist fast das Zehnfache dessen, was Bauern sonst pro Hektar durchschnittlich an EU-Förderungen erhalten.» Daher würden Investoren immer häufiger Flächen aufkaufen und Landwirte in die Enge treiben.

Neben dem Mais- gibt es auch einen Güllebonus, weshalb viele Anlagen dort entstehen, wo Schweine und Geflügel gezüchtet werden. Die Regierung will daher an die Biogas-Förderung ran, auch um eine Konkurrenz zwischen der Nahrungsmitttel- und der Energierohstoffproduktion zu vermeiden. Aber zunächst einmal soll das Fünf-Milliarden-Euro-Programm für Offshore-Windräder kommen. Auch um zu zeigen, dass es der Regierung ernst ist mit Alternativen zu Atom. (dpa)
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