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22.02.2009 | 08:31 | Klimaforschung  

«Raumschiff» in weißer Wüste - Deutsche Antarktisstation gebaut

Neumayer-Station III/Antarktis - 47 Treppenstufen führen aus der eisig-windigen Kälte der Antarktis in ein behaglich-warmes Eckzimmer.

Arktis
(c) proplanta
Es ist die «Lounge» im ersten Stock der neuen deutschen Forschungsstation Neumayer III. Als Treffpunkt für die Bewohner der weit verzweigten Station hat sich die «Lounge» zwar noch nicht etabliert. Bis kurz vor der offiziellen Eröffnung an diesem Freitag stapeln sich Umzugskisten, Handwerker erledigen Restarbeiten. Aber immerhin liegen schon ein Gästebuch und Literatur bereit. Und der Blick aus den großen Panoramafenstern ermöglicht die Sicht auf eine faszinierend-weiße Wüste - das geheimnisvolle Schelfeis.

Die Station steht auf dem Ekström-Schelfeis und wird mit diesem 157 Meter pro Jahr verschoben. Wie Vanillesoße auf einem Schokoladenpudding fließt diese Platte langsam vom Rand der Antarktis nordwärts. Zudem steigt die Oberfläche aufgrund des Schneefalls jährlich um rund einen Meter an. «Ein Stoff, der fließt, aber auch Beton nahe kommt», sagt Stationsingenieur Andreas Brehme. Die Konstrukteure der 2300 Tonnen schweren Station mussten daher besondere Probleme lösen: «Wir wollten Mobilität und Stabilität verbinden», sagt Projektleiter Saad El Naggar vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI).

Die Antwort ist eine hydraulisch-hochfahrbare Stelzenplattform - eine Premiere in der Geschichte der deutschen Polarstationen. Frühere Konstruktionen - die Georg-von-Neumayer-Station (1981 bis 1992) und die bisherige Station Neumayer II (seit 1992) waren in den Schnee gebaut. Die Stahlröhren wurden von den Schneemassen metertief begraben und langsam von ihren Bewegungen und dem Druck deformiert.

Neun Wissenschaftler und Techniker können künftig in Neumayer III ganzjährig leben und arbeiten. Im Sommer ist Platz genug für weitere Forscher, die für ein paar Wochen anreisen - mit Eisbrechern oder polartauglichen Spezialflugzeugen. Seit wenigen Jahren ermöglicht eine internationale Luftbrücke den Sprung vom südafrikanischen Kapstadt über russische, norwegische oder südafrikanische Stationen bis zur Neumayer-Station.

Wenn die Sommerexpeditionen wieder abreisen, bleiben neun Überwinterer für rund neun Monate allein zurück. Anders als in den U- Boot-ähnlichen Vorgängerstationen können sie nun - soweit vorhanden - das Tageslicht sehen. «Das ist psychologisch ein großer Vorteil und hebt die Stimmung», sagt Eisforscher und stellvertretender AWI- Direktor, Professor Heinrich Miller. Mehrere Wochen ist es aber fast völlig dunkel, wenn die Sonne überhaupt nicht mehr über den Horizont lugt.

Die neue belgische Antarktisstation, deren Energieversorgung nur mit Wind und Sonne erfolgt, ist nach Ansicht der deutschen Wissenschaftler nicht mit der Neumayer-Station III zu vergleichen. «Die belgische Station wird nur im Sommer und dann nur von wenigen Menschen bewohnt. Auf Neumayer III leben jedoch auch im Winter neun Menschen, hinzu kommen häufig mehr als 30 Wissenschaftler im Sommer und der ständige Betrieb von Observatorien», sagt AWI-Eisforscher Miller.

Solartechnik wird auf Neumayer III zwar vereinzelt genutzt, ist aber im Winter ohne Sonne nutzlos. Eine spezielle Windkraftanlage liefert Strom, die Leistung schwankt jedoch mit der Windstärke. Aufgrund früherer Erfahrungen arbeitet die neue deutsche Station mit Dieselaggregaten. So erzeugt das Blockheizkraftwerk Strom. Die Abwärme wird für die Heizung, die Schneeschmelze und Warmwasser genutzt.

Tamer Kazanc von der neuen Überwinterungsmannschaft freut sich bereits auf die Zeit in der neuen Station: «Das wird eine große Herausforderung, und ich bin als erster Koch türkischer Abstammung mit dabei», sagt der frühere Restaurantleiter aus Hamburg. Das letzte Flugzeug Anfang März bringt noch einmal 200 Kilogramm Frischproviant - vor allem Gemüse, das bald verbraucht oder eingefroren wird.

Mehrere Kühlhäuser und Trockenlager muss Tamer im Auge behalten und hat damit die Kontrolle über 250 Kilo Mehl, 200 Kilo Zucker und 60 Kilo Salz. Er hat frühere Inventurlisten über den Verbrauch studiert und sich über die Vorlieben seiner künftigen Mitbewohner informiert. Für einen Bayern gibt es dann eben extra Weißwürste und Leberkäse. (dpa)


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