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07.06.2010 | 01:25 | Biodiversitätsforschung  

Die Serviceleistungen der Natur nutzen und erhalten

Jena  - Eine neue Forschergruppe der Universität Jena untersucht, wie Artenvielfalt Ökosystemprozesse steuert.

Die Serviceleistungen der Natur nutzen und erhalten
Wiese ist nicht gleich Wiese. Während auf der einen Wiesen-Lieschgras, Glatthafer und Knäuelgras wachsen, blühen auf der anderen Gänseblümchen und Löwenzahn, wilde Möhre und Sauerampfer. Doch welchen Unterschied macht es, ob eine Wiese aus einer oder 60 verschiedenen Pflanzenarten besteht? Welche Auswirkungen hat die Artenvielfalt auf die Stoffkreisläufe und Prozesse innerhalb des Ökosystems? Und was bedeutet der Verlust einzelner Arten für das System Wiese?

Diesen Fragen geht die neue Forschergruppe „Exploring mechanisms underlying the relationship between biodiversity and ecosystem functioning“ der Friedrich-Schiller-Universität Jena in den kommenden drei Jahren nach. Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Gruppe wird von Prof. Dr. Wolfgang W. Weißer geleitet. „Wir freuen uns, damit unsere bereits 2002 begonnene Arbeit zur funktionellen Biodiversitätsforschung fortsetzen zu können“, so der Professor für Terrestrische Ökologie. Weißer und sein Team arbeiten in der neuen Forschergruppe mit Wissenschaftlern des Instituts für Geowissenschaften, des Jenaer Max-Planck-Instituts für Biogeochemie, sowie namhaften Kollegen aus ganz Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz und Frankreich zusammen. Die insgesamt 13 Teilprojekte werden mit rund fünf Millionen Euro gefördert. Etwa 1,8 Millionen Euro davon fließen an die Uni Jena.

Auf einem ca. zehn Hektar großen Gelände in der Saaleaue bei Jena bewirtschaften die Ökologen der Friedrich-Schiller-Universität seit 2002 rund 470 Versuchsparzellen, in denen künstlich zusammengestellte Graslandschaftgesellschaften wachsen. Diese reichen von Monokulturen bis zu Gesellschaften aus 60 verschiedenen Pflanzenarten, darunter Gräser, kleine und große Kräuter sowie Leguminosen. „Bisher konnten wir zeigen, dass sich die Artenvielfalt dieser Graslandschaften auf etwa 40 Prozent der untersuchten Ökosystemprozesse auswirkt“, sagt Prof. Weißer. So steige z. B. die Biomasseproduktion der Wiese mit ihrer Biodiversität. Es werden größere Mengen an Kohlenstoff und Stickstoff gespeichert, die Anzahl der Regenwürmer, die Vielfalt der Insekten oder auch der Blütenbesuch von bestäubenden Insekten ist höher in artenreicheren Flächen.

„Insgesamt haben wir den Einfluss der Biodiversität auf mehrere Hundert Einzelprozesse erfasst“, so der Jenaer Ökologe Weißer. Innerhalb der neuen Forschergruppe wollen die Wissenschaftler nun die Mechanismen aufklären, auf denen diese Zusammenhänge beruhen. „Außerdem interessiert uns, warum die Artenvielfalt auf manche Prozesse einen Einfluss hat, wie etwa die Kohlenstoffspeicherung, auf andere aber wiederum nicht, wie etwa die Insektenschäden an den Pflanzen oder auch generell den Stickstoffkreislauf“, so Weißer.

In Kooperation mit dem französischen ECOTRON Konsortium in Montpellier planen die Forscher darüber hinaus, eine komplette Stoffbilanz für einzelne ihrer Mini-Ökosysteme zu erstellen. Dazu werden von 24 Versuchparzellen des Jenaer Experiments Bodenmonolithe gewonnen, luft- und lichtgeschützt verpackt nach Frankreich transportiert und in den ECOTRON Klimakammern untersucht. Mit Hilfe stabiler Isotope wollen die Forscher dort beispielsweise den Weg von Stickstoff aus dem Boden in die Pflanzen und die Tierwelt lückenlos verfolgen.

Die Jenaer Biodiversitätsexperimente dienen jedoch nicht allein der Grundlagenforschung, wie Projektleiter Weißer betont. „Uns geht es auch darum, zu klären, wie eine zukünftige Nutzung von Grünflächen betrieben werden kann, ohne dem Ökosystem zu schaden, z. B. durch die Verwendung des Schnittgutes artenreicher Wiesen zur Bioenergieerzeugung.“ Schließlich gehe es darum, „die Serviceleistungen der Natur zu erhalten.“ Und die seien heute nicht mehr überall selbstverständlich, so der Ökologe mit Verweis auf den Verlust an Biodiversität in Deutschland und anderen Regionen der Welt. Denn: „Wo z. B. bestäubende Insekten fehlen, hat die Landwirtschaft ein Problem.“ (idw)
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